Entwicklung von Tugenden

Ich lese etwas aus der "Bhagavad Gita", dem Zwiegespräch zwischen Krishna, dem Lehrer und Arjuna, dem Schüler. Und, ich glaube seit 2 Jahren lese ich die Bhagavad Gita vom ersten Kapitel bis zum letzten Kapitel, immer mit ein paar Wochen Unterbrechung, wenn ich aus anderen Schriften etwas lese. Und letztes Jahr waren wir im 16. Kapitel gewesen. Krishna spricht über die Unterscheidung zwischen Deva und Asura, zwischen dem Lichtvollen und dem, was in die Täuschung führt. Und er hatte dort eine lange Aufzählung gemacht, was es alles gilt zu entwickeln. Welche Eigenschaften wir entwickeln sollen, wenn wir zu diesem lichtvollen Zustand hinkommen wollen. Und ich lese dort ein paar dieser Eigenschaften vor. Furchtlosigkeit ist das erste, Abhayam. Also, wir sollen Mut haben. Das ist eine wichtige Eigenschaft. Ein spiritueller Aspirant weiß, ich bin das unsterbliche Selbst, der Atman, deshalb kann mich nichts erschüttern, und außerdem weiß er, irgendwann werden wir sowieso alle die Selbstverwirklichung erreichen, entweder in diesem Leben oder im nächsten Leben, oder in zig Leben, also nach dem Tod folgt Wiedergeburt, nach der Wiedergeburt wieder Leben, danach Tod usw. Und so brauchen wir eigentlich vor nichts Angst zu haben. Außerdem sind alle Menschen in dieser Welt unser eigenes Selbst. Hat die linke Hand Angst vor der rechten Hand? Hat die Nase Angst vorm Ohr? Hat der große Zeh Angst vor dem kleinen Zeh? Denkt der kleine Zeh, er ist minderwertig gegenüber dem Ringzeh, mit dem er verbunden ist? Denkt der Zeigefinger, der böse Daumen, der macht viel mehr als ich? Wird mich vielleicht der Körper nicht mehr mögen und deshalb wird er mich wegnehmen, weil ich vielleicht zu lang bin? Also, wir sind alle so wie Teile des kosmischen Ganzen. Auf der höchsten Ebene sind wir reines Bewusstsein. So wie das Bewusstsein hinter diesem Finger das gleiche Bewusstsein ist hinter dem Ohr, hinter dem Kopf und hinter dem Magen. Auf einer tieferen Ebene oder einer niedrigeren Ebene besser, sind wir alle Teil des gleichen Körpers, des Körpers Gottes und des Geistes Gottes. Und auf einer anderen Ebene fühlen wir uns irgendwie ein bisschen klein, ein bisschen separat. Ein anderes Beispiel wäre auch: Angenommen, man wäre braunblind, man würde nur grün sehen, dann würde man z.B. bei einem Baum alle möglichen Blätter dort sehen, die scheinbar unverbunden miteinander vor sich hinwedeln. Vielleicht würde man nicht mal den Wind wahrnehmen. Wir würden dann alle denken: gut die Blätter, manchmal macht einer nach dem andern was, und dann machen sie es anders, und dann vorne die flattern ein bisschen mehr und die hinteren ein bisschen weniger, und dann würde man denken, irgendwo, die Blätter sind doch schon eine eigenartige Geschichte. Man könnte dann herausfinden, was die Blätter so denken müssen, um sich so unterschiedlich zu verhalten. Und in Wahrheit sind sie alle Teile des gleichen Baumes und werden bewegt vom gleichen Wind. Und so sind wir auch Teil des gleichen Gottes und wir werden bewegt vom gleichen Hauch des Göttlichen. Also gibt es nichts, von dem wir Angst zu haben brauchen.

