9. Vers
अशेषतापतप्तानां समाश्रयमठो हठः ।
अशेषयोगयुक्तानाम् आधारकमठो हठः ॥१०॥
aśeṣa-tāpa-taptānāṁ samāśraya-maṭho haṭhaḥ… aśeṣa-yoga-yuktānām ādhāra-kamaṭho haṭhaḥ
aśeṣa : (von) allen, sämtlichen; tāpa : Leiden, Qualen; taptānāṁ : für diejenigen, die gepeinigt werden; samāśraya : (die) Zuflucht (gewährt,); maṭhaḥ : (eine) Hütte, Einsiedelei; haṭhaḥ : (ist) Hatha; aśeṣa : vollkommen, vollständig, sämtliche; yoga : (im) Yoga, (in der) Yogapraxis; oder: in (sämtlichen) Yogapraktiken; yuktānām : für diejenigen, die beschäftigt sind („konzentriert sind“), ādhāra : (die eine) Stütze, feste Grundlage; kamaṭhaḥ : (wie eine) Schildkröte; haṭhaḥ : (ist) Hatha
Für die, die durch Leiden geplagt werden, ist das Hatha-Yoga die Herberge, die Zuflucht gibt. | Für die, die im Zustand des Yoga verweilen, ist Hatha-Yoga die unterstützende Schildkröte.
Hier wird auf die Schildkröte Bezug genommen. Die Schildkröte trägt die ganze Welt. Man kann sagen, dass Hatha Yoga eine Grundlage für alle anderen spirituellen Praktiken ist. Hatha Yoga ist eine vollständige Yogapraxis für sich. Mit Hatha Yoga allein kannst du die Gottverwirklichung erreichen.
Svatmarama sagt: Hatha Yoga ist eine gute Grundlage für alle anderen spirituellen Systeme. In einem vorherigen Vers hat er gesagt, dass Hatha Yoga gut für alle Menschen aller Weltanschauungen ist . Hatha Yoga ist weltanschauungsübergreifend. Es ist eine gute Grundlage für alle anderen Yoga Wege.
Egal, ob du buddhistische Meditation übst, eine christliche Kontemplation hast, eine koreanische Spiritualität, vom japanischen Zen geprägt bist oder dem moslemischen Sufismus angehörst: Hatha Yoga ist eine gute Grundlage für alles andere. Es heißt daher, Hatha Yoga ist wie die Schildkröte, die die Welt trägt.
Worauf gründet sich dieser Mythos der Schildkröte?
Der Mythos der Schildkröte ist einer der Grundmythen, die den Mythos vom Quirlen des Milchozeans beinhaltet. Darüber gibt es mehrere Variationen.
Man kann sagen, der Mythos vom Quirlen des Milchozeans ist einer der zentralen Mythen der indischen Mythologie.
Es folgt eine Erzählung von den zahlreichen Varianten:
Vor langer, langer Zeit gab es die Devas und die Asuras. Die Devas, die Engelswesen, oft die Götter genannt, waren die Guten. Die Suras, waren die, welche das Gute bewirken wollen. Die Asuras waren die Unguten, diejenigen, denen es um Macht und Vergnügen ging.
Die Devas und die Asuras haben immer wieder gekämpft. Irgendwann dachten sie: Wir sollten mal etwas zusammen machen. Statt uns immer wieder zu bekämpfen, wäre es viel klüger, wir würden gemeinsam etwas machen. Sie haben sich verabredet, den Milchozean zu quirlen.
Sie nahmen Meru, den Weltenberg, und gaben diesen Weltenberg in die Mitte des Milchozeans. Sie nahmen Ananta, die Weltenschlange, und wickelten sie um den Meru herum. Dann zogen die Devas an einen Ende und die Asuras am anderen. Wechselseitig wurde der Meru in die eine Richtung gequirlt und dann in die andere.
Eine Weile funktionierte das gut. Dann drohte Meru, der Weltenberg, am Grunde des Ozeans zu versinken. Die Devas und die Asuras waren sehr besorgt und sie beteten zu Vishnu.
Vishnu, in seinem unendlichen Mitgefühl, manifestierte sich als Kurma, als Schildkröte (Kurma Avatar, die Inkarnation als Schildkröte). Diese Schildkröte schwamm an den Grund des Ozeans. Die Devas und Asuras legten den Meru auf die Schildkröte. So hatte der Berg eine gute Basis. Die Devas und Asuras konnten fortfahren, den Milchozean zu quirlen.
