Bedeutung der Guru Parampara Stotra - Teil 2

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute noch einmal etwas zur Guru parampara Stotra, die wir bei Yoga Vidya täglich rezitieren.

Dabei geht es auch um die heiligen Schriften des Yoga, die Yoga Sutras. Damit ist es allerdings so eine Sache, denn bei uns im Westen sprechen wir, wenn wir über Sutra sprechen, fast über über die Yoga Sutra von Patanjali. Im alten Indien war mit Sutra dagegen meistens das Brahma Sutra gemeint. Dann gibt es noch das Bhakti Sutra, die Nadya Sutras, die Sutras über den klassischen indischen Tanz und weiter.
Sutra ist ja eine Literaturform. Eigentlich ist ein Sutra nicht anderes als ein Text, der etwas so kurz und prägnant wie möglich zum Ausdruck bringt. Für das Parampara Stotra ist das Brahma Sutra besonders wichtig. Dort heißt es: Ishvaro Gururatmeti Murtibhedavibhagine. Und Murtibhedavibhagine heißt übersetzt: Es gibt keinen Unterschied zwischen Ishvara, Guru und Atman, außer deren Verkörperung in unsere Welt. Atman ist das höchste Selbst. Und das Selbst in uns ist das gleiche Selbst wie in jedem großen Meister und das gleiche wie Gott selbst.

Es ist ja die große Behauptung des Vedanta, dass wir alle eins sind. Shankara wurde nicht deshalb so stark verehrt, weil er so großartig war, während alle anderen nur arme Schlucker oder unwissende Sünder waren. Er war eben nur ein Guru, auf den man sich erst mal bezogen hat. Letztlich aber sind wir alle nichts anderes als Shankara, das haben alle großen Meister immer wieder gesagt. Auch Jesus sagte: „Ist der Schüler vollkommen, wird er wie sein Meister.“ Und: „Ihr seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
Auf einer physischen Ebene können wir nicht so vollkommen sein wie Gott. Unser physischer Körper hat seine Begrenzungen. Wir können einfach steuern, dass ein Baum anders wächst. Manche Menschen hoffen das vielleicht. Die Mehrheit befürchtet vermutlich eher das, was man mit Gentechnik alles machen kann. Aber im Verhältnis zum ganzen Universum ist das, was ein Menschen auf der physischen Ebene machen kann, recht beschränkt.

Auf der höchsten Ebene, in der Bewusstseinsebene, sind wir dagegen alle eins. Und das ist auch damit gemeint, wenn es heißt, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat. Unser Selbst ist das gleiche wie das Selbst von Gott. Und wenn wir Gott verehren oder unseren Guru, dann machen wir uns bewusst, dass wir alle letztlich eins sind. Wir verehren unser eigenes Selbst.

Wenn zum Beispiel Swami Vishnu zu uns zu Besuch kam, dann wurden immer Berge von Blumen mitgebracht. Wenn man zu einem Lehrer geht, dann sollte man nicht mit leeren Händen kommen, sagt ein altes indisches Sprichwort. Wenn also viele Schüler gekommen sind, dann hat jeder Blumen mitgebracht und die wurden dann vor den Altar gestellt. Bei Swami Vishnu war das irgendwann so viel, dass man nichts mehr von Altar sehen konnte. Dann lachte Swami Vishnu und sagte: „Passt auf, dass ihr vor lauter Verehrung noch den erkennt, um den es geht. Und passt auch auf, dass ihr vor lauter Ehrerbietung nicht vergesst, dass es darum geht, dass ihr selbst das erkennt, wer ihr wirklich seid.“
Bhakti ist ohne Zweifel wichtig. Aber es ist letztlich nur eine Grundlage, damit wir darüber zu Jnana, zum höchsten Wissen kommen.

Vyomavad Vyaptadehaya Shri Dakshinamurtaye Namah: Vyomavad ist das Unbegrenzte und Deha ist der Körper. Unser Körper ist begrenzt und relativ. Aber in Wahrheit sind wir nicht dieser Körper. Unser wirklicher Körper ist das Unendliche und das Ewige. Shri Dakshinamurtaye Namah: Dakshinamurti ist zum einen eine Verkörperung von Shiva. Die Gurulinie in dieser Guru Stotra beginnt bei Narayana und endet bei Dakshinamurti – also eigentlich wieder bei Shiva.

Es gibt eine andere bekannte Gurulinie, die beginnt mit Dakshinamurti, also mit dieser Inkarnation von Shiva. Und noch eine andere beginnt mit Dattatreya als die Verkörperung aller drei Murtis. Nachdem wir also jetzt in dieser Gurulinie die großen Meister verehrt haben, dann verehren wir hiermit noch den großen Meister einer anderen Tradition.

Es gibt da aber noch eine andere Bedeutung: Diksha heißt ja auch Einweihung, und Dakshinamurti ist die Verkörperung der Einweihung. Wir verehren hier also auch den Meister der Einweihung und bitten damit darum, immer wieder neu mit dem Wissen der Einweihung verbunden zu sein. Es gibt formale Einweihungen und es gibt informale Einweihungen. Mantraweihe oder Brahmacharyaweihe, Sannyasweihe, sind alles formale Einweihungen. Eine informale Einweihung geschieht manchmal plötzlich irgendwie, ohne dass man es erwartet hat, zum Beispiel im Traum oder in einer bestimmten Begegnung, in der Meditation oder wann auch immer. Die Einweihung ist also nicht auf etwas Rituelles beschränkt, sie kann auch in einem anderen Moment einfach geschehen.

In diesem Wissen verehren wir unsere Meister Swami Sivananda, Swami Vishnudevananda und wir rezitieren die Guru Parampara Stotra:

Narayanam Padmabhavam Vashishtham,
Shaktim Cha Tatputra Parasharam Cha
Vyasam Shukam Gaudapadam Mahantam
Govinda Yogindra Mathasya Shishyam.
Shri Shankaracharya Mathasya, Padmapadam Cha Hastamalakamcha Shishyam.
Tam Totakam Vartikakaramanyan, Asmad Gurun, Santatamanatosmi.
Shruti Smriti Purananam Alayam Karunalayam, Namami Bhagavadpadam Shankaram Lokashankaram.
Shankaram Shankaracharyam Keshavam Badarayanam,
Sutrabhashyakritau, Vande Bhagavantau Punah Punah.
Ishvaro Gururatmeti, Murtibhedavibhagine,
Vyomavad Vyaptadehaya Shri Dakshinamurtaye Namah.
Shri Sivanandaya Te Namah.
Shri Vishnurdevanandaya Te Namah.

Hari Om Tat Sat





Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3

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Kommentare

  • Lieber Sukadev,
    vielen Dank für den Kommentar. Könntest du vielleicht auch eine mp3 zum Anhören veröffentlichen?
    Herzlichen Dank! Om shanti
Diese Antwort wurde entfernt.