YVS109 Karma: Gesetz von Ursache und Wirkung

Was ist Karma? Was ist das Gesetz des Karmas? Was sind die drei Phasen des Karmas? Was ist kollektives Karma?  Gibt es richtige und falsche Entscheidungen? Was ist wichtiger, Freiheit oder Determinismus? Wie kannst du mit uneigennützigem Dienen die Bande des Karmas überwinden?

Karma ist eines der Grundkonzepte im Yoga Vedanta System.

Du findest das Karma in ähnlicher Form in anderen Aspekten des Yoga, im Buddhismus, im Taoismus, in der westlichen Esoterik und angedeutet in der Bibel, sowohl in der Thora als auch im neuen Testament sowie in vielen Lehren vieler Kulturen.

Hier geht es besonders um die Yoga Vedanta Richtungen.

Zunächst gibt es das „Gesetz des Karmas“. Dieses besagt, dass alles, was du jetzt erfährst, einen Sinn hat. Alles, was kommt, hilft uns, uns weiterzuentwickeln. Vielleicht erinnerst du dich an die sieben spirituellen Prinzipien, über die es im Rahmen dieser Schulungsreihe Texte gibt. In meinem Buch „Karma und Reinkarnation“ sind sie noch genauer beschrieben. Karma gehört zu diesen spirituellen Prinzipien. Es heißt dort, dass deine Erlebnisse und Erfahrungen dir helfen, zu wachsen. Statt über deine Erlebnisse zu schimpfen, sei dir bewusst, dass das Aufgaben für dich sind. Das Leben ist eine Schule. Ereignisse sind Aufgaben, Schicksal ist Chance.

Als Zweites besagt das Gesetz des Karmas, dass das, was du tust und wie du handelst und mit welchem Motiv du handelst, eine Auswirkung auf das hat, was du zukünftig erfährst. Was jetzt kommt, ist da, damit du wächst. Das ist der Sinn des Karmas. Wie du jetzt handelst, hat eine Auswirkung auf das, was du künftig zusätzlich zu deinen bisherigen Aufgaben bekommst.

Das Gesetz des Karmas ist sehr komplex. Es gibt ein Missverstehen zum Karma und dies ist gerade in Indien verbreitet. Hierbei wird Karma einfach nur als Belohnung und Bestrafung interpretiert nach dem Motto: „Tue ich etwas Gutes, geschieht mir etwas Schönes, und tue ich etwas Böses, geschieht mir etwas Schlechtes. Wenn ich etwas Gutes erhalte, muss ich vorher etwas Gutes getan haben. Wenn ich Leiden erfahre, muss ich etwas Schlechtes getan haben.“

Diese Interpretation des Karmas ist nicht die Interpretation des ganzheitlichen Yoga. Krishna wendet sich in der Bhagavad Gita dagegen, Patanjali wendet sich im Yoga Sutra dagegen. Die alten Yogameister haben schon vor Jahrtausenden immer wieder gesagt, dass sich das Karma nicht darauf beschränkt. Es geht weniger um ein System von Belohnungen und Bestrafungen. Es umfasst das spirituelle Wachsen, sein Leben als Aufgabe zu interpretieren und nicht als ein Belohnungs-Bestrafungs-System. Karma hat mehrere Phasen, um die es im Folgenden geht.

 

Die drei Phasen des Karma

Diese drei Phasen sind: Agami, Sanchita und Prarabdha Karma.

Sanchita ist der Speicher des Karma. Es sind alle zukünftigen Aufgaben, die du erst noch bekommen wirst. Dies ist alles, was du noch erfahren musst.

Prarabdha Karma ist das Karma, das du jetzt empfängst und welches schon begonnen hat, Früchte zu tragen, und was du dann erfahren wirst.

Agami Karma ist das neue von dir jetzt erzeugte Karma mit Gedanken, Worten und Handlungen. Was du jetzt tust, erzeugt neues Karma. Es wartet noch viel Karma auf dich.

 

 

Kollektives Karma

Manchmal kommt die Frage auf: „Gibt es so etwas wie ein kollektives Karma?“ Dies könnte das Karma eines ganzen Landes sein, das Karma einer ganzen Zivilisation. Oder vielleicht das Karma für alle Menschen in einem Flugzeug oder in einem Zug.

Letztlich ist der Begriff des Karma gekoppelt an ein Individuum, welches Erfahrungen macht. Deshalb ist in den indischen Schriften nicht die Rede von einem kollektiven Karma. Es ist vielmehr so, dass jedes Individuum sein Karma erntet. Menschen inkarnieren sich zur gleichen Zeit und gelangen in eine ähnliche Situation, um ihre Lektion auszuarbeiten. Wenn in einem bestimmten Land Katastrophen geschehen, ist das nicht deshalb, weil der entsprechende Staat sich vielleicht vor 100 Jahren falsch verhalten hat, sondern es geschieht, weil Menschen sich aus früheren Leben gesammelt haben, um hier gemeinsames Karma abzuarbeiten. Zumindest dem Yoga Vedanta Begriff des Karma ist so etwas wie Kollektivschuld unbekannt. Im Yoga Vedanta würde es nie heißen, dass es der Fehler eines Volkes ist, wenn dieses leidet. Es gibt stattdessen Individuen, die sich dort aus verschiedenen Gegenden manifestieren, um jetzt gemeinsames Karma abzuarbeiten. 