Nach einer Weile kamen wunderschöne Dinge aus dem Ozean heraus: Es erschien der weiße Elefant Airavata, den Indra nahm. Es kamen Gold, Geschmeide und Edelsteine heraus. Lakshmi kam hervor und gab viele wunderbare Dinge. Diese wurden auf die Devas und die Asuras aufgeteilt .
Die Devas und Asuras wollten den Nektar der Unsterblichkeit haben. Sie gaben sich nicht nur mit diesen schönen Kostbarkeiten zufrieden. Sie quirlten weiter und plötzlich entstand das furchtbare Gift Halahala. Dieses Gift färbte den ganzen Ozean dunkel und drohte die ganze Welt zu vernichten.
Die Devas und die Asuras beteten zu Shiva. Daraufhin manifestierte sich Shiva. Er nahm die gesamte Menge Halahala in seine Hände und schluckte dieses Gift. Das Gift, das die ganze Welt vernichtet hätte, färbte Shivas Kehle blau. Seitdem wird Shiva als Nilakanta bezeichnet, „der mit der blauen Kehle“. Shiva neutralisierte das gesamte Gift.
Die Devas und Asuras quirlten immer weiter. Irgendwann kam der Pott mit dem Nektar der Unsterblichkeit. Vishnu manifestierte sich als Mohini, welche den Nektar hatte. Sie teile den Nektar weiter an Danvantari aus, den Heilgott. Danvantari gab den Nektar der Unsterblichkeit in alle Ayurveda Heilmittel und letztlich in die Kraft des Hatha Yoga.
Dieser Schildkrötenmythos ist eine der vielen Variationen des Mythos vom Milchozean.
Es folgten weitere Geschichten, wie die Devas und die Asuras sich um den Nektar stritten. Es gibt die Geschichte, wie Vishnu den Nektar nahm und den Devas gab. Eine weitere Geschichte besagt, wie ein Dämon ein paar Tropfen des Nektars bekommen hat. Andere Geschichten handeln davon, wie ein paar Tropfen an bestimmte Orte gekommen sind, an denen später die großen Versammlungen stattgefunden haben. Es gibt die Geschichte, wie nach dem Trunk des Nektars Devas und Asuras miteinander verschmolzen sind. Viele verschiedene Endungen beinhalten den Ausgang unterschiedlicher Geschichten.
Was bedeutet diese Geschichte in Bezug auf Hatha Yoga?
Zum einen ist der Berg Meru die Wirbelsäule. Der Milchozean stellt den menschlichen Geist dar. Die Schlange ist die Kundalini. Das Hin- und Herziehen wird mit Ida und Pingala, Ha und Tha, dargestellt. Wenn man die ganzen Yoga Praktiken übt, mal mit großer Intensität (Ha), mal mit großer Entspannung (Tha), quirlt man den Milchozean.
Als Basis werden die Asanas benötigt, welche die Schildkröte darstellt. Diese Schildkröte stellt damit eine Festigkeit dar. Es ist eine Erdung. Nachher entstehen viele wunderbaren Gaben. Wer Hatha Yoga und Kundalini Yoga Praktiken übt, bekommt mehr Prana, mehr Energie, eine bessere Gesundheit,eine bessere Ausstrahlung und bestimmte außergewöhnliche Fähigkeiten. Das sind all diese Kostbarkeiten, die dort entstehen.
Es kann aber auch Gift entstehen. Gifte können innere Reinigungserfahrungen sein und verschiedene Emotionen, in die man hinein rutscht. Es können bestimmte Erinnerungen an die Vergangenheit sein. Ein Gift kann der Stolz sein, den man bekommt. In diesem Fall gilt es zu Shiva zu beten, zu Gott zu beten. Er nimmt einem die Arroganz. Bestimmte Yogaübungen helfen, die inneren entstandenen Gifte, zu reinigen.
Schließlich kommt irgendwann der Nektar der Unsterblichkeit. Zum Teil kann dieser Nektar weitergeben werden als Heilenergie. Dieses bedeutet, dass du über Deva und Asura hinauswächst. Es ist ein Hinauswachsen über alle Dualitäten. Du erfährst die Unsterblichkeit.
Hatha Yoga hilft dir, über alle Arten von Leiden hinaus zuwachsen. Hatha Yoga ist eine gute Grundlage für alle anderen spirituellen Praktiken. Diese Grundlage hilft dir, dass dein ganzes Leben eine gute Basis hat.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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