Ahimsa - Nichtverletzten Teil 2

Ich lese etwas aus dem Buch „Göttliche Erkenntnis“ von Swami Sivananda über Ahimsa. Ahimsa heißt Nichtverletzen, Ahimsa wird auch als Gewaltfreiheit bezeichnet. Ahimsa ist aber noch mehr als nur Abwesenheit von Gewalt; Patanjali sagt im Yoga-Sutra: „Wer in Ahimsa fest verankert ist, der trifft auf keine Feindschaft.“ Was nicht heißt, dass anschließend niemand einem irgendwo etwas Schlechtes antun will. Wir kennen es von den ganz großen Wohltätern der Menschheit, die wirklich alles gegeben haben – von Jesus über Buddha über Mahatma Gandhi oder Martin Luther King –, die haben alle eigentlich sogar einen gewaltvollen Tod gehabt. Also könnte man sagen, nun hätte Patanjali unrecht. Aber Patanjali hat dort nicht unrecht, denn keiner von denen hat nachher gedacht, daß sie wirklich Gewalt erfahren. Ihre Liebe war so weit, daß sie selbst dann das Göttliche im Anderen anerkennen konnten, selbst wenn ihm der Andere irgendwo aus Unwissenheit, aus falschen Vorstellungen etwas Schlimmes gemacht hat. Und so ist Ahimsa zunächst einmal eine Einstellung, eine innere Einstellung, eine geistige Einstellung, eben die geistige Einstellung, dass in jedem Menschen das Göttliche wohnt, das jeder Mensch aus diesem Göttlichen heraus handelt, dass jeder Mensch, auch wenn er Schlimmstes tut, irgendwo auch ein Instrument ist von etwas Höherem. Es heißt auch, daß Menschen irregeleitet werden können, dass aber die tiefste Motivation eines Menschen irgendwo ein Anliegen ist, das seine Berechtigung hat. Und wenn wir diese Grundeinstellung haben, dann können wir natürlich auch schauen, wie wir den Menschen eigentlich auch helfen können, seinen Anliegen vielleicht etwas besser gerecht zu werden, auch seinem höheren Bedürfnis nach tiefer, wahrer Liebe und seinem tieferen Bedürfnis nach wahrem Glück, seinem tieferen Bedürfnis nach wahrer Erkenntnis und nach wahrer Freiheit. Das auch mit der gebotenen Demut – und mit der gebotenen Demut können wir den Menschen helfen, seine eigentlichen Anliegen vielleicht besser zu verwirklichen als indem er sich und andere ins Unglück stürzt. Aber es ist zunächst einmal dieses tiefe Verständnis und die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, und die Bewusstheit: in jedem ist irgendwo das Göttliche. Ahimsa ist als nächstes natürlich auch nicht nur Einstellung, sondern - es heißt so schön: Gedanken, Worte und Taten. Es sind auch Worte, und Worte heißen auch: respektvoll mit anderen umzugehen. Diese Einstellung muss ich natürlich auch umsetzen, es reicht nicht, daß ich jetzt sage, ich habe ja eine tolle Einstellung, und ansonsten beschimpfe ich den Menschen, es ist ja nicht weiter wichtig. Und ich achte nicht auf meine Handlungen, nur die Einstellung ist wichtig. Manchmal, wenn man die Einstellung nicht ausreichend ändern kann, dann muss man wenigstens seine Worte zügeln und seine Handlungen irgendwo noch einigermaßen geschickt lenken. Denn Ahimsa heißt auch, gegenüber sich selbst Ahimsa zu üben, und inmitten all dieser hohen Ideale auch anzuerkennen, dass hinter unseren eigenen Emotionen und Gedanken usw. auch ein höheres Anliegen ist. Da merken wir gerade wieder (wie) so eine tiefe Wut hochkommt und das intensive Bedürfnis, dem Menschen eine Lektion zu erteilen, indem wir ihn endlich einmal öffentlich bloßstellen, und erschüttern und vernichten, dass der endlich einmal einsieht. Dem ist das vermutlich schon tausendmal passiert, das hat ihn nur