Wir nennen uns Yoga Vidya

Om Namah Shivaya


Wir nennen uns Yoga Vidya und der Ausdruck „Vidya“ ist ein sehr vielschichtiger Begriff. Vidya kann man übersetzen als Wissen, als Weisheit. Und ich möchte dort jetzt drei verschiedene Ebenen von Vidya unterscheiden.


Das erste ist Vidya als Handwerkswissen, Technikwissen, Wissen der Praktiken. Das zweite, Vidya ist das intellektuelle Wissen, das Verstehen, das Verständnis. Und die dritte Art von Wissen, Vidya, ist das intuitive Verständnis, das intuitive Wissen, man kann auch sagen, die Verwirklichung. Und wir finden in den indischen Schriften alle drei, wenn es um Vidya geht. Z.B. Swatmarama in der Hatha Yoga Pradipika spricht über Hatha Yoga Vidya, das Wissen um Hatha Yoga. Und was er letztlich damit meint ist, man muss die Techniken lernen.
Und es ist gut, zu lernen, wie man den Kopfstand macht, es ist gut, zu lernen, wie man sitzt in der Meditation.
Es macht einen Unterschied aus, ob man so dasitzt oder so, ob man die Hände faltet oder irgendwo dort hängen lässt. Es macht einen Unterschied aus, wo man sich konzentriert.
Es macht einen Unterschied aus, ob man das Mantra korrekt ausspricht oder nachlässig.
Es macht einen Unterschied aus, ob man die Finger an die Mulde oberhalb der Nasenflügel setzt oder an die Nasenflügel selbst.
Es macht einen Unterschied aus, wie man die Mudras, die Bandhas setzt usw.
Also, es ist gut, die Techniken zu kennen. Und da ist ja bei Yoga Vidya auch ein Anliegen, viele Techniken und korrekt zu lernen, ohne an der Technik an sich hängen zu bleiben. Und so ist es gut, dass ihr Ausbildungen, Weiterbildungen, Seminare usw. besucht und öfters auch mal euch selbst fragt: „Sind die Techniken, die ich übe, sind die richtig? Sollte ich mal wieder in eine Yogastunde gehen? Sollte ich mal einen Yogalehrer fragen? Gibt es vielleicht einen nächsten Schritt, was ich machen kann? Vielleicht mache ich Praktiken seit Wochen und Monaten und Jahren, aber es gäbe vielleicht etwas Neues, was ich machen kann.“ Also, ein Aspekt, Vidya, Wissen, wie man etwas macht.

Das zweite Wissen ist, letztlich Verständnis und intellektuelles Wissen, wobei intellektuell das nicht nur ist. Letztlich verstehen, was passiert. Wenn man Erfahrungen macht, ist es gut, zu verstehen, was passiert. Also angenommen, man spürt irgendeine Erfahrung, eine Energieerfahrung, ein Chakra, dann ist es gut, es zu verstehen. Oder angenommen, plötzlich, während man friedliebend meditiert, kommt plötzlich eine Emotion hoch, ist wichtig, zu verstehen, was ist das überhaupt. Wenn dort jemand in einer Situation, wo man irgendwelche Reinigungserfahrungen, spirituelle Erfahrungen, Energieerfahrungen hat, etwas erzählt, was irgendwo falsches Verständnis ist, dann können Menschen, anstatt großen Fortschritt auf dem Weg zu machen, große Verwirrung und Angst bekommen.
Und da ist auch wichtig, dass man dann die Menschen fragt, wenn man Fragen hat, die etwas mehr wissen. Also, man muss dann schauen, wen kann man fragen, wer damit Erfahrung hat. Oder auch, es ist gut, zu wissen, welche Stufen gibt es auf dem Weg, dass man nicht irgendwo hängen bleibt.


