- Vers
प्राणायामेन युक्तेन सर्वरोगक्षयो भवेत् ।
अयुक्ताभ्यासयोगेन सर्वरोगसमुद्गमः ॥१६॥
prāṇāyāmena yuktena sarva-roga-kṣayo bhavet… ayuktābhyāsa-yogena sarva-roga-samudgamaḥ
prāṇa-āyāmena : Atemzügelung; yuktena : durch angemessene, richtige; arva : jeglicher; roga : Krankheit; kṣayaḥ : (die) Vernichtung; bhavet : kommt zustande, wird sein; ayukta : unangemessen(er); abhyāsa : Übung(spraktiken); yogena : durch die Anwendung; sarva : sämtlicher; roga : Krankheiten; samudgamaḥ : (das) Entstehen, Erscheinen)
Durch geeignete Atemübungen (Pranayama) wird die Zerstörung aller Krankheiten bewirkt. | Ungeeignete Praxis hingegen bewirkt eine Verstärkung.
Svatmarama schreibt:
Durch einen missverstandenen Yogalehrgang zieht der Yogi allerlei Beschwerden an sich. In dem Vers steht, dass Prana angemessen, yuktena, ausgeführt wird. Diese Ausführung erfolgt durch Nahrung, Asana und Meditation, verbunden mit der richtigen Einstellung. Dann wird der Mensch sharya. Es kommt zur Vernichtung, jeglicher Roga, alle Krankheiten verschwinden.
Pranayama kann alle Arten von Krankheiten überwinden. Umgekehrt bedeutet dies: Beim Üben von Arjukta Abiasa, eine unangemessene Form der Praxis, können alle möglichen Krankheiten in Erscheinung treten. Das ist sarmudgamah sarvarogaika, Krankheiten aller Art betreffend.
Übe Pranayama richtig. Pranayama sollte nicht einfach von Büchern erlernt werden. Das ist nicht zu raten. Mit Videos kann das Lernen erleichtert werden.
Wir haben den Atemkurs für Anfänger und für die Mittelstufe als mehrwöchigen Videokurs auf unseren Internetseiten. Das sind Kurse mit denen du gut Pranayama lernen kannst. Trotzdem ist es besser, bei einer Yogalehrerin, einem Yogalehrer direkt zu lernen. Der Lehrer oder die Lehrerin kann dich durch die intensiven verschiedenen Erfahrungen begleiten, die beim Pranayama auftreten. Svatmarama möchte sagen, lerne es richtig und übe es in einer korrekten Form aus.
- Vers
हिक्का श्वासश्च कासश्च शिरःकर्णाक्षिवेदनाः ।
भवन्ति विविधाः रोगाः पवनस्य प्रकोपतः ॥१७॥
hikkā śvāsaś ca kāsaś ca śiraḥ-karṇākṣi-vedanāḥ… bhavanti vividhāḥ rogāḥ pavanasya prakopataḥ
hikkā : Schluckauf; śvāsaḥ : Asthma; ca : und; kāsaḥ : Husten; ca : und; śiras : Kopf; karṇa : Ohren; akṣi : Augen; vedanāḥ : Schmerzen; bhavanti : entstehen; vividhāḥ : (die) verschiedentlichsten; rogāḥ : Krankheiten; pavanasya : des Atems (“Windes”, Pavana, aus ayurvedischer Sicht ist der Dosha Vata gemeint); prakopataḥ : aufgrund einer Reizung, Übererregung
Schluckauf, Asthma und Bronchitis, sowie Kopf-, Ohr- und Augenschmerzen, | Verschiedene Krankheiten entstehen durch ein Ungleichgewicht des Atems.
Durch ein falsches Verfahren im Pranayama wird der Atem verschlechtert, und von daher können Husten, Asthma und Schmerzen im Kopf, an Augen und Ohren entstehen, und verschiedene andere Beschwerden.
Bei einem falschen Üben von Kapalabhati, indem eine nicht korrekte Ausführung der Atmung erfolgt, bei der anders geatmet wird als vorgegeben, anstatt mit dem Bauch zu atmen, können Beschwerden entstehen. Das gleiche ist bei Bhastrika der Fall. Wenn du diese Atemübung falsch praktizierst, vielleicht die Stimmritzen gereizt werden oder die Nase verstopft ist und ein Überdruck in den Ohren und Augen entsteht, könnten Schwierigkeiten in Erscheinung treten.
