„Es erzeigt sich selber Gutes der Liebreiche; aber seinen Leib verdirbt der Grausame.“ 11.17
© 2016 Kommentar: Bhajan Noam - Sieben heilige Früchte hat Israel: Oliven, Weintrauben, Datteln, Feigen, Granatäpfel, Weizen und Gerste. Sie alle sind gehaltvolle und wertvolle Nahrungsmittel, ihr Verzehr dient einem gesunden und langen Leben. Der Liebreiche, der die Weisheit liebt, der das wahre Leben liebt, der in Harmonie ist mit dem Kosmos und den göttlichen Gesetzen, der Freude und Stärke verkörpert, seine Gedanken sind klar, seine Rede ist freundlich, sein Auge leuchtet, er atmet die Luft der Berge, ihn durchströmt die Frische der Quellflüsse, er nährt sich von den reifen Früchten des Landes und kennt keine Gewalt. – Der Weise Hillel wurde von einem Nichtjuden gefragt: „Kannst du mir die Tora in wenigen Worten, auf einem Bein stehend, erklären? Wenn du mich überzeugst, nehme ich vielleicht deinen Glauben an.“ Und der Weise antwortete ihm: „Was dir verhasst ist, das tue deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, alles andere ist Auslegung. Geh, lerne sie!“ – Hillel sagt: „Was du dir selbst niemals antuen würdest und nicht möchtest, dass es andere dir antun, das unterlasse dir selbst und anderen gegenüber. Tue dir Gutes, dann verstehst du, was andere brauchen und wie sie behandelt werden möchten.“
Der Liebreiche, der ganz in der Weisheit aufgegangen ist, der Gottesfreund, selbstvergessen singt er sein Lied und erfreut jeden von ferne Lauschenden. Die Blüten der Blumen neigen sich ihm zu, die Tiere des Feldes nähern sich ihm ohne Scheu. Nur die Menschen begegnen ihm verhalten, sein Benehmen ist ihnen fremd und sein Strahlen ängstigt sie. Der Liebreiche bleibt unbekümmert, er tröstet die Leidenden, er heilt die Kranken, er segnet die Kinder und lächelt mit denen, die ihn ablehnen und beschimpfen. Weil er in sich ruht, weil Streit ihm fremd ist, sieht er klar und handelt nach den Erfordernissen des Lebens. – Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich und seine Jüngerinnen und Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie – ich wandle die Worte ein wenig ab in der Weise, wie sie nach meinem Verständnis ursprünglich gemeint waren: „Selig, die Gottes Größe erkannt; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; einst wird das Leiden durchschaut und sie werden getröstet sein. Selig, die keine Gewalt anwenden; ihnen ist die Erde wie eine heilige Leihgabe. Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; mögen sie selbst ohne Urteil bleiben. Selig die Barmherzigen; denn ihr Herz ist voll Liebe und entlohnt sich selbst. Selig, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden Stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt. Selig die Sorglosen und Unbekümmerten; denn sie wissen, dass ihre Feinde ihre Freunde sind. Selig alle, die ohne Furcht sind und in der Freude leben; denn sie sind Brüder und Schwestern im Geist und erneuern täglich die Welt. Amen.“
Das Wort Leib bedeutet – im Gegensatz zum Körper – stets das Ganze: Körper, Seele und Geist, eingebunden in Gottes Schöpfung. Leib und Leben sind per se eine beseelte Einheit. – Der Psychiater Wilhelm Reich, wie auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, beide beschreiben zwei Formen der Lebenskräfte: die an den Leib gebundene Lebensenergie, den Äther- oder Lebenskräfteleib, der weitgehend der Form des physischen Körpers entspricht und diesen durchdringt, sowie die Lebensenergie der kosmischen Ätherkräfte. Sie waren auf unterschiedliche Weise davon überzeugt, dass es für die Entwicklung der Menschheit auf diesem Planeten unerlässlich sei, ein Bewusstsein für das lichtvolle Feld der Lebenskräfte zu entwickeln. Und sie waren sich sicher, dass aus diesem Bewusstsein neue, bahnbrechende Heilungsmethoden für die Erde und den Menschen gefunden werden könnten.
Der Grausame, das heißt der Unverständige, Unkultivierte, Unbelehrte, noch in Dumpfheit Lebende, den noch kein göttliches Licht, kein Strahl der Weisheit erhellte, er verdirbt seinen Leib. Ihm sind die Lebensgesetze, die Zusammenhänge und Kausalitäten fremd, er vegetiert instinkthaft und folgt ganz seinen Begierden und Gelüsten. Sein Bewusstsein ist noch das Bewusstsein eines Reptiliengehirns. Das Reptiliengehirn reguliert Atmung, Herzschlag, Nahrungsaufnahme und Verdauung, also alles Wichtige zu einem dämmerhaften Überleben. Wirklich bewusstes Leben beginnt erst in einer viel späteren Entwicklungsphase. Hirnforschern wie Philosophen ist das Bewusstsein allerdings bis heute noch das größte Rätsel überhaupt. Würden sie sich mit Mystikern zusammensetzen, müssten sie zwar viele ihrer wissenschaftlichen Glaubenssätze über Bord werfen, doch im Thema Bewusstsein würden sie rasante Fortschritte machen, was der gesamten Menschheit zum Wohle diente. Der Grausame ist nicht von Natur aus grausam. Uns allen ist die göttliche Natur eingepflanzt. Wird er eines Tages einem Liebreichen begegnen, wird er sich gespiegelt sehen und seine wahre Seele erahnen.
Was König Salomon uns aber sagen will: Wir alle sind sowohl Liebreiche wie Grausame. Wir schwanken ständig hin und her und verletzen und verurteilen dabei andere wie uns selbst. Das hat mit unserer Gottesferne zu tun, die jedoch eine wichtige Aufgabe bei unserer Entwicklung erfüllt. Gott will keine Sklaven, Gott will freie Seelen. Sonst hätte er den Menschen gleich als unfehlbaren Engel erschaffen. Gott ist vollkommen frei in seinen Entscheidungen und er möchte ebenso freie Geschöpfe um sich versammelt sehen. Deshalb kann sich der Mensch von Gott entfernen und sich ihm jederzeit wieder annähern. Und erst am Ende, nach einer langen Schulung, wird er nichts sehnlicher wünschen, als auf ewig in Gottes strahlender Einheit zu sein.
- Bhajan Noam -
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