- Vers
बद्धपद्मासनो योगी प्राणं चन्द्रेण पूरयेत् ।
धारयित्वा यथाशक्ति भूयः सूर्येण रेचयेत् ॥७॥
baddha-padmāsano yogī prāṇaṁ candreṇa pūrayet… dhārayitvā yathā-śakti bhūyaḥ sūryeṇa recayet
baddha* : (der) eingenommen („gebunden“) hat; padma-āsanaḥ : (den) Lotussitz; yogī : (der) Yogi; prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch); pūrayet : soll einatmen; dhārayitvā : nachdem er (den Atem) angehalten hat; yathā-śakti : nach Vermögen („wie es in seiner Macht steht“); bhūyaḥ : wieder; sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch); recayet : soll ausatmen
Der Yogi, der den Lotussitz (Padmasana) eingenommen hat, soll durch das linke Nasenloch (Chandra) die Lebensenergie (Prana) einatmen, | und nach dem Anhalten entsprechend der eigenen Kraft, soll der Yogi durch das rechte Nasenloch (Surya) wieder ausatmen.
*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda analysiert das adjektivische Kompositum (Bahuvrihi) baddha-padmāsanaḥ mit baddhaṁ padmāsanaṁ yena, d.h. „von dem (yena) der Lotussitz (Padmasana) eingenommen wurde (Baddha)“. Es handelt sich hierbei nicht um den sogenannten „gebundenen Lotussitz“ (Baddha Padmasana), in dem die hinter dem Rücken gekreuzten Arme bzw. Hände die großen Zehen festhalten.
Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 30 behandelt.
Was ist die Wechselatmung?
Wozu ist sie gut?
Wie viel Wechselatmung sollte man üben?
Über diese Fragestellungen schreibt Svatmarama im 2. Kapitel der Hatha Yoga-Pradipika ab dem 7. Vers.
Svatmarama sagt:
„baddha-padmāsano yogī prāṇaṁ candreṇa pūrayet
dhārayitvā yathā-śakti bhūyaḥ sūryeṇa recayet.“
Nachdem der Yogi die „Padmāsano-Stellung“ eingenommen hat, sollte er Prana durch das linke Nasenloch (Ida, bzw. Chandra) einatmen und nach dem Anhalten entsprechend der eigenen Kraft, durch das rechte Nasenloch (Pingala) Surya wieder ausatmen.
Hier beschreibt er den ersten Teil der Wechselatmung. Die einzelnen Sanskritworte haben eine große Bedeutung.
Zunächst gilt es Baddha einzunehmen, padma-āsanaḥ (Padmasana), den Lotussitz.
Bevorzuge, wenn möglich den Lotussitz. Bei dieser Sitzhaltung ist der eine Fuß auf einem Oberschenkel und der andere Fuß befindet sich auf dem anderen Oberschenkel. Wenn Du den Lotussitz nicht machen kannst, wähle eine andere kreuzbeinige Stellung oder eine Sitzhaltung mit geradem Rücken. Der Lotussitz ist besonders gut für die Wechselatmung geeignet, weil die Fersen sich links und rechts vorne am Bauch befinden. An dieser Stelle liegen Ida und Pingala, die beiden Energiekanäle, die durch die Wechselatmung gereinigt werden. Die genaue Lage dieser beiden Energiekanäle wäre eigentlich links und rechts neben der Wirbelsäule hinten. Allerdings besteht eine Korrelation durch zwei Energiekanäle, die vorne entlang verlaufen auf der linken und rechten Seite. Diese werden durch den Lotussitz harmonisiert.
Das Einatmen geschieht durch Chandra. Chandra heißt Mond und damit ist der Mondkanal gemeint, der zudem als Ida bezeichnet wird.
Wir befinden uns im linken Nasenloch. Du atmest links ein. Dabei atmest du nicht wirklich nur Luft ein. Du atmest Prana ein. Mit dieser Atemtechnik nimmt du neue Lebensenergie auf. Er stellt hier die Frage: „Was sollte man einatmen?“ Die Antwort darauf ist: „Prana, die Lebensenergie. Durch Chandra, durch den Idakanal, den Mondnadi.“
Es folgt das Anhalten der Atmung: hārayitvā. Dies sagt er mit yathā-śakti ( Yathashakti). Die Anhaltephase erfolgt „so lange, wie es der Shakti, dem eigenen Vermögen entspricht.“ Man hält die Luft so lange an, wie man es kann.
