1. Vers

प्राणायामं ततः कुर्यान् नित्यं सात्त्विकया धिया
यथा सुषुम्णानाडीस्था मलाः शुद्धिं प्रयान्ति ॥६॥

prāṇāyāmaṁ tataḥ kuryān nityaṁ sāttvikayā dhiyā… yathā suṣumṇā-nāḍī-sthā malāḥ śuddhiṁ prayānti ca

prāṇa-āyāmaṁ : Atemzügelung; tataḥ : daher, deshalb; kuryāt : man soll praktizieren; nityaṁ : stets; sāttvikayā* : mit reinem („von der Qualität Sattva beherrschtem“); dhiyā* : Geist, Denken, Sinn; yathā : damit, sodass; suṣumṇā : (der) Sushumna (genannt wird); nāḍī-sthā : (die) sich befinden (in dem Energie-)Kanal; malāḥ : (die) Verunreinigungen; śuddhiṁ : (in die) Reinheit; prayānti : verschwinden; ca : und

Deshalb soll man Atemübungen (Pranayama) immer mit reinen Gedanken praktizieren | so dass die im Haupt-Energiekanal (Sushumna-Nadi) befindlichen Unreinheiten Reinigung erreichen.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert einen „sattvischen Geist“ (sāttvikayā dhiyā) als einen, der den Charakter (Shila) des Lichts (Prakasha) und der ungetrübten Reinheit (Prasada) besitzt: sāttvikayā prakāśa-prasāda-śīlayā dhiyā.

 

Die Bedeutung des 6. Verses

Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren in dem das sattwige Element maßgebend ist bis die Sushumna Nadi von den Unreinheiten befreit ist. Thatta: man sollte Pranayama üben. Wie sollt dies erfolgen? Nittya sattwikaya: stets mit einem reinen Geist der erfüllt ist mit sattwa.

 

Üben und geistige Anwesenheit

Sattwa bedeutet Reinheit. sattwika ist der reine Geist. Wenn du deine Nadis reinigen willst, musst du deinen Geist rein halten. Man kann sagen, dieser Vers ist ein Generalvers:

Wenn du Pranayama übst, ist die geistige Konzentration wichtig. Es geht nicht um ein schnelles Ein- und Ausatmen mit dem Luftanhalten im Anschluss, wie du es bei Kapalabhati, der Schnellatmung, übst. Es nützt nichts, wenn du die Wechselatmung übst und dabei Fernsehen schaust. Das Üben von Asanas währenddessen du einen Filme siehst, bringt keinen Erfolg. Es ist wichtig, den Geist mit sattwa zu füllen.

 

Eine sattwige Konzentration beim Pranayama

Es gibt viele verschiedene Konzentrationsweisen beim Pranayama. Du kannst ein Mantra wiederholen und  Licht visualisieren. Du kannst Pranayama mit einer Chakrakonzentration üben, indem du dir in deinem Geist die verschiedenen Chakras vorstellst. In deiner Vorstellung kannst du einen Meister erscheinen lassen, der dich segnet während du Pranayama übst. Du kannst dir dein Ishvar Devata, deinen Zugang zum Göttlichen vorstellen. Du kannst ein Gebet sprechen. Du kannst versuchen, deine Energie bewusst zu lenken. Das Prana kann in deiner Vorstellung als ein Licht auftreten. Lenke dieses Licht an Stellen in deinem Körper, die Licht benötigen. Du kannst verschiedene Atembewusstseinsübungen machen und dein Bewusstsein in verschiedene psychoaktive Zonen im Körper lenken. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der Konzentration. Du kannst auch einfach den Atem spüren. Welche Übungen du in deine Pranayamapraxis mit einfließen lässt, mache diese entsprechend, dass dein Geist sattwig wird. Halte deinen Geist rein.

Mit diesen Vorstellungen und Übungen solltest du Pranayama machen. Übe so lange bis die Sushumna und die Nadis von allen Unreinheiten befreit sind. Somit kann Shuddi entstehen. Wenn die Sushumna und die Nadis von allen Unreinheiten befreit sind, bist du in Samadhi. Auch in diesem Zustand solltest du nicht aufhören Pranayama zu üben.

Swami Sivananda war ein großer Yogameister, der in seinen fortgeschrittenen Jahren weiterhin eine Stunde Pranayama geübt hat, nach der Beschreibung einer seiner Assistenten, Swami Venkateshananda.

 

Geschichten zum Pranayama

Einmal hat ein Besucher Swami Sivananda, der als selbstverwirklichter Yogameister kein Pranayama mehr gebraucht hätte, gefragt: „Meister, du hast so viel zu tun, warum verbringst du dann eine Stunde am Tag mit Pranayama?“

Swami Sivananda antwortete nur: „Deshalb!“

Dieses Aussage bedeutet: Weil er so viel zu tun hatte, brauchte er alles Prana. Selbst als Erleuchteter ist es sinnvoll, Pranayama zu üben. Wenn man viel zu tun hat, ist das Fortfahren der Atemübungen weiterhin ratsam. Pranayama zu üben heißt, dass du viel Prana hast, um viel zu bewirken. Übe daher Pranayama!

 

______

Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

E-Mail an mich, wenn Personen einen Kommentar hinterlassen –

Sie müssen Mitglied von Yoga Vidya Community - Forum für Yoga, Meditation und Ayurveda sein, um Kommentare hinzuzufügen.

Bei Yoga Vidya Community - Forum für Yoga, Meditation und Ayurveda dabei sein