Chitta meint hier das individuelle Gemüt, die individuelle Persönlichkeit, die Mischung aus Gedanken, Gefühlen, Talenten, Fähigkeiten, Neigungen, Persönlichkeit usw. All das ist Chitta. Chitta entsteht aus dem Ego. Ohne Ego gibt es auch keine Persönlichkeit. Auch ohne Persönlichkeit gibt es kein Ego. Das ganze Konzept des Yoga beruht darauf, dass wir nicht eine individuelle Person sind. Wir sind Purusha, unendliche, ewige, freie Seele und Satchidananda, reines Sein, reines Wissen, reine Glückseligkeit. Wir sind das Bewusstsein hinter allem. Und eigentlich kann man nicht sagen, „Wir sind das Bewusstsein.“, sondern jeder einzelne ist eine Manifestation des einen, unendlichen Bewusstseins.
Bleibt die Frage, „Wenn ich dieses reine, unendliche, ewige Bewusstsein bin, eins mit allem, warum fühle ich mich als Individuum? Warum identifiziere ich mich hier mit dieser einzelnen Person? Warum denke ich, dass ich der bin, der ich bin?“ Hier gibt es das Konzept des Asmita, das Ego. Die kosmische, ewige, unendliche Seele identifiziert sich mit einem Teil der unendlichen Prakriti, eben mit diesem Körper-Geist-Komplex. Und indem die kosmische Seele sich identifiziert, entsteht ein Chitta, ein individuelles Gemüt und Persönlichkeit. Dieses individuelle Gemüt und Persönlichkeit kann sich weiterentwickeln, in einem Leben, vielleicht auch in mehreren Leben, wobei es jetzt zum Verständnis vom Raja Yoga nicht notwendig ist, an mehrere Inkarnationen zu glauben. Es macht es logischer, aber vom Subjektiven her weißt du ja zunächst mal nicht, ob du inkarniert bist oder nicht, ob du dich wieder inkarnierst. Bis zu einem gewissen Grad mag das eine Glaubensfrage sein.
Aber es ist möglich, sich in der Meditation als das Bewusstsein hinter dem ganzen Universum zu fühlen, als ein einziges, unendliches Bewusstsein. Und wenn du nachher jemanden auf der Straße triffst, dann siehst du, dass sich das eine unendliche Bewusstsein durch diesen Körper manifestiert, der vor mir steht oder an mir vorbeigeht. Und ein klein wenig kannst du im Alltag dieses Einheitsbewusstsein aufrechterhalten.
Natürlich, um deine Aufgaben zu erledigen, musst du dich mit einem Körper mehr identifizieren als mit einem anderen. Du musst ja auch atmen, du musst deine Hände heben, du musst für Nahrung sorgen, du musst sprechen usw. All das geht, wenn du dich mehr mit dem Körper-Geist-Komplex identifizierst, den du „Ich“ nennst, als mit dem, der dir gegenübersteht. Aber du kannst dich auch etwas mit dem identifizieren, der dir gegenübersteht und dich fragen: „Wie mache ich, als kosmisches Bewusstsein, etwas durch den Körper, der mir gegenübersteht und wie mache ich, als kosmisches Bewusstsein, etwas im gesamten Universum?“ Das ist eine spielerische, leichte Einstellung und letztlich auch eine gesunde Neugier, wie alles abläuft.
Angenommen, du weißt, dass du träumst, da siehst du, wie alles abläuft. Du bist neugierig, was als nächstes passiert. Du weißt letztlich, du selbst bist derjenige, der hinter dem ganzen Traum steht. Dennoch siehst du diesen Traum aus einer individuellen Perspektive, weil du dich mit einem etwas mehr identifizierst und durch dessen Auge du diese Traumwelt wahrnimmst. Wenn du weißt, dass du träumst, dann weißt du, du bist derjenige hinter allem, der jetzt durch ein Individuum sieht. Dann bist du vielleicht neugierig, amüsiert und fragst dich, was als nächstes passieren wird. Dann kannst du das Leben annehmen, ohne es zu sehr auf deine Person zu beziehen.
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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