Bhūyaḥ wird mit „als nächstes folgt“, „darauffolgend“ oder „anschließend“ (Bhuyas) übersetzt. Im Anschluss geschieht demnach das Ausatmen. Dies sagt er mit „recayet“. Die Ausatmung geschieht durch Suryanadi, den Sonnenkanal.
Rechaca ist das Ausatmen. Die Entleerung der Lunge ist hier gemeint. Puraka heißt Einatmen. Das Einatmen, Puraka, erfolgt durch Chandra, den Mondkanal.
Was atmest Du ein? Du atmest Prana, die Lebensenergie ein.
Dann hältst du das eingeatmete Prana an, dhārayitvā. Dies geschieht so lange, wie es dir möglich ist, yathā-śakti.
Es folgt die Ausatmung, Rechaca, durch Surya, das rechte Nasenloch.
- Vers
प्राणं सूर्येण चाकृष्य पूरयेदुदरं शनैः ।
विधिवत्कुम्भकं कृत्वा पुनश्चन्द्रेण रेचयेत् ॥८॥
prāṇaṁ sūryeṇa cākṛṣya pūrayed udaraṁ śanaiḥ… idhi-vat kumbhakaṁ kṛtvā punaś candreṇa recayet
prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch); ca : und; ākṛṣya : ziehend; pūrayet : (er) soll anfüllen; udaraṁ : (den) Bauch; śanaiḥ : langsam, allmählich; vidhi-vat : vorschriftsgemäß, der Anweisung entsprechend; kumbhakaṁ : die Atemverhaltung; kṛtvā : nachdem er ausgeführt hat; punar : wieder; candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch); recayet : (er) soll ausatmen
Und wenn die (Prana) das rechte Nasenloch wieder hineingezogen ist, soll der Yogi langsam den Bauch füllen. | Nachdem der Atem lange angehalten wurde (Kumbhaka), soll durch das linke Nasenloch (Chandra) wieder ausgeatmet werden.
Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 40 behandelt.
Nachdem der Yogi Prana wieder durch Pingala eingeatmet hat, sollte er Kumbaka ausführen, wie es in den Büchern dargelegt ist. Darauf folgt eine langsame Ausatmung durch Ida.
Er sagt: Prana sollte durch Surya, den Sonnenkanal, eingeatmet werden. Es handelt sich hier um Pingala, das rechte Nasenloch. Pingala ist nicht nur einfach das rechte Nasenloch, sondern der Energiekanal.
Du kannst Dir vorstellen, wenn Du rechts einatmest, dass die Energie durch deine rechte Körperhälfte nach unten geht. Das ist ähnlich, wie beim Einatmen auf der linken Seite. Wenn Du links einatmest, kannst du dir Ida-Nadi, Chandra-Nadi, vorstellen. Das Prana fließt auf der linken Seite nach unten.
Mit dieser Technik soll „ākṛṣya“, das Prana, durch Surya gezogen werden. Udara, der Bauch, wird gefüllt. Im Anschluss wird die Luft angehalten und zwar vidhi-vat, vorschriftsgemäß, der Anweisung entsprechend.
Es gibt viele Weisen, wie du die Luft anhalten kannst. Fortgeschrittene werden die Luft zusammen mit den drei Bhandas, Mula-Banda, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha, anhalten. Weniger Fortgeschrittene werden einfach ruhig sitzen bleiben und die Wirbelsäule aufrecht halten. Dabei sind der Bauch, die Brust, die Schultern und das Gesicht entspannt.
Anschließend atmet man, punar, das Prana durch Chandra, den Mondkanal, links wieder aus.
- Vers
येन त्यजेत् तेन पीत्वा धारयेद् अतिरोधतः ।
रेचयेच् च ततोऽन्येन शनैर् एव न वेगतः ॥९॥
yena tyajet tena pītvā dhārayed atirodhataḥ… recayec ca tato’nyena śanair eva na vegataḥ
yena : durch welches (Nasenloch; tyajet : (er den Atem) entlässt; tena : durch das(selbe); pītvā : eingeatmet habend (den Atem „eingesaugt habend“); dhārayet : halte (er den Atem) an; ati-rodhataḥ : solange wie möglich („bis zum äußersten Grad des Anhaltens“); recayet : (er) soll ausatmen; ca : und; tataḥ : danach; anyena : durch das andere (Nasenloch); śanais : langsam, allmählich; eva : nur, ganz; na : nicht; vegataḥ : ruckartig
Nachdem der Yogi durch dasselbe Nasenoch eingeatmet hat, durch das ausgeatmet wurde, soll er den Atem maximal lang anhalten. | Und dann soll der Yogi durch das andere Nasenloch sehr langsam und kontrolliert ausatmen.
