Das höhere und das niedere Selbst

Ich will etwas lesen aus der "Bhagavad Gita", dem Zwiegespräch zwischen Krishna, dem Lehrer, und Arjuna, dem Schüler. Wir sind im 15. Kapitel. Krishna spricht zu Arjuna über den Yoga des höchsten Geistes, auf Sanskrit Purushottama Yoga. Purusha ist das Selbst, das Bewusstsein, wobei Purusha in verschiedenen Kontexten eine unterschiedliche Bedeutung hat. Im Sankhya, diejenigen, die schon etwas vertrauter sind mit verschiedenen Philosophierichtungen hinter Yoga, wissen, im Sankhya ist Purusha das höchste Selbst, das was unveränderlich ist, das was immer gleich ist, das Bewusstsein hinter allem. Aber Purusha hat auch andere Bedeutungen, auf die wird Krishna gleich zu sprechen kommen. Und der allerhöchste Purusha, also das reine Bewusstsein, wird deshalb auch als Purushottama bezeichnet. Krishna sagt im 16. Vers des 15. Kapitels: "Zwei Purushas gibt es in dieser Welt. Den zerstörbaren und den unzerstörbaren. Alle Wesen sind der zer-störbare und der kutastha, der unveränderliche, wird unzerstörbar genannt". Man könnte es jetzt hier auch als kleines Selbst und großes Selbst bezeichnen. Also, wenn wir uns auf uns selbst beziehen, da sagen wir manchmal "ich". Was ist jetzt ich ? Ist jetzt dieses Stück Tuch oder man kann auch sagen ich, ist es diese Haut, wenn man dann die Haut verbrennt, bin ich verbrannt, ist es das Herz, und wenn jetzt bspw. ich einen Herzinfarkt hab und ein künstliches Herz bekomme, bin ich dann nicht mehr da ? Oder ist es die Rippen, und wenn sie gebrochen sind, bin ich zerbrochen? Also dieses relative Selbst, mit dem wir uns gern identifizieren, das wäre wie das kleinere Selbst, und dieses kleinere Selbst, das ist natürlich der Vergänglichkeit unterworfen. Es ist eigentlich nicht wirklich unser Selbst. Es ist nur das, mit dem wir uns fehlerhaft identifizieren. Wer sich etwas mit dem Yoga Sutra von Patanjali auskennt, da spricht der Patanjali von den 5 Kleshas, Ursachen des Leidens. Das erste ist Avidya, wir vergessen, wer wir wirklich sind, Unwissenheit. Und weil wir vergessen, wer wir sind, dann kommt sofort asmita, wir identifizieren uns mit etwas. Also, wir laufen nicht durch die Gegend, nicht wissend, wer wir sind, sondern schnell identifizieren wir uns mit etwas. Es ist durchaus so ähnlich Menschen, die Amnesie haben, Gedächtnisschwund, nach einer Weile bauen sie sich eine neue Identität auf, mit der sie sich identifizieren. Und so auch, wir haben allgemein Gedächtnisschwund. Wir haben vergessen, daß wir das unsterbliche Selbst sind. Also identifizieren wir uns mit etwas anderem. Mit unserem Körper, mit unseren Emotionen, mit unseren Gedanken. Aber natürlich nicht mit dem, wie unser Körper wirklich ist und unsere Gedanken und Talente, sondern mit dem, wie wir uns vorstellen, mit dem Bild davon. Und manche Menschen haben bestimmte Talente, aber sie identifizieren sich nicht mit diesen Talenten, sondern sie identifizieren sich mit etwas ganz anderem. Aus dem, mit dem wir uns identifizieren, kommt dann Raga und Dvesha. Raga heißt "mögen", und Dvesha heißt "nicht mögen". Angenommen, wir identifizieren uns mit unserer Natur als kluge, intelligente, logische Menschen. Wenn wir uns damit identifizieren, dann mögen wir es natürlich, daß wir intellektuell herausfordernde Aufgaben haben. Wir mögen es überhaupt nicht, stupide Sachen zu machen. Und wir mögen es nicht, mit stupiden Menschen zu tun zu haben, was auch immer wir darunter verstehen mögen. Und das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, daß man eines Morgens aufwacht und feststellt, man ist nicht mehr ganz so klug wie gestern. Vielleicht fang ich jetzt mit Alzheimer an. Es gibt Leute, die mit 35 die Angst davor haben. Damit kommen wir auch schon zum nächsten, Abhinivesha, das ist das letzte der 5 Leiden, die Furcht vor dem Tod. Und zwar jetzt nicht einfach nur Furcht vor dem Tod des physischen