Mit Einfühlung - Samyama - auf die Gedanken des anderen bekommst du Wissen über seinen Geist. Dabei kannst du immer davon ausgehen, dass jeder Mensch im Grunde das Gute will. Jeder Mensch will glücklich sein. Jeder Mensch will sinnvoll leben. Jeder Mensch will seine Bewusstheit und sein Wissen steigern.
Aber daneben hat jeder Mensch auch alle möglichen Formen von instinktiven Reaktionsschemata, die ihn seit Jahrtausenden von Inkarnationen begleiten. Es spielt keine Rolle, ob du an Reinkarnation glaubst und sagst, der Mensch habe seine Handlungstendenzen, Denkmuster und Gefühle in früheren Leben entwickelt, oder ob du von der Evolutionstheorie ausgehst und sagst, dass das genetische Erbgut des Menschen heute noch so ähnlich sei wie in der Steinzeit und dass die instinktiven Reaktionen des Menschen deshalb letztlich aus der Steinzeit stammen. In irgendeinem Kontext haben und hatten diese Reaktionen einen Sinn. Und so kannst du verständnisvoll und liebevoll mit anderen Menschen umgehen.
Angenommen, jemand verhält sich dir gegenüber sehr aggressiv. Dann erinnere dich, dass ohne eine gewisse Aggression Menschen und Tiere nicht hätten überleben können. Das Wort „Aggression“ kommt aus dem Lateinischen „aggregere“. Es bedeutet auch, Dinge anzugehen, sich durchzusetzen, das Positive in der Welt zu verbreiten. Selbst Mahatma Gandhi ist die Dinge aktiv angegangen. Er hat sein Aggressionspotenzial sublimiert und auf sehr positive, einfühlsame und mitfühlende Weise eingesetzt.
Wenn dich jemand belästigt, dann ist das letztlich ein Ausdruck eines menschlichen Bedürfnisses. Du kannst es als menschliches Bedürfnis der Fortpflanzung ansehen, als menschliches Bedürfnis des Überlebens, oder als menschliches Bedürfnis, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Egal, wie du es bezeichnest, letztlich kommt es daher, dass alle Menschen eins sind und in sich ein tiefes Bedürfnis tragen, sich mit anderen zu verbinden und diese Einheit wieder zu erfahren. Darum unterstelle anderen erstmal grundsätzlich gute Bedürfnisse und Gründe. Diese Gründe mögen sich auf sehr ungeschickte oder sogar verletzende Weise manifestieren. Manchmal ist es wichtig, dass wir uns gegen diese Faktoren zur Wehr setzen. Aber dieses zur Wehr Setzen ist kein Ablehnen des Menschen an sich, sondern nur ein Ablehnen der konkreten Manifestation seines Bedürfnisses.
Gehe grundsätzlich davon aus, dass die Reaktionen der anderen von ihrem Standpunkt aus sinnvoll sind. Von deinem Standpunkt aus mag das anders aussehen. Darum finde heraus, wie ihr miteinander interagieren könnt, damit alle eure Bedürfnisse befriedigt werden. So kannst du deine eigenen Muster und die des anderen verstehen lernen und letztlich heilen.
Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag! Om Shanti,
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga-Vorträge als mp3
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