1. Vers

अथ सीत्कारी
सीत्कां कुर्यात् तथा वक्त्रे घ्राणेनैव विजृम्भिकाम्
एवम् अभ्यासयोगेन कामदेवो द्वितीयकः ॥५४॥

atha sītkārī-
sīt-kāṁ kuryāt tathā vaktre ghrāṇenaiva vijṛmbhikām… evam abhyāsa-yogena kāma-devo dvitīyakaḥ

atha : nun (folgt,); sīt-kārī : Sitkari; sīt-kāṁ : (den Laut) „sīt“; kuryāt : man mache; tathā : und, so; vaktre : (beim Einatmen) in den Mund); ghrāṇena : durch die Nase; eva : nur, allein, ausschließlich; vijṛmbhikām : (die) Ausatmung; evam : so, auf diese Weise; abhyāsa : (der) Übung, Wiederholung; yogena : durch die Anwendung, das Mittel, die Methode; kāma-devaḥ : Liebesgott; dvitīyakaḥ : (man wird ein) zweiter

Nun Sitkari: Sitkari soll auf diese Weise ausgeführt werden: Im Mund, durch den die Luft eingeatmet wird (und ausgeatmet) ausschließlich durch die Nase. | Durch diese Praxis wird (ein Yogi) ein zweiter Gott der Liebe.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass in diesem Vers die Atemverhaltung (Kumbhaka) mitzuverstehen ist (avagantavya), obwohl sie nicht ausdrücklich genannt wird (anukto ‚pi), insofern Sitkari zu den (Ausführungsformen von) Kumbhaka gehört (kumbhaka-tvāt): kumbhakas tv anukto ‚pi sīt-kāryāḥ kumbhaka-tvād evāvagantavyaḥ, vgl. auch die Anmerkung zu Vers 52.

 

Svatmarama schreibt:

Indem man die Zunge zwischen die Lippen setzt und den Atem mit einem zischenden Ton in den Mund zieht, sollte die Puraka (Einatmen) gemacht werden und dann Rechaka (Auusatmen) nur mit beiden Nasenlöchern. Dies wird Sitkari genannt. Durch das Wiederholen oder Ausüben dieser Übung wird man zu einem zweiten Gott der Schönheit.

Beim Einatmen macht man einen zischenden Laut. Man gibt die Zungenunterseite an die Schneidezähne, atmet durch die Seiten des Mundes ein und rollt die Zunge quer. Anschließend atmet man durch die Nase aus. Durch diese Übung wird man zu einem zweiten Liebesgott.

Swami Vishnu hat es hier übersetzt als einen zweiten Gott der Schönheit.

Wie kann man zu einer solchen Wirkung kommen?

Sitkari hilft, dass der Körper von Unreinheiten frei wird. Es trägt dazu bei, dass die Mondenergie harmonisiert wird und beruhigt das Pitta Dosha. Pitta ist das Feuer. Wer zu viel Feuer hat, der verbrennt und es kann zu vorzeitigem Altern führen.

Wer eine zu große feurige Intensität hat, der stößt andere ab.

Wenn dagegen dieses beruhigende Prana stärker wird, dann bekommt man eine gute Ausstrahlung.

Allgemein ist zu sagen: Pranayama erhöht Charisma, die Ausstrahlung. Eine gute Ausstrahlung wird als Schönheit wahrgenommen und es führt zu einer gewissen Anziehungskraft.

Das ist durchaus eine gewisse Gefahr und auch etwas, was missbraucht werden kann.

Gerade von männlichen Yogis, kann manchmal die Gefahr des Missbrauchs ausgehen. Diesem sollte entgegengewirkt werden.

Wer viel Pranayama übt, hat eine starke Ausstrahlung und das führt auch manchmal zu einer Attraktivität und zu einer sexuellen Anziehungskraft.

Davor sollte man sich hüten, insbesondere wenn man Unterrichtender ist, das auszunutzen.

Sitkari hilft, dass man sich regeneriert, dass man eine Ausstrahlung hat und sich leicht fühlt.

