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Diese Geschichte war vermutlich Swami Vishnudevanandas Lieblingsgeschichte. Viele von euch haben sie schon öfters gehört. Gerade weil sie so wichtig ist, ist es gut, sie öfters zu hören und noch wichtiger danach zu handeln. Das ist die Geschichte von Schafen und Löwen:
Es war einmal vor langer, langer Zeit eine Löwin und sie war trächtig. Als sie gerade das Kind geboren hatte, starb sie bei der Geburt. So war das Löwenbaby ohne Mutter. Das Löwenbaby schrie ganz herzerbarmend und suchte nach der Mutter. Zur gleichen Zeit gab es eine Schafsmutter, deren Baby gestorben war. So schrie die Schafsmutter vor Schmerz und das Löwenbaby hörte eine Mutter. Die beiden fanden sich und so adoptierte die Schafsmutter unser Löwenbaby. Das Löwenbaby saugte seine erste Milch von der Schafsmutter.
Später fing es an, Gras zu fressen, wie die anderen Schafe. Der kleine Löwe fing an, zu blöken wie die Schafe und dachte, er wäre ein Schaf. Irgendwie merkte er, er war ein bisschen anders als die anderen Schafe. Deshalb dachte er, er wäre ein minderwertiges Schaf. Er wuchs auf mit Minderwertigkeitskomplexen und mangelndem Selbstwertgefühl.
Eines Tages kam der Berglöwe, der König des Waldes. Der wollte mal nach dem Rechten schauen und sah die Schafsherde. In der Mitte der Schafsherde sah er einen großen Löwen, ein Mitglied seiner königlichen Familie. Er fraß dort gerade Gras und wurde von den Schafen hin und her geschupst. Offensichtlich war er ganz verschüchtert: „Was für eine Unehre für die königliche Familie.“ Er hatte kein Auge mehr für die Schafe, er wollte nur gucken: „Was ist das für ein komischer Löwe?“ Er rannte dort runter, die Schafe stoben in alle Richtungen weg. Unser Berglöwe packte den Schafslöwen am Schlafittchen und fragte: „Was machst du hier?“ Da sagte der kleine Löwe: „Bäh, bäh, bäh. Ich bin der einzige Sohn meiner Mutter.“ „Deine Mutter, wo ist denn deine Mutter?“ „Ja, die rennt da hinten, aber die kriegst du nicht mehr.“ „Aber das ist doch ein Schaf.“ „Bäh, bäh, bäh. Natürlich, ich bin ja auch ein Schaf.“ „Was erzählst du? Du bist kein Schaf, du bist ein Löwe. Noch dazu bist du jünger als ich, eigentlich bist du stärker als ich. Du könntest einfach mal laut brüllen und ich würde gleich abhauen. Eigentlich, bist du viel größer und stärker.“ „Bäh, bäh, bäh. Ich glaube dir ja alles, aber bitte lass mich in Ruhe.“ „Ich werde dir beweisen: du bist kein Schaf, sondern ein Löwe.“ Unser Berglöwe zog ihn am Nackenfell zu einem See und sagte: „Was siehst du?“ „Bäh, ich sehe gar nichts.“ „Öffne gefälligst deine Augen! Ich tue dir schon nichts. Was siehst du jetzt?“ „Ich sehe Wellen.“ „Ja, schnauf nicht so viel. Mache deinen Atem ruhig! Drei bis vier Sekunden lang einatmen, drei bis vier Sekunden lang ausatmen. Was siehst du jetzt?“ „Ich sehe dich zweimal.“ „Schau genauer hin!“ Erstmals schaute unser Schafslöwe genauer hin, er bewegte seinen Kopf ein bisschen nach rechts, nach links. Schließlich schaute er unseren Berglöwen an, fragend, und der nickte und sagte: „Tat Tvam Asi. Das bist du.“ Unser Löwe erkannte: „Aham Simhasmi. Ich bin dieser Löwe.“ Und zum ersten Mal in seinem Leben brüllte er laut wie ein Löwe und hatte niemals mehr Angst vor irgendetwas.