Man sollte Puraka durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem man vorher Rechaka ausgeführt hat.
Es geht zunächst darum, Puraka zu üben. Puraka ist Einatmung und die sollte man durch das gleiche Nasenloch üben mit dem man vorher Rechaka geübt hat. Zunächst sollte der Yogi ausatmen durch das Nasenloch und dann durch das gleiche Nasenloch wieder einatmen. Dann wird die Luft angehalten und durch das andere Nasenloch wieder ausgeatmet.
Das ist die Wechselatmung, die er in diesem Vers beschreibt.
Man möge Puraka, die Einatmung, durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem vorher Rechaka, die Ausatmung, ausgeführt wurde. Nachdem man den Atem bis aufs Äußerste angehalten hat, bis der Yogi mit Schweiß bedeckt ist oder bis sein Körper zittert, sollte der Übende langsam ausatmen. Die Ausatmung sollte niemals schnell erfolgen, da das die Energie des Körpers verringern würde.
Hier finden wir wieder unterschiedliche Inhalte in den Ausgaben der Hatha Yoga-Pradipika. In der, welche Swami Vishnudevananda herangezogen hat, steht das noch mit Schweiß und Erzittern ausgeatmet werden sollte. In einer anderen Version fehlen diese letzten beiden Sätze.
An dieser Stelle kommt etwas Interessantes hinzu: Zunächst beschreibt er technisch die Vorgehensweise der Wechselatmung: links einatmen, anhalten, rechts aus, rechts ein, anhalten und links ausatmen.
Weiterhin wird es aber nicht nur technisch beschrieben. Er verwendet weitere Ausdrücke. Für Ida kommt das Mond-Nadi und für Pingala, das Sonnen-Nadi, hinzu. Es handelt sich nicht nur alleine um den Atmen, sondern um Prana, die Lebensenergie. Es wird an dieser Stelle subtiler.
Dann sagt er, man soll diese Pranayamas üben bis Schweiß entsteht. Eine der typischen Reinigungserfahrungen beim Pranayama ist Schwitzen und Hitze. Eine zweite Reinigungserfahrung ist das Erzittern des Körpers. Das ist etwas Gutes und sollte immer wieder durchgeführt werden.
Der Atemrhythmus sollte so gewählt werden, dass gerade die Ausatmung langsam bleibt. Normalerweise sagen wir, der Rhythmus sollte 1:4:2 sein: 4 Sekunden einatmen – 16 anhalten – 8 ausatmen.
Bei Anfängern beginnt man mit einem Rhythmus von: 4 einatmen – 4 anhalten – 8 ausatmen, 4 ein – 4 an – 8 ausatmen. Dann geht man irgendwann über auf den Rhythmus von: 4-8-8, 4-8-8. Eine weitere Steigerung erfolgt auf: 4-12-8. Irgendwann sind wir beim Rhythmus von: 4-16-8.
Anschließend kann man es verlangsamen auf: 5-20-10, 6 Sekunden einatmen, 24 Sekunden anhalten, 12 ausatmen. Wenn Du regelmäßig übst und eine Fähigkeit deines Körpers entwickelt hast, dass sich das Atemsystem ausreichend anpassen kann, sollte es dir gelingen, auf einen Rhythmus von: 8-32-16 zu kommen. Manchen Menschen gelingt es sogar einen Rhythmus von: 16-64-3 zu entwickeln.
In der Zeit, in der ich sehr viel Pranayama geübt habe, konnte ich tatsächlich 16 Sekunden die Luft einatmen, 64 anhalten und 32 ausatmen. Eine Runde Wechselatmung bei links einatmen-anhalten-rechts aus-rechts ein-anhalten-links aus, hat dann knapp vier Minuten gedauert.
Die Dauer hat auch eine Auswirkung auf das Üben. Svatmarama geht auf dieses Thema ab dem 11. Vers ein.
