1. bis 47. Vers

Was sind die drei Bandhas?

Welche Wirkungen haben sie?

Wann sollte man sie üben?

Darüber spricht Svatmarama ab Vers 45 des 2. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika

 

  1. Vers

पूरकान्ते तु कर्तव्यो बन्धो जालन्धराभिधः
कुम्भकान्ते रेचकादौ कर्तव्यस्तूड्डियानकः ॥४५॥

pūrakānte tu kartavyo bandho jālandharābhidhaḥ… kumbhakānte recakādau kartavyas tūḍḍiyānakaḥ

pūraka : (der) Einatmung; ante : am Ende; tu : aber, jedoch; kartavyaḥ : ist auszuführen; bandhaḥ : (der) Verschluss; jālandhara : Jalandhara (das „Halten des Netzes“); abhidhaḥ : namens („mit Namen“); kumbhaka : (der) Atemverhaltung; ante : am Ende; recaka : (der) Ausatmung; ādau : am Anfang; kartavyaḥ : ist auszuführen; tu : aber, jedoch; uḍḍiyānakaḥ : Uddiyanaka bzw. Uddiyana (Bandha, das „Auffliegen“) 

Wahrlich, am Ende der Einatmung soll Jalandhara-Bandha durchgeführt werden, | mit dem Anhalten und am Beginn der Ausatmung das was als Uddiyana-Bandha bekannt ist.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 51 behandelt.

 

Am Ende der Einatmung, Puraka, soll der Jalandhara Bandha praktiziert werden und am Ende von Kumbhaka, des Anhaltens, Beginn von Recaka, des Ausatmens, sollte man Uddiyana Bandha praktizieren.

Durch schnelle Kontraktion des Beckenbodens, Mula Bandha, und Strecken des Rückens, Uddiyana Bandha, soll Prana in der Sushumna zum Fließen gebracht werden.

Demnach gibt es drei Bandhas, die zusammenhängend als Maha Bandha, ein großartiger Verschluss,  bezeichnet werden.

Der Begriff Maha Bandha bezeichnet alle drei und einzeln werden sie als die drei Bandhas bezeichnet.

Hierzu gehören Jalandhara Bandha, Uddiyana Bandha und Mula Bandha.

Mula heißt Wurzel. Es ist der Wurzelverschluss, das Zusammenziehen der Beckenbodenmuskeln, Anusschließmuskeln, Geschlechtsmuskeln, Muskeln des Perineums und Muskeln des Harnleiters.

Uddiyana heißt hoch fliegen. Das heißt, der Bauch wird nach oben gegeben, nach hinten und oben.

Jalandhara ist der Wasserhaltungsverschluss. Jalan hat etwas mit Wasser zu tun.

Beim Kinnverschluss atmest du vollständig ein und nach dem Einatmen kommt das Kinn auf den Brustkorb, der Brustkorb ist gewölbt und die Schultern sind nach hinten gezogen.

Die genauen Erklärungen zu den einzelnen Ausführungen kannst du auf den Internetseiten www.yoga-vidya.de finden.

 

Was sagt Svatmarama zu diesem Thema?

Wann sollte man diese Bandhas üben?

Man sollte Puraka, am Ende der Einatmung, Jalandhara Bandha üben.

Eine Übersetzung von Jala ist, dass es etwas mit Wasser zu tun hat. Korrekt ist hier aber die Übersetzung von Jala als das Halten des Netzes. Dies bedeutet durch die Haltung, dass der Brustkorb nach oben und das Kinn gesenkt ist, alle Energie oberhalb von der Kehle gehalten wird. Jalandhara Bandha wird nach der Einatmung die ganze Zeit während des Luftanhaltens geübt.

Dann sollte man außerdem am Ende des Anhaltens, Kumbhaka der Übung hinzufügen. Am Anfang der Ausatmung wird Uddiyana Bandha geübt.

Das ist eine etwas fortgeschrittenere Variation.

Bei Yoga Vidya sagen wir das nicht an. Wenn du schon eine Weile die drei Bandhas geübt hast, kannst du es in deine Praxis integrieren. Bei der Wechselatmung kannst du kurz noch einmal den Unterbauch stärker hinein ziehen, bevor du ausatmest und dann atmest du aus.

Uddiyana Bandha wird am Ende des Anhaltens geübt. Dabei wird ein kurzer kleiner Impuls gegeben. Du spürst manchmal wie Prana durch die Sushumna nach oben geschleudert wird. Du spürst plötzlich das Agnia Chakra oder das Sahasrara Chakra stärker. Hierfür wird ein kleiner Impuls gegeben kurz bevor du ausatmest.