Körper, sondern die Furcht, das zu verlieren, mit dem wir uns identifizieren. Auch im Umgang mit anderen Menschen. Wenn ihr jemanden ein Kompliment machen wollt, dann ist das Kompliment am wirkungs-vollsten, wenn ihr wisst, womit er sich identifiziert. Angenommen, jemand identifiziert sich mit seinem musikalischen Talent, und ihr lobt ihn für seinen Haarschnitt, das berührt ihn nicht weiter. Angenommen, aber ihr sagt, daß es ein wunderschönes Lied war, dann wird er oder sie sofort sich sehr gut dabei fühlen. Wenn in diesem Lob nun andeutungsweise Möglichkeit wäre, daß das Lob vielleicht nicht ein hundert-prozentiges Lob ist, dann kann derjenige, der sein ganzes Selbstwertgefühl auf Musik aufbaut, dann trotzdem zerstört sein. Also, das sind einige hilfreiche Sachen im Umgang mit sich selbst wie auch im Umgang mit anderen. Aber all das ist Quelle von Leiden, deshalb Kleshas, wird als Leid verursachende Verhaftungen bezeichnet. Also, Identifikation mit etwas Begrenztem führt zu mögen und nicht mögen und das führt zu Ängsten, und all das führt zu Leid. Und wenn wir vom Leiden wegkommen, dann ist es gut, irgendwo zu lernen, nicht so in Ängsten sich zu identifizieren, es ist ne sehr gute Sache, über sein Raga und Dvesha hinauszuwachen, und auch zu erkennen, wo nervt mich Kritik von anderen Menschen besonders stark. Da kann man ihnen dankbar sein. Warum? Dort erkennt man, aha, da habe ich mich identifiziert. Weil ich mich identifiziert habe, deshalb stört mich die Kritik besonders. Also sollte ich lernen, mich damit nicht mehr so zu identifizieren. Gut, und natürlich, irgendwann kommen wir zu Vidya, wahrem Wissen, und überwinden, das ist Avidya. Dann gibt es Kuthasta, das ist der unveränderliche, der wird unzerstörbar genannt. Jetzt der Kuthasta ist jetzt hier nicht der allerhöchste genannt, unveränderlich, unzerstörbar, man kann eigentlich sagen, das ist Jiva, die individuelle Seele. Also der Körper, mit dem wir uns identifizieren, der vergeht. Die individuelle Seele ist zunächst mal dauerhaft. Also, wir wissen es auch in diesem Leben, die meisten von euch haben schon vor 20 Jahren existiert, da saht ihr irgendwie anders aus. Manche werden grad krabbelnd durch die Gegend gelaufen sein, man kann sagen, das Baby ist eigentlich inzwischen längst tot. Dafür ist jetzt ein Twen. Und manche werden jetzt eher um die 60 sein, und dann wenn sie so zurückschauen, der vierzigjährige ist inzwischen auch tot. Aber Jiva, die individuelle Seele, ist weiter vorhanden. Daher, sie geht durch verschiedene Altersstufen. Manche von euch werden vor 20 Jahren, oder vor 5 Jahren, was ganz anderes gemacht haben als heute. Dieser Teil ist irgendwo auf der einen Ebene gestorben, aber natürlich im Sinne von Jiva, das Individuum, das durch verschiedene Erfahrungen hindurchgeht und gereift ist, das existiert weiter. Dann, 17. Vers: "Anders jedoch ist der erhabene Purusha, Utamapurusha, der höchste Purusha, Paramatma, höchstes Selbst genannt, der unzerstörbare Herr, der die 3 Welten erfüllt und sie erhält. Und in diesem höchsten Aspekt unseres Wesens, dort sind wir eins mit Gott. Da ich das Vergängliche und auch das Unvergängliche übersteige", also das unvergängliche identifizierte, "wird von mir in der Welt und dem Veda gesagt, ich sei der höchste Purusha". Spricht also Krishna von sich als atman, als Brahman, und so ist Gott letztlich das höchste Selbst, und so ist unsere höchste Natur eins mit Gott. "Wer mich also frei von Täuschung, so als den höchsten Purusha erkennt, als das höchste Selbst erkennt, der verehrt mich, da er alles kennt, mit seinem ganzen Sein und seinem ganzen Herzen, Oh, Arjuna. So habe ich diese höchst geheime Wissenschaft gelehrt. Wenn ein Mensch dies weiß, wird er weise und hat den Sinn seines Lebens erfüllt". Hari Om Tat Sat Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
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