Ich glaube, ihr wisst, was die Geschichte bedeutet. Wir sind alle wie Schafslöwen. Im Unterschied zu der Geschichte sind wir nicht nur Löwen unter Schafen, sondern wir sind alle Schafslöwen. Wir identifizieren uns mit etwas, was wir nicht sind: „Ich heiße sowieso, ich bin der und der. Das kann ich nicht und geht auch nicht. Bäh, bäh, bäh. Das ist zu viel und ist schwierig. Bäh, bäh, bäh.“ irgendwann kommt ein Berglöwe, der Meister, und sagt: „Du bist nicht dieses kleine, schwache Menschlein. Du bist das unsterbliche Selbst. Du bist der Atman. In dir ist alle Kraft drin. Was auch immer in mir ist, ist in dir und überall. Du bist das unsterbliche Selbst.“ Was sagen wir? „Oh Meister, du bist das unsterbliche Selbst, ich bin ein armer Schlumpf. Ich stelle gerne dein Bild auf den Altar, bete für meine Rückenbeschwerden und gib, dass meine Frau endlich Einsicht hat. Bäh, bäh, bäh.“ Der Meister sagt: „Nein. Du bist das unsterbliche Selbst, genau wie ich.“ Dann bringt uns der Meister zu einem See, der See ist die Meditation. Und dann sagt der Meister: „Jetzt meditiere! Was erfährst du?“
„Meister, meine Knie tun weh, mein Rücken tut weh, meine Schultern tun weh.“ Dann sagt der Meister: „Okay, praktiziere Asanas, dann wirst du besser sitzen können. Sitze regelmäßig.“ Nach einer Weile können wir vielleicht einigermaßen sitzen und der Meister sagt wieder: „Schau nach innen! Was siehst du?“ „Meister, ich sehe nur Gedanken. Ich denke an das, was in der Vergangenheit war. So viel aus der Vergangenheit kommt hoch. In bin inmitten von lauter Prozessen, Reinigungserfahrungen und so viel von der Vergangenheit.“ Der westliche Mensch suhlt sich geradezu in Vergangenheitssachen. „Was siehst du noch?“ „Ich sehe noch die Zukunft und was noch alles Schlimmes passieren kann.“ Dann sagt der Meister: „Du musst dein Prana kontrollieren. Übe Pranayama! Dann, in der Meditation, mache den Atem ruhig. Ist der Atem ruhig, wird dein Prana ruhig, wird das Prana ruhig, wird der Geist ruhig.“ Schließlich fragt der Meister: „Was hast du in der Meditation erfahren?“ „Meister, du bist mir in der Meditation erschienen und das war so großartig. Danke, für deine Gnade, dass du so großartig dich in mir manifestiert hast.“ Und dann sagt der Meister: „Tat Tvam Asi. Das bin nicht ich, das bist du. Diese Freude, die du in dir erahnt hast, diese Schönheit, diese Großartigkeit, das, was in dir die Unendlichkeit ist, kann wahrgenommen werden, Tat Tvam Asi, Das bist du.“ Und schließlich erkennen wir: „Aham Brahmasmi. Ich bin dieses Brahman.“ und wir brauchen niemals mehr Angst vor irgendetwas zu haben.
Beim Swami Vishnu und schon bei Swami Sivananda war diese Geschichte ein geflügeltes Wort. Er hat uns öfters gesagt, wenn wir gesagt haben: „Swamiji, das kann ich nicht.“: „Hör auf, zu blöken wie ein Schaf! Brülle wie ein Löwe von Vedanta!“ Da könnt ihr öfters daran denken, wenn ihr euch wieder erwischt…
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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Kommentare
das ist eine sehr schöne Geschichte, die ich heute zum ersten mal gelesen habe. Ich habe mal vor Jahren eine ähnliche Geschichte kennengelernt - Die vom Adler, der dachte, er sei ein Huhn - von James Aggrey.
Hier findest Du die Geschichte übersetzt, falls Du sie lesen möchtest :
http://nlp-seminare.at/hypnose/metaphern-adler.htm
Liebe Grüße, Hannes