Was hat es mit dem Kastensystem im Hinduismus auf sich? Was sind die Ursprünge davon? Gibt es große Abirrungen?
Der Hinduismus wird heute besonders kritisiert wegen des Kastensystems. Er wird kritisiert wegen schlechter Behandlung von Frauen und er wird auch kritisiert wegen Verbrechen an Frauen.
Es hat alles bestimmte Gründe und der Hinduismus muss sich reinigen, so wie jede Religion sich immer wieder von neuem reformieren und reinigen muss. Denn jedes spirituelle und jedes religiöse System kann auch in Abirrungen kommen.
Zunächst einmal gibt es zwei Theorien, wie das Kastensystem im Hinduismus entstanden ist. Die schönere Theorie ist, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Grundmotivationen haben. Es wird im Hinduismus davon gesprochen, dass es vier Hauptmotivationen des Menschen gibt:
Kama – d.h. Sinnesbefriedigung
Artha – Macht und Reichtum
Dharma – gutes Bewirken und seiner Bestimmung nachzugehen, Fähigkeiten zu entwickeln
Moksha – Erleuchtung und Befreiung.
Die Menschen, für die die Erleuchtung und die Befreiung die Hauptmotivation ist, das sind die Brahmanas. Sie wollen insbesondere nach Brahman streben, nach dem Göttlichen.
Diejenigen, die Gutes bewirken wollen, die ihre Fähigkeiten entfalten wollen, die daran interessiert sind sich selbst zu entfalten für Gute, sind die Ksatkriyas.
Diejenigen, denen es um Reichtum, Macht und Ansehen geht, das sind die Vaisyas.
Und diejenigen, die eher ein einfaches Leben führen wollen und nicht so viel Macht oder Wirksamkeit haben wollen, das sind die sogenannten Sudras.
Und so könnte man tatsächlich sagen, dass viele Menschen diesen Kasten zugeordnet werden können. Es ist anzuerkennen, dass jeder Mensch etwas anderes ist. Das ist ein Grundprinzip im Hinduismus. Und wenn wir die Psychologie anschauen heißt es ja auch, dass nicht alle Menschen gleich motiviert sind.
Heutzutage ist die Humanistische Psychologie recht weit verbreitet, aber sie ist eigentlich die Psychologie der Ksatkriyas. Sie wollen etwas bewirken und sie wollen sich entfalten.
Aber es gibt auch die Brahmanas, denen es weniger darum geht, etwas zu bewirken. Es geht ihnen um Gott, um die Erleuchtung. Im Westen gibt es dafür die Transpersonale Psychologie.
Und dann gibt es Menschen, denen es um Macht, Geld und Reichtum geht. Da gelten wieder andere psychische Prinzipien.
Und es gibt diejenigen, denen es eher darum geht ihre Triebe zu befriedigen, Sexualität u.a., und das ist wieder etwas anderes.
Auch in der Motivationspsychologie gilt es das zu berücksichtigen. Nicht jeder will sich selbst verwirklichen in seiner Arbeit und manche werden dadurch überbeansprucht. Manche wollen einfach ihr Geld bekommen, dass sie nachher mit ihrem Mann/Frau, Kindern irgendwo Zeit verbringen können, ein schönes Leben haben, sich etwas leisten können, in den Urlaub fahren können usw. Das wären die Shudras.
Dann gibt es diejenigen, die Geld verdienen wollen, die Ansehen bekommen wollen. Das sind die Vaishyas. Sie können die Kaufleute sein, in die Wirtschaft gehen und in der Wirtschaft sich bemühen und einsetzen. Wenn Menschen, die reich werden wollen und Ansehen bekommen, in die Wirtschaft gehen, dann erblüht die Wirtschaft. Das erkannten schon die alten Inder.
Die Menschen, denen es um Reichtum und Anerkennung geht, die sollten keine Politiker werden. Das schafft dann nur Probleme.
Die dritte Kaste im Kastensystem im Hinduismus sind die Ksatkriyas. Aber auch die Ksatkriyas im alten Indien sind nicht oft in den Krieg gezogen. Im Gegenteil, es gab sogar oft Perioden von 20 bis zu 50 Jahren, im Zuge derer es in einem bestimmten Fürstentum in Indien keinen Krieg gab.
Die Ksatkriyas in Indien waren dann oft die Verwaltungsbeamten und diejenigen, die sich um Rechtsprechung bemüht haben. Die Menschen, die Gutes bewirkt haben und bewirken wollen, sollten Beamte werden, Verwaltungsbeamte. Sie sollten Ärzte, Rechtsanwälte, Sozialarbeiter usw. werden. Dann sorgen sie dafür, dass es im Land gut und gerecht zugeht. Das sind dann auch Menschen, die ihre Fähigkeiten entwickeln und kultivieren wollen und die sich auch für die gute Sache einsetzen wollen. Das sind die Ksatkryas.
Diejenigen, denen es hauptsächlich darum geht, die Erleuchtung zu erlangen, sollten sich nicht viel mit anderem ablenken. Sie sollen sich auf den spirituellen Weg begeben. Das können die Priester sein, die Einsiedler oder die Lehrer, die spirituellen Lehrerinnen.
So beschreibt Krishna das Kastensystem im Hinduismus und die Grundlagen des Kastensystems im Hinduismus.
Du bist nicht in eine Kaste geboren, sondern du bist in der Kaste durch deine Eigenschaft. Manche Menschen gehen ja auch in einem Leben durch verschiedene Kasten. Zunächst ist eine Grundmotivation am wichtigsten, später eine andere und noch später wieder eine andere.
In diesem Sinne bist du auch nicht auf die Kaste festgelegt.
Dann gibt es natürlich noch andere Begründungen des Kastensystems im Hinduismus. Es gibt z.B. die Aussage, dass Hinduismus überhaupt erst entstanden ist durch die Einwanderung von indogermanischen Völkern zwischen 2000-1000 v.Chr. Die hellhäutigen Indoeuropäer werden auch als Arier bezeichnet. Sie sollen dann die höheren Kasten gebildet haben und die Ureinwohner in die niedrigeren Kasten verbannt haben. Aber das ist bei den Indern lebhaft umstritten und man kann auch nicht unbedingt sagen, dass diese Kasten genetisch so unterschiedlich sind.
Ich will jetzt nicht noch weitersagen, wie das Kastensystem in Indien heute ist. Da gibt es viele Abirrungen und auch menschliche Unterdrückung. Ich will nur sagen, dass es eine bestimmte logische Begründung des Kastensystems im Hinduismus gibt, die psychologisch und soziologisch nachvollziehbar ist. Aber dass die Kaste mit dem Moment der Geburt bestimmt ist, ist zumindest nicht im Sinne der alten Schriften, wo von Swarupa gesprochen wird. Swarupa, die eigene Natur bestimmt Varna, die Kaste.
Mehr über die Kasten und die Varna, das sind die vier Hauptkasten, und Jati,das sind die Unterkasten, die im Hinduismus eine noch größere Rolle spielen, findest du auf unserer Internetseite wiki.yoga-vidya.de/Kaste
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