Wenn viele Menschen etwas gemeinsam erfahren, könnte man von kollektivem Karma sprechen, aber ohne dass dem eine Kollektivschuld eines Landes oder eines Volkes zugrunde liegt.

Letztlich ist es ein interessanter Gedanke im Gesetz des Karma und der Reinkarnation, dass Menschen sich nicht immer wieder in derselben Gegend, derselben Zivilisation inkarnieren.

 

Richtige und falsche Entscheidungen vom Standpunkt des Karmas

Als spiritueller Mensch willst du richtige Entscheidungen treffen. Du willst das Richtige tun. 

Es ging vorher um spirituelle Entscheidungsfindungen. Das ist ein Thema der Bhagavad Gita. Die Beschäftigung mit der Bhagavad Gita und wie man Entscheidungen trifft, wird ein wichtiges Thema in den folgenden Texten sein.

Im Wesentlichen geht es hier darum, zu erkennen, dass richtige Entscheidungen solche Entscheidungen sind, die du triffst, um Gutes zu bewirken. Bete und bitte um Führung. Betrachte alle ethischen Gesichtspunkte und tue dann das, was du aus der Tiefe heraus für das Richtige hältst. Wenn du eine gute Intention hast, Gutes bewirken willst und nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung getroffen hast, war die Entscheidung in jedem Fall richtig. Das Kriterium, ob eine Entscheidung richtig war, ist nicht der Erfolg oder Misserfolg. Du kannst die richtige Entscheidung getroffen haben und nachher geht alles schief. Du solltest vielleicht die Erfahrung des Misserfolges machen, des Scheiterns, des Zusammenbrechens. Damit du diese Erfahrung haben konntest, musstest du die entsprechende Entscheidung treffen. Lass los und treffe die Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen. Lass los, setze die Entscheidung um, und was nachher dabei heraus kommt, liegt nicht mehr in deiner Hand.

Gesetz des Karma – Freiheit oder Determinismus?

Es ist eine der uralten philosophischen Fragen: Haben wir Freiheit oder ist alles vorherbestimmt?

Das Gesetz des Karma zeigt dir einige Gesichtspunkte, die im Folgenden anhand der drei Phasen und der fünf Untergesetze des Karma betrachtet werden.

Determinismus: In einiger Hinsicht sind wir nicht frei. Zum einen haben wir die Lernlektionen, die noch vor uns sind. In diese physische Welt inkarniert zu werden, heißt, es gibt Lektionen zu lernen.

Nehmen wir zum Beispiel ein Kind, das in die Schule kommt, wo es lesen, schreiben, rechnen, etwas über Heimatkunde und anderes lernen soll. Das ist Sanchita Karma. Bestimmte Dinge, die wir erfahren sollen, sind da. Prarabdha Karma, ist das, was wir jetzt erfahren. Es ist bis zu einem gewissen Grad vorherbestimmt. Bestimmte Teile des Sanchita Karma kommen in diesem Leben. Wir müssen sie erfahren. Bei Manchem können wir nichts ändern; es kommt einfach. Wir haben die Freiheit, inwieweit wir Sanchita Karma erzeugen. Wir können gesund leben, und damit schaffen wir neue Wirkungen. Es wird eine Gesundheitswirkung haben. Wir können geschickt und liebevoll mit anderen kommunizieren; das wird eine Wirkung haben. Wir können uns beruflich geschickt engagieren mit einer folgenden Wirkung. Wir können unsere Gedankenkraft nutzen und damit positive Samen säen, die wir später ernten. Wir können mit den Aufgaben des Lebens umgehen, mit dem Wunsch, zu lernen; es ist das Gesetz der Evolution. Wir können dem fünffachen Sinn des Lebens gerecht werden. Das heißt, wir haben die Freiheit, schneller zu lernen. Indem wir schneller lernen, können wir schneller wachsen. Wenn wir einen subtilen Geist haben und bewusst durch die Welt gehen, muss sich manches Prarabdha Karma nicht grobstofflich manifestieren. Es muss sich nicht immer wieder manifestieren. Vielleicht haben wir die Lektion zügiger verstanden.