 

  1. Vers

योगिनी चक्रसंमान्यः सृष्टिसंहारकारकः
क्षुधा तृषा निद्रा नैवालस्यं प्रजायते ॥५५॥

yoginī : (der) Yoginis (mächtige, zauberkundige weibliche Yogis); cakra : (im) Kreise; sammānyaḥ : (er) steht in Ehren; sṛṣṭi : (von) Schöpfung, Aussendung; saṁhāra : (und) Auflösung, Zerstörung, Zurückziehung (des Geschaffenen); kārakaḥ : (er ist der) Vollführer, Erschaffer; na : nicht, weder; kṣudhā : Hunger; na : nicht, noch; tṛṣā : Durst; nidrā : Schlaf, Schläfrigkeit; na : nicht, noch; eva : gewiss; ālasyaṁ : Trägheit, Schlaffheit, Energiemangel; prajāyate : entsteht (ihm)

yoginī-cakra-sammānyaḥ sṛṣṭi-saṁhāra-kārakaḥ… na kṣudhā na tṛṣā nidrā naivālasyaṁ prajāyat

(Solch ein Yogi) wird von den weiblichen Yogis verehrt, er ist der Urheber von Manifestation und Auflösung. | (Für ihn) gibt es keinen Hunger, noch Durst, noch Schlaf, nicht einmal Nachlässigkeit.

 

Es bedeutet:

Genau dieser Yogi wird von den weiblichen Yogis verehrt. Er ist Urheber sowohl von Manifestation als auch von Auflösung. Für ihn gibt es keinen Hunger, keinen Durst, keinen Schlaf und keine Trägheit oder Schmerz.

Svatmarama schreibt, sowohl für die Yogis als auch für die Yoginis gilt, dass wer viel Prana hat, bei allen in Ehren steht. Er ist Vollführer von Schöpfung und Auflösung. Wenn du dieses machtvolle ruhige Prana hast, kannst du viel bewirken. Aber du kannst auch viel auflösen.

Es gibt manchmal Menschen, die schon über einen längeren Zeitraum etwas gemacht haben, aber irgendwie nicht die Kraft haben, es zu beenden.

Manchmal kommt dann die Kraft „Jetzt, nun mache ich Schluss damit!“ Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser, als ein Schrecken ohne Ende.

Wer ein positives Prana hat, der hat eine positive Ausstrahlung, der kann viel bewirken, Dinge anfangen und beenden.

Aber er ist nicht betroffen durch Hunger und Durst. Dies steht sowohl für physischen als auch für geistigen Hunger und Durst.

Wenn du in dir bemerkst, eine innere Unruhe, eine innere Gier, Durst oder Gedanken unbedingter Wünsche treten in Erscheinung, dann ist es gut, dies durch Sitkari zu beruhigen.

Gier und Getriebenheit kann durch Sitkari beruhigt werden. Es hilft, dass du nicht schläfrig wirst. Es hat eine erfrischende Wirkung. Trägheit, Schlaffheit und Energiemangel werden überwunden.

 

56.Vers

भवेत् सत्त्वं देहस्य सर्वोपद्रववर्जितः
अनेन विधिना सत्यं योगीन्द्रो भूमिमण्डले ॥५६॥

bhavet sattvaṁ ca dehasya sarvopadrava-varjitaḥ… anena vidhinā satyaṁ yogīndro bhūmi-maṇḍale

bhavet : (es) entsteht; sattvaṁ : Festigkeit, Stärke; ca : und; dehasya : des Körpers; sarva : allen ; upadrava : Übeln, Gebrechen, Widrigkeiten; varjitaḥ : (er wird) frei von; anena : mit dieser; vidhinā : Methode; satyaṁ : (er wird) wahrlich; yogi : (unter den) Yogins; indraḥ : (ein) Fürst; bhūmi-maṇḍale : auf dem Erdenkreis

Das Reine des Köpers wird frei von allen Verunreinigungen. | Durch diese Technik wird der Yogi wahrlich wie ein Gott der Himmel auf dem Erdkreis.

 

Es entsteht eine Reinheit des Körpers und der Körper wird frei von allen Verunreinigungen. Durch diese Technik wird der Yogi wahrlich wie ein Gott der Himmel auf dem Erdkreis.

Verschiedene Krankheiten werden bereinigt. Durch Sitkari wird der Körper gesund. Es wird eine Reinheit erlangt und eine Festigkeit. Mit dieser Methode wird der Yogi wahrlich ein Fürst auf dem Erdkreis.

Du wirst zum Raja Yogi. Du beherrschst deine Emotionen, deine Wünsche und Gedanken. Du hörst auf, Sklave zu sein.

Übe Pranayama und praktiziere Sitkari!

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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