 

  1. Vers

अधस्तात् कुञ्चनेनाशु कण्ठसङ्कोचने कृते
मध्ये पश्चिमतानेन स्यात् प्राणो ब्रह्मनाडिगः ॥४६॥

adhastāt kuñcanenāśu kaṇṭha-saṅkocane kṛte… madhye paścima-tānena syāt prāṇo brahma-nāḍigaḥ

adhastāt : des Beckenbodens (des Bereiches „unten“); kuñcanena : (gleichzeitig) mit (dem) Zusammenziehen; āśu : schnell; kaṇṭha : (der) Kehle; aṅkocane : (wenn das) Zusammenziehen; kṛte : ausgeführt wird („wurde“); madhye : in der (Körper-)Mitte; paścima : (nach) hinten; tānena : (zusammen) mit dem Einziehen („Ausdehnen“ des Bauches); syāt : sollte; prāṇaḥ : (der Lebens-)Atem, (die) Lebensenergie Prana; brahma-nāḍi-gaḥ : (durch) Brahmanadi (Brahmas Energiekanal, Sushumna) fließen („gehen“, Ga)   

Durch schnelle Kontraktion des Beckenbodens (Mulabandha), gleichzeitiges Durchführen von Anspannung der Kehle (Jalandharabandha) | und Strecken des Rückens (Uddiyanabandha), soll der Lebenshauch in der Sushumna zum Fließen gebracht werden.

 

In diesem Vers sagt er:

Durch schnelle Kontraktion des Beckenbodenmuskels bzw. in dem du gleichzeitig den Beckenbodenmuskel anspannst und die Kehle zusammen ziehst, während du hinten lang ziehst und den Bauch vorne hochziehst, so geht Prana in Brahma Nadi, in den Energiekanälen, in die Mitte der Sushumna.

Dies sind die drei Dinge, die du nach dem Einatmen übst. Du übst gleichzeitig Mula Bandha, Jalandara Bandha und Uddiyana Bandha während du die Luft anhältst. Bevor du ausatmest, verstärkst du Uddiyana Bandha.

Er gebraucht hier eine weitere Variante.

Du könntest einfach sagen, beim Anhalten übe erst nur Jalandara Bandha. Dann kurz vor der Ausatmung, kommt Uddiyana Bandha hinzu. Fortgeschrittener und machtvoller ist es, beim Anhalten alle drei Bandhas zu üben und kurz vor dem Ausatmen, bevor du Jalandara Bandha löst, einmal kurz Uddiyana Bandha stärken, dann den Kopf heben und ausatmen.

Achte dabei darauf, dass die Wirbelsäule gestreckt ist.

Es ist wichtig, hier nicht einzusinken. Er sagt, von besonderer Wichtigkeit sei das Strecken des Rückens.

Die Brustwirbelsäule ist aufgerichtet, der Unterbauch eingezogen und der Kopf gesenkt. Der Körper ist majestätisch aufgerichtet und das Kinn leicht gesenkt. Mula und Uddiyana Bandha werden gesetzt. Dann stelle dir vor, dass das Prana, die Lebensenergie, durch die Sushumna fließt.

 

  1. Vers

आपानमूर्ध्वमुत्थाप्य प्राणं कण्ठादधो नयेत्
योगी जराविमुक्तः सन्षोडशाब्दवया भवेत् ॥४७॥

apānam ūrdhvam utthāpya prāṇaṁ kaṇṭhād adho nayet… yogī jarā-vimuktaḥ san ṣoḍaśābda-vayā bhavet

apānam : Apana; ūrdhvam : (durch Mula Bandha) aufwärts, nach oben; utthāpya : ziehend („hinaufdrängend“); prāṇaṁ : Prana; kaṇṭhāt : von der Kehle; adhas : (durch Jalandhara Bandha) abwärts, nach unten; nayet : möge leiten; yogī : (der) Yogi; jarā : (vom) Alter; vimuktaḥ : befreit; san : seiend; ṣoḍaśa-abda : (das eines) Sechzehnjährigen (ist); vayas : (wie einer, dessen) Alter; bhavet : er wird

Nachdem er die absteigende Energie nach oben gehoben hat, soll der Yogi die aufsteigende Energie von der Kehle nach unten leiten. Der Yogi wird völlig frei von Altersschwäche und bekommt die Kraft eines 16-jährigen.

 

Die Übersetzung  sagt:

Durch das Hochziehen der Apana nach oben und das Hinunterbringen des Pranas von der Kehle wird der Yogi ein Jüngling von 16 Jahren, für immer vom Alter befreit.

Die Interpretation ist folgende:

Bei Apana geht es darum, die nach unten steigende Energie nach oben zu bringen. Normalerweise geht Apana nach unten.

Über die fünf Prana Vayus findest du auf unseren Internetseiten noch mehr Informationen.

Diese fünf Vayus gilt es zu kontrollieren durch die verschiedenen Asanas, Pranayamas, Bandhas und Mudras.