Mir ist nicht bekannt, dass durch Pranayama jemand geschädigt worden ist. In der Theorie wäre es möglich. Möglicherweise schreibt Svatmarama in einer übertriebenen Form. Eine Übertreibung verwendet er, damit du es richtig lernst. Vermutlich ist die größte Gefahr beim Pranayama, dass du wenig Wirkung verspürst. Deshalb sollte es besser von einem Lehrer gelehrt werden. Anders verhält es sich bei der fortgeschrittenen Praxis. Dort ist es wichtig, die Pranayamapraxis mit Asanas, einer gesunden Ernährung und mit Meditation zu üben, um eine gute Wirkung zu erlangen.
- Vers
युक्तं युक्तं त्यजेद्वायुं युक्तं युक्तं च पूरयेत् ।
युक्तं युक्तं च बध्नीयादेवं सिद्धिमवाप्नुयात् ॥१८॥
yuktaṁ yuktaṁ tyajed vāyuṁ yuktaṁ yuktaṁ ca pūrayet… yuktaṁ yuktaṁ ca badhnīyād evaṁ siddhim avāpnuyāt
yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; tyajet : man entlasse; vāyuṁ : (den) Atem („Wind“); yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; ca : und; pūrayet : man atme ein; yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; ca : und; badhnīyāt* : man halte an („binde fest“); evaṁ : so, auf diese Weise; siddhim : Vollkommenheit, Erfolg; avāpnuyāt : man kann erreichen
Der Yogi soll den Atem geübt ausatmen und einatmen, | und er soll geübt den Atem anhalten. So erreicht er wahrlich übernatürliche Fertigkeiten.
*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass das „Atem anhalten“ (kumbh) auch mit dem Setzen von Jalandhara Bandha und den anderen Bandhas verbunden (Yukta) ist: jālandhara-bandhādi-yuktaṃ badhnīyāt kumbhayet.
Svatmarama schreibt Yuktam Yuktam. Man sollte doppelt angemessen üben. Es ist wichtig angemessen einzuatmen, angemessen wieder auszuatmen und angemessen anzuhalten.
Und so (awab nuyat) erreicht man siddhi, eine Vollkommenheit und Erfolg.
Das Wort Siddhi in der Mehrzahl steht oft für übernatürliche Kräfte. Siddhi in der Einzahl heißt Erfolg, beziehungsweise Gottverwirklichung. Das heißt, das richtige Maß zu finden ist wichtig. Weder zu viel, noch zu wenig ist der Rat. Die meisten westlichen Aspiranten üben eher zu wenig als zu viel. Diese Tatsache gilt auch für Pranayama.
Es gilt, genau den Rhythmus zu finden, der der richtige ist. Manche Menschen denken, es wirkt mehr, wenn ich langsamer einatme, anhalte und ausatme. Wenn der langsame Rhythmus der Wechselatmung bedeutet, dass du über deine Grenzen hinausgehen würdest, ist es nicht so wirkungsvoll. Gerade bei der Wechselatmung ist die Grenzgeschwindigkeit die Beste. Dies ist der Rhythmus der so langsam ist, wie er gerade noch angenehm ist. Wenn das für dich 4:16:8 ist, dann ist das für dich optimal. Wenn es 6:24:12 ist, dann übe nach diesem Rhythmus. Wenn du 8:32:16 üben kannst, ist dies deine Vorgehensweise zum Üben.
Mache den Rhythmus in der Wechselatmung so langsam, wie es gerade noch angenehm ist. Die meisten Menschen ändern ihren Rhythmus während der Pranayama Sitzung. Manchen Menschen fällt es leichter den Rhythmus am Anfang langsam zu halten. Viele beginnen mit 8:32:16. Nach 10 Minuten wird der Rhythmus beschleunigt auf 6:24:12.
Es kann auch anders herum sein. Dann wird der Rhythmus nach 15 Minuten verlangsamt. Bei Yoga Vidya im Anfänger Pranayama fangen wir meistens bei einem sanften Rhythmus an, den alle Teilnehmer folgen können. Beim fortgeschrittenen Pranayama verlangsamen wir schrittweise und hoffen dass die, für die es zu langsam wird, im eigenen Rhythmus fortschreiten. Andere bevorzugen beim eigenständigen Üben erst den langsameren Rhythmus und nachher werden sie etwas schneller. Die optimale Wirkung erreichst du bei einem Rhythmus, in dem du genau das Feld 1:4:2 einhalten kannst und so langsam, ist wie es gerade noch möglich und angenehm ist. So erlangst du die volle Herrschaft über das Prana.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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