~ Om~ Om ~ Om ~

 

Gerade ist die Gruppe "Autogenes Training" aktiver geworden, was mich an mein altes Dilemma erinnert hat.

Wie kommt ihr damit klar, die Methode von J.H.Schultz zu unterrichten und es mit seiner Biografie zu vereinbaren?

Zitat aus Wikipedia:

Ab 1933 verfasste Schultz mehrere Beziehungsratgeber.[3] Daneben propagierte er die „Vernichtung“ behinderter Menschen („Euthanasie“)[4] und war im Rahmen seiner Tätigkeit am Göring-Institut direkt an der Verfolgung homosexueller Männer beteiligt. Schultz war der Meinung, es gäbe erbliche und heilbare Homosexualität. An dem Institut wurde einerseits versucht, Homosexuelle zu „heilen“,[5] andererseits leitete Schulz eine Kommission, die „Verdächtige“ zum Geschlechtsverkehr mit Prostituierten zwang, um „festzustellen“, ob sie homosexuell seien. „Schuldige“ wurden in Konzentrationslager überstellt.[6]

1956 Herausgeber der Zeitschrift Psychotherapie, 1959 Gründer der Deutschen Gesellschaft für ärztliche Hypnose.

 

Als ich mich nach meiner Ausbildung zur Entspannungskursleiterin in das Thema ein wenig vertiefte und u.a. das oben geschriebene gelesen habe, ist mir die Lust am Unterrichten vom Autogenen Training gründlich vergangen...

 

Om shanti, shanti, shanti

 

Brigitta

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Antworten

  • Hallo Brigitta,

    du unterrichtest doch die Methode des Autogenen Trainings und nicht die Dinge, die dessen Begründer sonst noch getan hat?

    Wie könnte ich Yoga unterrichten, wenn ich alles gut heißen sollte was diverse Yogis und Yoga-Meister gemacht haben?

    Ob die Vorwürfe gegen J.H.Schultz stimmen oder nicht: die von ihm entwickelte Methode bleibt dieselbe.
    Wie wäre es mit einer Unterscheidung von Methode und dem der sie entwickelt hat?

    Viele Grüße,
    Karin

    p.s.:dazu vielleicht interessannt: im Herbst kommt ein Buch von Mathias Tietke heraus: "Yoga im Nationalsozialismus: Konzepte, Kontraste, Konsequenzen"
  • ~ Om~

    Lieber Frank,
    ich weiß nun wie Du darüber denkst und empfindest.
    Danke,
    om shantih

    Brigitta
  • Jetzt bin ich erst mal betroffen, ja schockiert. Dessen war ich mir nicht bewusst.

    Schlimmste Verbrechen sind vor 70 Jahren geschehen. Und in allen Schichten und Berufsgruppen waren Menschen Befürworter von Nazi-Ideologie.
    Die meisten Universitäten hießen die Nazis willkommen - soll man deshalb die Unis meiden?
    Die meisten Ärzte und viele bekannte Chirurgen waren Nazis - soll man deshalb die Krankenhäuser meiden?
    Die meisten Bauern standen den Nazis nahe - was soll man jetzt essen?
    Das Heilpraktiker-Gesetz stammt aus der Nazi-Zeit - soll man deshalb die Heilpraktiker meiden?
    Die Nazis haben Computer-Vorläufer für die Verwaltung eingeführt - soll man Computer meiden?
    Ein Indologie-Professor und Yoga Übender namens "Hauer", Autor eines Buches "Der Yoga", stand, mindestens in den ersten Jahren der Nazi-Diktatur, den Nazis nahe - ist deshalb Yoga schlecht? (Glücklicherweise bezogen Mahatma Gandhi und andere Yoga-Meister auch und gerade öffentlich gegen die Nazi-Diktatur Stellung).
    So hat auch Schultz anscheinend sehr tiefe Schattenseiten (von denen ich allerdings bis vor 5 Minuten nichts wusste). Das Autogene Training, das er gelehrt hat, wirkt dennoch. Und er hat es ja letztlich nicht erfunden, sondern das, was er aus klassischer Hypnose und über die theosophische Gesellschaft aus dem Yoga wusste, in einem einfachen System zusammengefasst.