in seinen bisherigen Mustern bestärkt, aber man selbst hat jetzt dieses tiefe Bedürfnis. Woraus stammt dieses Bedürfnis? Letztlich, man will dem anderen Menschen helfen. Man denkt, man könnte dem anderen Menschen helfen, indem man ihm jetzt endlich einmal eine Lektion erteilt. Es steckt ja ein tiefes Anliegen dahinter, nämlich das Bedürfnis zu helfen. Also, es gilt, auch anzuerkennen, dieser Ärger und die Emotion, die da ist, hat auch irgendwo einen tieferen Sinn. Aber, dann kann man als nächstes schauen, vermutlich ist aber das, was ich jetzt dort vorhabe, nämlich ihn öffentlich bloß zu stellen, nicht das, was ihm wirklich helfen wird. Denn wenn ich so ein bisschen nachdenke: vermutlich hat er das schon tausendmal erlebt. Und jeder einzelne, der das schon einmal gemacht hat, denkt: ich muss das endlich einmal machen. Da man jetzt aber merkt, ich kann mich jetzt selbst dort nicht weiter beherrschen, dann werde ich schnell den Raum wechseln, denn meine Art, wie ich ihm jetzt helfen will, wird nicht tatsächlich hilfreich sein. Gut, ich werde auch mein Anliegen nicht anders ´rüberbringen können. Also es gilt, die Worte auch zu beherrschen, es gilt, Worte so zu nutzen, dass wir anderen Menschen helfen und auch das können wir wie ein – es gibt auch so ein Mahavrata, das sagt: „Mögen alle meine Handlungen und Worte nützlich für andere sein.“ Aus Worten, die dann vielleicht liebevoll sind, die anerkennend sind, respektvoll sind, kommen dann Taten. Die Worte - es gibt ja inzwischen auch eine ganze Menge von Techniken, gerade in der westlichen Kommunikationspsychologie, es gibt ja auch aus dem ganzen Ahimsa-Konzept abgeleitet die gewaltfreie Kommunikation, die versucht, aus den Prinzipien, die ich genannt habe, und die eben uralte Yoga-Prinzipien sind, konkrete Kommunikationsstrategien wachsen zu lassen -, damit kann man sich auch beschäftigen. Wichtig, wir wollen anderen Menschen auch mit unseren Worten helfen, dienen und nicht verletzen. Schließlich kommt: Taten, und da heißt es so schön in den Evangelien: an ihren Taten werdet ihr sie erkennen, die Taten sind das, was letztlich zählt. Patanjali würde davon ausgehen - die Einstellung zunächst, dann Worte, dann Taten. Aber wenn es mit der Einstellung schwerfällt, und wir sie nicht immer haben können, dann gilt es, wenigstens unsere Handlungen zu beherrschen, solange, bis wir unsere Einstellung ausreichend verbessert haben. Also nicht andersrum. Es gibt Menschen, die sagen: Ja, ich will authentisch sein. Wenn ich Ärger fühle, dann will ich alle Menschen in meiner Umgebung niedermachen. Das ist authentisch. Mag sein, daß es authentisch ist, aber es ist weder hilfreich, um Ärger langfristig zu transformieren, noch ist es hilfreich, daß meinem Anliegen, nämlich irgendwas zum Guten zu verändern, dort Rechnung getragen wird, noch ist es etwas, was mehr Frieden auf die Welt bringt. Daher, wir sollen an uns selbst, an der Einstellung arbeiten, aber wir sollen auch unsere Handlungsorgane beherrschen. Und wenn wir an beiden Ebenen gleichzeitig arbeiten, sind wir irgendwann tief verankert in Ahimsa. Und sind wir tief verankert in Ahimsa, dann haben wir nie mehr das Gefühl, dass jemand anderes uns etwas Schlechtes will. Vielmehr haben wir das Gefühl, alles ist von Liebe Gottes erfüllt, auch wenn sie sich manchmal eigenartig ausdrückt. Hari OM Tat Sat. Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
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