Und da gibt es ja auch im Yoga dann die sieben Bhumikas, die sieben Schritte der Evolution. Wir können vieles lernen vom Yogastandpunkt, vom psychotherapeutischen Standpunkt, vom psychologischen, vom medizinischen usw. Es ist gut, die Dinge zu verstehen. Und natürlich auch vom klassischen Yogischen her. Es ist gut, Wissen in dieser Richtung anzusammeln. Und auch dort kann man sich öfters fragen: „Verstehe ich, wie die Praktiken wirken. Verstehe ich meine Erfahrung? Verstehe ich, was der nächste Schritt ist? Verstehe ich, wie es weiter geht? Oder mache ich einfach irgendwie und verstehe es nicht. Oder suche ich mir Ratschläge von Menschen, die vielleicht bei den Praktiken, mit denen ich arbeite, gar keine Ahnung haben? Sind vielleicht das Wissen, was ich irgendwo bekomme zur Interpretation der Erfahrungen, die ich mache, ist vielleicht irgendwo, stammt aus einer ganz anderen Richtung und vielleicht verstehe ich es falsch.“ Es ist gut, richtiges oder gutes Wissen dort zu haben.

Und dann gibt es das höchste Wissen und das ist das intuitive Wissen. In den Upanishaden wird das als Vidyas bezeichnet. Und es gibt eine ganze Reihe von Upanishaden, die geben auch Tipps, wie kommt man zu einem intuitiven Wissen. Und Vidyas in den Upanishaden sind sogar Meditationstechniken, wie wir zum intuitiven Wissen kommen. Man kann natürlich sagen, intellektuelles Wissen ist klar: „Aham Brahmasmi. Ich bin Brahman.“ Und: „Sarvam Kalvidam Brahman. Alles ist tatsächlich Brahman.“ Das gehört doch zum intellektuellen Wissen. Aber wie kommen wir dazu, das wirklich zu verwirklichen? Und was wir intellektuell wissen ist ganz nett und kann auch hilfreich sein, wie ich eben gesagt habe, aber was wirklich zählt ist, was zur lebendigen Erfahrung wird. Dort können wir über die höchsten Wahrheiten meditieren. Und es gibt bestimmte Meditationstechniken, die uns helfen können, das mehr zu verwirklichen. Das sind dann z.B. die abstrakten Meditationstechniken, die wir auf den Meditation-Schweigen-Seminaren unterrichten, sowohl den Wochenenden wie den Intensivwochen. Das sind eigentlich die Vidyas aus den Upanishaden: Wie können wir so meditieren, dass wir zur intuitiven Verwirklichung höherer Weisheiten und Erfahrungen kommen.


Vidya entsteht aber auch letztlich von selbst, wenn wir bewusst üben. Wir praktizieren mit den richtigen Techniken und wir bemühen uns, gute Techniken zu üben, wir bemühen uns, so zu üben, wie es für uns angemessen ist, wir üben das mit dem richtigen Verständnis für die Erfahrungen, die kommen, und dann machen wir Fortschritte und dann kommen wir in diese intuitiven Vidyas, plötzlich verstehen wir, wir verstehen, und zwar nicht nur intellektuell sondern intuitiv: „Es gibt in mir etwas, einen Ort, der immer gleich bleibt. Ich kann immer in mir zu etwas kommen, was Wonne ist. Ich kann immer zu etwas kommen in mir, was eins ist mit dem Unendlichen und Ewigen. Und ich kann tatsächlich überall das Göttliche erfahren, es steckt überall drin.“ Selbst wenn wir anschließend ins Normalbewusstsein zurückkehren und ein Baum einfach grüne Blätter und ein Stamm ist, das Bewusstsein bleibt: Baum ist eine Manifestation des Göttlichen. Und auch wenn wir uns mit einem Menschen dann anschließend auf einer kommunikativen Ebene wieder auseinandersetzen müssen, wir haben vom Herzen her gespürt, in diesem Menschen ist das Göttliche. Und auch wenn wir anschließend wieder den Alltag leben, zwischendurch kommt die Verwirklichung: „Was auch immer geschieht, letztlich so wie es geschieht, ist es richtig. Und was auch immer ich inmitten meiner Erfahrung von Unzulänglichkeit erfahre, eigentlich werde ich geführt und habe alles, was es braucht, um die Aufgaben zu erfüllen, die ich habe.“

Hari Om Tat Sat

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

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