Ein Tag näher an der Selbstverwirklichung

Heute ist Donnerstag. Gestern war Mittwoch. Was ist der Unterschied zwischen Donnerstag und Mittwoch? Es ist ein Tag näher am Tod. Der Unterschied zwischen Donnerstag und Mittwoch ist ein Tag näher am Tod. Das ist die einzige Gewissheit, die wir haben, mindestens von der Zukunft aus betrachtet. Das klingt jetzt nicht sehr positiv, oder? Das war so eines der Dinge, die der Swami Vishnu uns sehr häufig gefragt hat: “What day is today? Today is Thursday. What day was yesterday? Wednesday. What is the difference between Thursday and Wednesday? One day closer to death.” Und das betrifft nicht nur unseren eigenen Körper, es betrifft alles andere auch. Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende, das Schöne wie auch das weniger Schöne, das, was wir mögen, wie auch das, was wir nicht mögen. Man sagt auch so schön: nichts ist beständig, außer: dem Wandel. Und selbst der wandelt sich, denn manchmal ist er schneller, und manchmal ist er langsamer. Dennoch, Yogis sagen, es gibt noch etwas anderes, was beständig ist außer dem Wandel, das ist unser – die Antwort ist korrekt: die Stille, das, was nicht in Worte zu fassen ist, das, was ewig und unendlich ist. Das ist das, was immer bleibt. Alles andere verändert sich. Gut, und so könnte man auch sagen, dass genauso wie wir sagen können, ein Tag näher am Tod, können wir auch sagen, einen Tag näher an der höchsten Verwirklichung. Denn, wenn das irgendwo stimmt, was die Yogis so behaupten, nämlich, das wir irgendwann alle zur Selbstverwirklichung kommen, - und es heißt natürlich, wenn es in diesem Leben nicht klappt, dann klappt es halt im nächsten, oder im übernächsten, oder in tausenden oder Millionen Leben - jedenfalls: dann sind wir jetzt einen Tag näher an der Selbstverwirklichung. Nun ist es auch nicht so ganz festgelegt, so wenig, wie die Länge unseres Lebens letztlich so genau festgelegt ist, - wir können die Länge unseres Lebens auch beeinflussen, wie wir handeln und wie wir leben, ob wir uns gesund ernähren, ob wir Asanas und Pranayama machen, da können wir einigen Einfluss darauf nehmen, in gewissem Maße. Ob wir uns dann jetzt vielleicht – morgen gehen wir vielleicht durch das Silvaticum, und da fällt plötzlich ein Zweig herunter auf unseren Kopf, auf eine unglückliche Weise, und dann haben wir früher die Befreiung von diesem Körper erlangt. Aber leider nicht die Befreiung vom Höchsten – die Befreiung vom Niedrig – die Befreiung vom Geist, wir müssen uns dann wieder inkarnieren, wir müssen die ganze Sache wieder von vorne anfangen. Und auch wenn Erwachsene denken, dass das Babyleben ein wunderschönes ist, die Babys denken das vielleicht nicht unbedingt. Und so ist es besser, wo wir jetzt schon einen Körper haben und den Wunsch nach Befreiung, und die Mittel dazu haben, dann wollen wir uns darum kümmern, dass der Körper länger existiert, und dass er irgendwie gesund ist, soweit es mit dem Körper machbar ist, so dass wir in diesem Leben noch höhere Erfahrungen machen. Jetzt kommen wir aber noch zu einem anderen, logischen Problem: Wenn wir jetzt schon ewig, unendlich und rein sind, dann ist eigentlich die Behauptung, dass wir einen Tag näher an der Selbstverwirklichung sind, irgendwie nicht so ganz sinnvoll. Denn wir sind jetzt schon das unsterbliche, ewige Selbst. Und wir können es jetzt schon mindestens spüren, erahnen, erfühlen, uns dessen bewusst sein. Und wir sind es selbst dann, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Es gehört zu dem, was man immer wieder auf dem spirituellen Weg sich bewusst werden kann, zum einen: wir sind jetzt schon vollkommen, jetzt in diesem Moment, zum anderen gilt es aber auch, mit Eifer danach zu streben, es wirklich vollständig zu erfahren, und zum dritten gilt es auch, geduldig zu sein, denn es ist auch nicht so vollständig in unserer Hand. So wie es paradox ist: auf der einen Ebene ist alles, was in dieser physischen Welt ist, sterblich, und irgendwann vergänglich, deshalb sollte man dort eben keine Verhaftung haben, andererseits brauchen wir das Vergängliche, auch um uns dort zu entwickeln. Und auch wenn es heißt, das diese physische Welt nur einen relative Existenz hat, haben wir dennoch auch eine Aufgabe, man könnte sogar sagen: Mission, in dieser Welt zu erfüllen, und dafür gilt es, diese Welt auch immer wieder ernst zu nehmen, ohne sie zu ernst zu nehmen. Hari OM Tat Sat. Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
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