    Ich muss allerdings zugeben: Ich werde jetzt erst mal vermehrt andere Tiefenentspannungstechniken praktizieren und anleiten... Und der Artikel von Dekaki zeigt das ja noch deutlicher, dass Schulz anscheinend nicht nur Mitläufer war... Das muss ich dann doch noch verdauen...
    • Hari Om, liebe Brigitte,

      ja, ich bin geschockt, ich wusste auch nichts davon. Merkwürdigerweise aber ist es mir gleich zu Anfang so ergangen, dass ich Schultz und das Autogene Training mühelos getrennt sah, als sei das A.T. eine Errungenschaft der Menschen geworden oder vielleicht schon gewesen, als wäre es auch ohne Schultz zu uns gekommen, ach ja, ich hatte, wie Sukadev auch erwähnt, Yoga als Hintergrund schon gespeichert. Bei näherem Hinsehen aber ist es grausig, wenn man allein nur an das Autogene Training denkt, das so schön ist, dem Menschen so gute, wohlige Gefühle verschafft – und dann dazu als unfassbaren Kontrast die Menschenverachtung und Gefühlskälte der Nazis erlebt und Schultz unter ihnen. Der Schöpfer des Autogenen Trainings, dieser autosuggestiven Selbstlenkungsmethode, arbeitet den Schergen der Rohheit in die Hand, hilft ihnen, ihre Irrlehren umzusetzen und benutzt dafür schutzlos ausgelieferte Menschen wie Spielbälle für zutiefst entwürdigende Experimente.

      Da ging es mir durch den Kopf, wie doch hier wieder einmal ein Bespiel aus der Geschichte in gnadenloser Schärfe zeigt, zu welch einem Spagat der menschliche Geist fähig ist (und das erklärt auch wieder einmal, warum es etwa in der hinduistischen Mythologie so viele Geschichten über Dämonen gibt und wie die Devas dauernd gegen sie kämpfen müssen, um das Gute zu verteidigen) so viele Dämonen, die den Menschen beherrschen können... Da kann es einem kalt den Rücken hinunterlaufen, wenn man bedenkt, was so ein Schreckenssystem bei jemandem wie Schultz angerichtet hat, und wir können dankbar sein, dass wir selbst nicht in solch schlimmen Umständen leben müssen.

      Ganz spontan fiel mir zu Schultz das Beispiel Jean Jacques Rousseaus ein – der große Rousseau, dessen geistiges Erbe nach wie vor aktuell ist. Er gilt als einer der wichtigsten geistigen Wegbereiter der Französischen Revolution – Stichworte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Gesellschaftsvertrag – und hatte großen Einfluss nicht nur auf die politischen Theorien des 19. und 20. Jahrhunderts, sondern auch auf die Pädagogik. Sein berühmtes Buch „Emile und die Erziehung“ wird heute noch diskutiert. Für Rousseaus Ruhm haben vielleicht seine Kinder den größten Preis bezahlt – der große Papa steckte nämlich all seine fünf Gören ins Waisenhaus. Rousseau soll dies später heftig bereut haben. Habe mir diese Berühmtheit gerade noch einmal bei Wikipedia angeschaut. Da blickt uns ein junger Mann entgegen mit einem freundlichen, sensiblen Gesicht, das erhellt und umspielt wird von einem feinen Lächeln, einem lieben Lächeln, dem jedes Kind sofort entgegenlaufen würde…

      Doch ich muss den Vergleich von Schultz mit Rousseau sofort wieder streichen, denn er passt nicht und ist nicht zulässig, es ist nach meinem Empfinden überhaupt gar kein Vergleich tragbar ausgehend von den Opfern der Gräuelzeit des Nazi-Regimes, auch nicht von anderen Tragödien der Geschichte aus. Jedes einzelne Opfer, jeder Verfolgte und Gepeinigte hat für sich ein Maximum an Schmerz und qualvoller Demütigung erlebt, irgend etwas anderes vergleichend danebenstellen zu wollen, erschiene mir als abstrus.

      Eine Schlussfrage kommt mir in den Sinn: Aus welchem Grundstoff ist nun das, was wir heute noch haben wollen von diesen Autoren? Es ist simpel und augenfällig: Bei beiden ist es der Stoff des Guten, des Liebevollen und Menschlichen, wir leben in glücklichen Verhältnissen, wir können es uns leisten, dies zu kultivieren. Und ich, für mein Teil, bin nun doch gespannt auf die nächste Yogastunde, ob sich in mir etwas von dem meldet, was ich nun über den Dr. Dr. Schultz weiß, wenn ich mich in das Autogene Training hineinfallen lasse.

      Om Shanti Om, liebe Grüße, Devaki
      • ~ Om ~ Om ~ Om~

        Liebe Devaki Erika-Ha, lieber Sukadev,

        so ging es mir auch... ich war berührt, betroffen, schockiert...

