Die Verwirklichung des höchsten Selbst ist zum einen die leichteste Angelegenheit auf der Welt und zum anderen die schwerste Angelegenheit auf der Welt. Und um dies zu erreichen, ist zum einen größte Anstrengung und größter Wunsch nötig, und zum anderen größtes Loslassen. Das gehört zu den vielen Paradoxien auf dem spirituellen Weg. Das höchste Selbst zu verwirklichen, ist deshalb das leichteste, weil wir brauchen ja nichts dafür zu tun, wir sind jetzt in diesem Moment verwirklicht. So ähnlich, wenn ich jetzt als Sukadev jetzt überlegen würde: Was müsste ich tun, um hier auf der Bühne zu sitzen? Ich muss nichts tun, ich sitze schon da oben. Was müsste ich machen, um ein gelbes Hemd zu haben? Nichts, ich habe schon ein gelbes Hemd. Was müsste ich machen, um Satchidananda zu sein, Sein, Wissen und Glückseligkeit? Nichts, ich habe es jetzt schon. Und das ist letztlich auch ein Trost, egal, was wir machen, wir sind es jetzt schon. Natürlich, wir verwirklichen es nicht. Ab und zu mal kommt es wie so eine Klarheit, „ja, so ist es“, bis dann irgendjemand uns ein unfreundliches Wort sagt oder wir ein leichtes Kopfweh haben, und schon haben wir vergessen, „ich bin das unsterbliche Selbst“. Deshalb ist es auch die schwierigste aller Aufgaben und die großartigste der menschlichen Bestrebungen. Denn die natürliche Bestrebung des Geistes ist es, mit dem wir uns ja identifizieren, dass wir nach außen gehen und das Glück außerhalb von uns suchen und denken, „Glück kommt, wenn andere freundlich sind, ich das habe, was ich brauche, ich das tun kann, was ich will, dann wäre ich glücklich“. Nur, glücklich werden wir dadurch nicht wirklich. Es spricht auch nichts dagegen, so wie eine Art Spiel das auch zu machen. So ähnlich wie man ja viele Dinge im Leben macht, vielleicht weil sie Spaß machen und eine Herausforderung sind. Nur anzunehmen, dass es einen glücklich macht, wäre ein Irrtum. Dieses Glück können wir nur erreichen, wenn wir das erfahren, was jetzt schon ist. Das zweite Paradox, das ich eben angesprochen habe, es ist notwendig, dass wir diese Verwirklichung auch erreichen wollen. Mumukshutva, der intensive Wunsch nach Befreiung, gilt als eine der ganz wichtigen Eigenschaften eines Aspiranten, um dorthin zu kommen. Nur wenn der Wunsch danach größer ist als alle anderen Wünsche, dann können wir es auch erreichen. Wir haben ja die verschiedensten Wünsche, realistisch gesehen so viele. Und vielleicht in unserer heutigen Zeit, wo Menschen so viele verschiedene Möglichkeiten offen stehen, haben wir so unglaublich viele Möglichkeiten und daher so unglaublich viele Wünsche. Aber der Wunsch nach dieser Erfahrung des Höchsten, der muss größer sein als alle anderen. Was heißt muss, er muss gar nichts. Aber wenn er größer ist, dann kommt die Verwirklichung schnell. So wie Patanjali sagt: „ Samadhi kommt schnell, wenn der Wunsch danach stark ist.“ Dann sagt er noch: „Der Wunsch nach Samadhi kann mäßig sein, mittel oder intensiv.“ Für viele ist der Wunsch mäßig. „Zuerst kümmere ich mich um das und um das und um das, und dann, wenn ich Zeit habe, dann mache ich vielleicht das.“ Oder auch: „Yoga und Meditation hilft mir, im Alltag irgendwo entspannter zu sein, mit Stress besser umzugehen, mich irgendwie wohler zu fühlen. Wenn es vielleicht irgendwann auch mal zum Überbewusstsein führt, ist ja ganz nett, aber zunächst mal die praktischen Dinge sind wichtiger.“ Ist auch natürlich eine legitime Einstellung und die Mehrheit der Menschen übt es ja so. Und sicherlich auch einige der Anwesenden. Auch das ist ok. Aber höchste Verwirklichung kommt dann, wenn der Wunsch danach intensiv ist. Und eine zweite Sache ist aber auch, zum einen, der Wunsch danach ist wichtig, zum anderen aber auch, das Loslassen ist auch wichtig. Wünschen und dann loslassen. Wenn wir es nur wünschen, dann ist es so ähnlich wie, der Wunsch ist nämlich wie ein Boot, mit dem wir einen Fluss überqueren. Ihr könnt natürlich sagen, „ich brauche kein Boot, ich überquere den Fluss ohne“. Aber mit dem Boot geht es leichter. Nur danach müssen wir das Boot auch verlassen. So ähnlich, der Wunsch nach Befreiung ist wie ein Boot mit dem wir diesen Fluss des Lebens sicher überqueren und vielleicht noch schöne andere Erfahrungen auch machen, dann lassen wir los und betreten das andere Ufer, unser höchstes Selbst.
Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:
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