Du solltest gemäß deiner Fähigkeiten üben und nicht übertreiben. Wenn du viel übst, entstehen Reinigungserfahrung von Schwitzen, Hitze und auch Erzittern. Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, dass diese Erscheinungen etwas Schlimmes sein könnten. Freue dich über diese Symptome. Sie sind ein Zeichen der Reinigung der Nadis.
- Vers
प्राणं चेदिडया पिबेन्नियमितं भूयोऽन्यथा रेचयेत्
पीत्वा पिङ्गलया समीरणमथो बद्ध्वा त्यजेद्वामया ।
सूर्यचन्द्रमसोरनेन विधिनाभ्यासं सदा तन्वतां
शुद्धा नाडिगणा भवन्ति यमिनां मासत्रयादूर्ध्वतः ॥१०॥
prāṇaṁ ced iḍayā piben niyamitaṁ bhūyo’nyayā recayet
pītvā piṅgalayā samīraṇam atho baddhvā tyajed vāmayā… sūrya-candramasor anena vidhinābhyāsaṁ sadā tanvatāṁ
śuddhā nāḍi-gaṇā bhavanti yamināṁ māsa-trayād ūrdhvataḥ
prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; ced : wenn; iḍayā : durch Ida (den Mondkanal, das linke Nasenloch); pibet : man einatmet (den Atem “einsaugt”); niyamitaṁ : den (bei gefüllter Lunge) angehaltenen (Atem, ni + yam); bhūyas : wieder; anyayā : durch den anderen (Kanal, das andere Nasenloch); recayet : man soll ausatmen; pītvā : nachdem man eingeatmet hat (“eingesaugt” hat); piṅgalayā : durch Pingala (den Sonnenkanal, das rechte Nasenloch); samīraṇam : (den) Atem („Wind“); atha u : nun, dann; baddhvā : nachdem man angehalten hat; tyajet : man entlasse (ihn); vāmayā : durch den linken (Kanal, das linke Nasenloch); sūrya : (durch den) Sonnen; candramasoḥ : (und) Mond(kanal); anena : auf diese; vidhinā : Art (und Weise); abhyāsaṁ : (diese) Übung(spraxis); sadā : stets, immer; tanvatāṁ : ausführenden („ausbreitenden“); śuddhāḥ : rein; nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; gaṇāḥ : (die) Scharen; bhavanti : werden; yamināṁ: der sich zügelnden (Yogis); māsa : Monat(en); trayāt : drei („einer Dreiheit von“); ūrdhvataḥ : nach
Wenn der Yogi die Lebensenergie (Prana) durch den linken Energiekanal (Ida-Nadi) aufgenommen hat, angehalten hat, soll durch er durch den anderen wieder ausgeatmen. Hat der Yogi durch den rechten Energiekanal (Pingala-Nadi) eingeatmet, den Atem angehalten, soll der durch den linken loslassen. | Der Yogi soll auf diese Weise mit Sonne und Mond seine Praxis fortsetzen. Die Energiekanäle (Nadi) des Yogi werden so nach drei Monaten gereinigt.
Ziehe das Prana durch Ida ein, halte es an und atme es durch Pingala aus. Wiederum ziehe es durch Pingala ein, halte an und atme dann durch Ida aus. Der Yogi, der sich vervollkommen hat durch das Praktizieren von Pranayama, durch rechts und links, bekommt seine Nadis in nicht weniger als drei Monaten gereinigt.
Übe dieses Pranayama jeden Tag. Der Zeitraum von drei Monaten ist eine gewisse magische Zahl.
Ich empfehle gerne: habe eine sattwige Ernährung, verzichte auf Fleisch, Fisch, Alkohol, Drogen und Tabak. Halte einen entsprechenden sattwigen Lebensstil. Übe jeden Tag eine halbe Stunde Asanas, drei Runden Kapalabhati, 20 Minuten Wechselatmung, 20 Minuten Meditation und lese ein paar Sätze aus einer der heiligen Schriften.
Das dauert etwa insgesamt 1 ½ Stunden jeden Tag. Wenn du das jeden Tag machst, wirst du nach drei Monaten feststellen, es stellt sich ein Sattwa ein. Eine Reinheit, eine Leichtigkeit und eine Freude kommt in dir auf. Deine Nadis werden gereinigt. Hier findest du einige wichtige Inspirationen für deine tägliche Praxis. Es ist ein Anreiz, dass du wirklich täglich übst.
In den nächsten Versen beschreibt er, wie eine besonders intensive Form des Pranayama aussieht.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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