        Und ich wählte für meine Stunden, ohne viel darüber nachdenken zu müssen, die Entspannungstechniken (und glücklicherweise hat der Yoga hier sooo viel zu bieten :-)) bei denen die Methode und der "Erfinder" sattwig sind.

        Hier paßt die Typologie aus Sukadevs Vortrag "Ein Guru- auch für Westler" (den ich damals noch nicht angehört habe) ganz gut: sattwige Gurus, rajasige Gurus, rajasig-tamasige Gurus und tamasige Gurus.
        Sattwige Wissenschaftler, rajasige Wissenschaftler...

        Liebe Grüße

        Om shantih, shantih, shantih

        Brigitta
  • Habe gerade diesen Artikel gefunden:

    Johannes Heinrich Schulz:
    Mit Ruhe und Gelassenheit ins KZ

    Die wahre Geschichte

    Im Tausendjährigen Reich mit seiner Vorstellung von einer Herrenrasse war kein Platz für Homosexuelle. Sie galten als "Perverse". Gekennzeichnet mit einem "rosa Winkel" auf der Häftlingskleidung wurden sie von 1933 an in Untersuchungshaft gesteckt. Dort wurde allerdings unter der Leitung eines Psychiaters fein säuberlich selektiert, ob ein schwuler Mann ins Konzentrationslager kam oder als "heilbar" eingestuft wurde.

    Zu einem gab es die so genannten muttergeschädigten Homosexuellen, die als "erbkrank" galten und die die "Deutsche Seelenheilkunde" nicht heilen konnte. Sie mussten im KZ allerschlimmste Erniedrigungen erleiden. Homosexuelle der so genannten Kategorie "liebes Brüderchen" versuchte man durch Einwirken eines Psychotherapeuten zum überzeugten Heterosexuellen umzupolen. Für die schwierige differenzierte Diagnose – erbkrank, und damit lebensunwert oder nur leicht neurotisch, also heilbar – gab es ein perfides Ritual. Im Beisein des leitenden Psychiaters und einer Kommission musste der Kandidat mit einer Prostituierten den Geschlechtsverkehr vollziehen. Wer in dieser Stresssituation existenzieller Bedrohung seine Manneskraft öffentlich demonstrieren konnte, blieb vom KZ verschont.

    Der leitende Psychiater, der sich diesen Test ausgedacht hatte, war ein international hoch geschätzter Wissenschaftler. Kurz vor dem ersten Weltkrieg war es ihm im Selbstversuch gelungen, mit "formelhaften Vorsatzbildungen" die "Resonanzdämpfung der Affektion", eine "Selbstberuhigung der Persönlichkeit", sowie die "Konzentrative Selbstentspannung" zu erzeugen. Unbehelligt und unter dem Schutzmäntelchen, seine "rege Publikationstätigkeit" sei während der NS-Zeit "unterbrochen worden", erfreute sich der Nervenarzt auch nach dem Krieg bei Patienten und Medizinern großer Wertschätzung.

    Und auch, als seine Glorifizierung durch seine Rolle während der NS-Zeit etwas verdunkelt wird, bewährt sich das alte Schema: Verdrängen, Leugnen, Tabuisieren. Man müsse die Tätigkeit des Psychiaters während der NS-Zeit "aus Not der Zeit verstehen, über die wir uns nicht erheben sollen", verteidigt ihn der Medizinsoziologe Gernot Huppmann auf dem Magdeburger Psychologenkongress im Mai 1994. Auf die Ikone sollte kein Schatten fallen.

    Denn der Euthanasiefreund und Rassenhygieniker, der zahllose Männer auf Leben und Tod koitieren ließ, war nach Sigmund Freud der meistgelesene Seelenarzt deutscher Sprache: Johannes Heinrich Schultz – der Erfinder der Methode des Autogenen Training.

    Quelle: Die wahre Geschichte, FM Radio Network

    Zum Weiterlesen:

    Grundzüge der NS-Politik gegen Homosexuelle:
    Ziele, Methoden und Tätergruppen

    Deutsche Medizin im NS-Staat:
    Rassenwahn

    Ärzte im Nationalsozialismus:
    Im Dienste der Volksgesundheit

    Buchenwald - Ravensbrück - Auschwitz:
    Verbrecherische Humanexperimente in Konzentrationslagern

    hagalil.com 22-04-2004



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    Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
  • Hari Om, Brigitta,

    fühle mich zutiefst berührt von dieser Aufdeckung. Schreibe heute Abend mehr.

    Liebe Grüße,
    Devaki
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