"Reinheit des Herzens" sagt er hier, sattva-samsuddhir, können wir entwickeln. Dann
interessant: jnana-yoga-Vyavastitih. Stitih heißt Beständigkeit. Beständigkeit im Wissen, im Jnana und im Yoga. Gut, Krishna kann davon ausgehen, wer bis zum 16. Kapitel weiter gelesen hat in der Bhagavad Gita, wer solange durchgehalten hat, der ist sicher an Yoga interessiert. Und wer an einem Dienstagabend hierher in den Satsang kommt, der ist sicher an Yoga interessiert, und am Jnana, am Wissen. Also, es ist nicht die Frage, ob wir überhaupt daran interessiert sind, sondern Stitih, Beständigkeit. Beständigkeit sagt er sowohl in der Übung des Yoga, im Yoga vyava, als auch im Jnana, im Wissen. Manche Menschen sind dann, wenn es ihnen schlecht geht, regelmäßig im Yoga, weil sie wissen, dadurch geht's ihnen wieder besser. Das sind die Schlechtwetter-Yogis. Dann gibt's aber auch die Gutwetter-Yogis. Ihnen geht's schon gut. Und weil's ihnen gut, wollen sie, daß es ihnen noch besser geht. Das sind dann die Gutwetter-Yogis. Die kommen dann in Ekstase und wunderschöne Zustände und Wonne und mehr Energie. Und wenn sie dann trotzdem irgendwie wieder weniger Kraft haben, dann denken sie, ja, ich bin nicht gut genug, Yoga ist nicht ausreichend, ich mach's nicht richtig, und machen dann eine Weile nichts. Gut, und manche Menschen sind einfach nachlässig, und mal machen sie mehr, mal machen sie weniger, und viele leiden unter einer Art Vata-Störung, immer wieder was anderes. Also, eine gewisse Beständigkeit ist wichtig. Es ist keine starre Beständigkeit. Es wird Phasen geben, da hat man mehr Zeit, wie z.B. jetzt, wenn ihr im Haus Yoga Vidya seid, und es wird Phasen geben, wo ihr weniger Zeit habt. Und es wird Phasen geben, wo man mehr meditiert, und Phasen geben, wo man mehr Asanas übt. Aber eine gewisse Beständigkeit, daß man eine Grundpraxis über einen längeren Zeit-raum übt, ist wichtig. Beständigkeit im Jnana, im Wissen. Es fällt manchmal leicht, wenn man intensiv praktiziert, zu sagen, Aham Brahma Asmi, oder wenn Leute freundlich sind, ja, wir sind alle eins. Was aber, wenn einem jemand auf den Fuß steigt? Was, wenn jemand die Schule verwechselt hat und die guten Sandalen einem weggenommen hat? Was, wenn man auf den Parkplatz kommt und feststellt, das Auto ist nicht mehr in dem gleichen Zustand, in dem wir es hingestellt haben? Was, wenn Kinder zu Jugendlichen werden und plötzlich ganz unverständlich mit einem sprechen ? Usw., ihr könnt euch noch vieles andere vorstellen. Jnana stitih, Beständigkeit im Wissen. Das ist auch immer wieder eine Übung. Und es gibt Phasen, wo es ein Gefühl ist, und es gibt Phasen, wo es eine intellektuelle Überzeugung ist, die dann wieder zum Gefühl wird. Und es gibt Phasen, wo dieses Gefühl zu dieser Überzeugung führt. Beständigkeit. Dana, steht als nächstes, Almosen geben wird's genannt. Dana steckt aber noch mehr drin, als nur Almosen geben, es heißt bewusst anderen helfen zu wollen. Es ist wie die andere Medaille von Ahimsa. Ahimsa heißt "nicht verletzen", das bringt er noch an einer anderen Stelle. Natürlich, wir wollen andere Menschen nicht verletzen, das ist im 2. Vers. Aber das Dana heißt auch, bewusst anderen etwas Gutes tun wollen. Und es gibt dort das kleine Dana und es gibt das große Dana. Das kleine Dana ist so etwas, was sich als Pfadfindermotiv so in den Volksmund verbreitet hat: Jeden Tag eine gute Tat. Und ihr könnt jetzt heut überlegen, habt ihr heute schon eine gute Tat gemacht. Wenn nicht, könnt ihr noch überlegen, was ihr noch macht, bevor ihr. Gut, und was ist ne gute Tat letztlich? Ihr müsst selbst als solches annehmen, und erkennen, etwas, wo ihr nicht erwartet, daß andere euch dafür etwas geben, etwas, wofür ihr nicht erwartet, daß ihr dafür belohnt werdet, anerkennt werdet usw. Und, da jeden Tag etwas machen, das öffnet das Herz. Es reicht eben nicht aus, nur mutig zu sein und beständig zu sein in der Unterscheidungskraft und beständig in der Praxis des Yoga. Es muß sich umsetzen in die Tat, und dazu gehört, Almosen geben, Dana.

Und die letzte der Eigenschaften, auf die ich zu sprechen kommen will, sind viele. Wir können also dort vielleicht im Laufe der Monate noch drauf eingehen, je nachdem, wie häufig ich noch aus der Bhagavad Gita lese. Das nächste ist Dama, und was ist Dama? Weiß jemand, was Dama ist ? Lesen wir vielleicht zu selten vor. Dama heißt Sinnesbeherrschung. Was heißt Sinnesbeherrschung? Seine Sinne zu beherrschen. Es gibt verschiedene Sinne, und da könnt ihr drüber nachdenken, was diese Sinne sind. Es heißt z.B., wenn man sich vorgenommen hat, einen Tag lang auf Süßigkeiten zu verzichten, und man bekommt die beste, biologisch organische Carobella, oder so ähnlich, je nachdem, was es ist, oder die besten organische Reissirup-Waffel, und dann wird man sagen, heute nicht, man kann es ja auf morgen verschieben. Oder angenommen, man sitzt in der Meditation, und nebenan kratzt sich jemand ständig. Dabei ruhig bleiben zu können, gut weiter meditieren zu können, heißt Dama. Oder angenommen, irgendeiner erzählt einem irgendwelchen Unsinn, und dabei ruhig bleiben zu können, auch das heißt Dama. Und so könnt ihr euch vieles noch überlegen, was Dama auch ist. Interessanterweise ist es nicht das allererste. Zuerst brauchen wir Mut, dann Reinheit des Herzens, was letztlich Liebe heißt, Mut muss gepaart sein mit Liebe. Danach folgt Beständigkeit in der Praxis der Yoga-Übungen, Beständigkeit in der Unterscheidungskraft und dem Wissen, anderen Gutes tun, Liebe will sich ausdrücken und Sinnesbeherrschung. Und die anderen könnt ihr entweder selbst lesen oder bleibt noch ein paar Wochen hier.

Hari Om Tat Sat

Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.

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