In diesem Vers spricht er besonders von Apana, das nach unten fließende Prana, welches auch verantwortlich ist für die Ausscheidungsorgane, für Sexualität, Menstruation, Geburt usw.

Diese kannst du während der Atemübungen nach oben bringen.

Prana und Apana werden in der Mitte des Körpers gehalten. Dadurch, dass Apana nicht nach unten fließt und Prana nicht nach oben, fließen Prana und Apana durch alle Nadis zwischen Muladara Chakra und Vishuda Chakra. Sie reinigen dabei alle Nadis, die es in der Mitte des Körpers gibt.

Danach kann die Kundalini erwachen und durch die Sushumna nach oben gehen.

Diese Phase, in der Apana nach oben und Prana nach unten gebracht werden, hilft auch, dass beide sich regenerieren.

Apana steht im Kontext mit der Mondenergie, die nach unten geht. Prana steht in Verbindung mit der Sonnenenergie, die nach oben gerichtet ist. So wird Sonnen- und Mondenergie regeneriert und harmonisiert.

Das ist ein wiederkehrendes Thema in der Hatha Yoga Pradipika, wo es darum geht, sich vom Alter zu befreien und ein Jüngling zu sein.

Zur Zeit von Svatmarama muss es populär gewesen sein, wie ein 16-Jähriger zu sein.

Die Zahl 16 oder wie ein 16-jähriger zu sein, hat verschiedene Bedeutungen.

Zum einen gilt die Jugend als eine Zeit, in der man in der Blüte seiner Kräfte ist. Im Westen würde man vielleicht sagen, dass das die 20-jährigen sind. Die Jüngeren sind offen für Neues und sie sind bereit, vieles zu bewirken. Jugendliche wollen viel lernen und viel bewirken.

Menschen ab einem gewissen Alter wollen nicht mehr so viel lernen, sie haben eine Neigung zu glauben, sie wissen schon alles. Sie verlieren die Neugier und finden sich ab mit dem Leben so wie es ist.

Man könnte das als Altersweisheit bezeichnen. Es ist gut, so wie es ist. Wobei es hierbei unterschiedliche Variationen gibt. Die einen finden sich damit ab, im Sinne des Verstehens, die anderen nehmen es eher hin, als eine Art Kapitulation, bei der alles keinen Sinn mehr hat.

Svatmarama will uns ermutigen, zu sein wie die jüngeren Menschen. Wir sollten bereit sein Neues zu lernen, einen offenen Geist haben und zu wissen, dass es einiges gibt, was durch mich noch bewirkt werden soll.

Dazu will uns Pranayama führen. Durch Prana bleibt die Klarheit des Geistes und die Offenheit für Neues erhalten bzw. wieder erhalten.

Die Bereitschaft einiges zu lernen und die Bereitschaft einiges zu bewirken rückt hier an vorderste Stelle.

In Bezug auf die Zahl 16 bzw. den 16-jährigen gibt es noch weitere Mythen.

Zum einen gibt es Krishna in der Bhagavad Gita. Von Krishna heißt es, dass er alle 16 Strahlen hat, alle 16 Fähigkeiten.

Mit der Zahl 16 muss es sich hier nicht unbedingt um einen 16 jährigen Jüngling handeln. Man könnte es deuten, dass du jemand wirst, der alle 16 Fähigkeiten und Kräfte entfalten kann. Neben dem Alter kann man sagen, dass es sich auf die göttlichen Kräfte bezieht, die Krishna vollständig verkörpert hat.

Das Shodasa Mantra ist eine Bezeichnung für das Maha Mantra, das Hare rama hare krishna, welches 16 Wörter umfasst, die alle Namen von Vishnu sind. Weiterhin kann man es deuten, wenn sich jemand ganz auf die göttliche Mutter bezieht mit ihren 16 besonderen Kräften.

Demnach steckt in diesem Vers sehr viel mehr als das, was wir typischerweise interpretieren.

  1. Man fühlt sich jugendlich durch Pranayama.
  2. Insgesamt 16 Fähigkeiten und Kräfte werden hier interpretiert.
  3. Wir wollen zu einem reinen Instrument des Göttlichen werden.

Übe Pranayama! Übe die drei Bandhas! Du wirst viel Ruhe des Geistes haben, Fähigkeiten des Geistes entwickeln und du wirst Offenheit haben. Dein Geist wird wach und aktiv gehalten bis ins hohe Alter. Du kannst auch im fortgeschrittenem Alter viel Gutes bewirken.

Das verspricht uns Svatmarama hier mit diesen Versen.

Du kannst jeden Tag offen und bereit sein, Neues zu lernen. Du kannst dir jeden Tag bewusst sein, durch mich will sich einiges Gutes manifestieren.

Frage dich, was habe ich heute bewirkt? Was will ich heute bewirken? Das hält deinen Geist jung. Übe Pranayama!

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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