Wir können auf das Gesetz der Kompensation einwirken, wenn wir wissen, dass wir etwas Falsches mit einer falschen Motivation gemacht haben. Wir können uns dann selbst entscheiden, den Schaden wieder gut zu machen. Wir können es bereuen und durch tätige Nächstenliebe versuchen, es wieder gut zu machen. Wir können dafür sorgen, dass wir künftig nichts mehr tun, um anderen Schlimmes anzutun; so können wir das Gesetz der Evolution nutzen und haben Freiheit. Wir haben die Freiheit uns ganz an Gott zu wenden. Wenn wir uns an Gott wenden, wird das Karma auf andere Weise ablaufen, damit wir zügiger zur Verwirklichung gelangen. Wir haben eine gewisse Freiheit, zu entscheiden, welchen Teil des Sanchita Karma wir zunächst erfahren. Man kann sich für nichts entscheiden, für das man kein Karma hat, aber man hat eine gewisse Freiheit, in welchem Kontext man Karma erfährt und in welcher Reihenfolge.

Du hast zum Beispiel die Freiheit, eine Yogalehrerausbildung zu machen oder nicht. Nichts zwingt dich dazu. Wenn du kein Karma für eine Yogalehrerausbildung hast, dann magst du dich anmelden wollen, aber es kommt etwas dazwischen. Wenn jetzt noch nicht der Moment gegeben ist, sondern erst in zwei Jahren, dann magst du es jetzt wollen, aber es klappt nicht. Du könntest dich entscheiden, keine Yogalehrerausbildung zu absolvieren, selbst wenn es in deinem Karma läge. Vielleicht kommt es dann zu einem späteren Zeitpunkt. So gibt es immer wieder Entscheidungen, die du treffen kannst. Aber du kannst dich nur für etwas entscheiden, wofür Sanchita da ist, das in diesem Leben zu Prarabdha Karma wird. Du hast einiges an Freiheit und manches ist vorherbestimmt; Karma manifestiert sich. Manches Karma manifestiert sich zu einem bestimmten Zeitpunkt deines Lebens und du kannst daran gar nichts ändern. Auf anderes hast du Einfluss. Insbesondere hast du Einfluss darauf, mit welcher Einstellung du herangehst. Du kannst ganz bewusst daran arbeiten, eine Einstellung des Lernens einzunehmen und bei allem, was kommt, Gutes bewirken zu wollen.

Die Bande des Karma überwinden

Letztlich geht es im Yoga nicht darum, nur positive Dinge zu erleben und dafür Positives zu schaffen.

Im Yoga geht es darum, alle Verhaftungen zu überwinden und die Gottverwirklichung zu erreichen. Im Karma Yoga – im uneigennützigen verhaftungslosen Dienen – geht es darum, alle beschränkten Dinge zu überwinden, sich nicht zu identifizieren, alles Gott darzubringen und nichts zu wünschen. Ein/e Karma Yogi/Yogini überlegt, was seine/ihre Aufgaben sind, was er/sie lernen und bewirken kann und wie er/sie seine/ihre Fähigkeiten kultivieren kann.

Daraufhin unternimmt er/sie alles, was dafür notwendig ist. Dies erfolgt ohne Erwartungen und ohne zu denken, dass es eine eigene Handlung sei. Du kannst dir bewusst sein, dass du Aufgaben bekommst, die im Rahmen des kosmischen Ganzen im Sinne von Bewirken wichtig sind. Du bekommst Aufgaben, an denen du lernen kannst. Was dabei herauskommt, hängt nicht an dir. Dir können Aufgaben gegeben werden und sie können dir wieder genommen werden. Egal, wie gut du etwas tust, es kann jederzeit wieder im Desaster enden. Wenn du verhaftungslos als Instrument dienst, uneigennützig und jederzeit bereit bist, loszulassen, in Erfolg und Misserfolg sowie in Lob und Tadel gleichmütig bleibst, dann wirst du die Bande des Karma und des Handelns überwinden.

Wenn du Nirvikalpa Samadhi, die höchste Verwirklichung, erreichst, bist du vom Karma befreit. Weil du die Einheit mit allem erfahren hast, schaffst du kein neues Karma, kein Agami Karma. Weil du eigentlich alles gelernt hast, was es zu lernen gilt, verbrennen die Samen des Sanchita Karma. Nur die Teile des Prarabdha Karma, die begonnen haben, Früchte zu tragen, gehen weiter. Deshalb heißt es, dass auf Asamsakti, d. h. der Erleuchtung im ersten Stadium – die fünfte Stufe der Bhumikas – weiter ein scheinbar normales Leben folgt. Nur schaffst du kein neues Karma mehr. Sanchita Karma ist zu Ende, Prarabdha Karma läuft weiter ab. Es geht weiter mit Padarthabhavini, der sechsten Stufe der Bhumikas. Dabei ist das Prarabdha Karma weitestgehend zu Ende. Wenn es ganz zu Ende ist, landest du in Turiyaga, der Ebene von dauerhaftem Turiya; du verschmilzt mit dem Absoluten.

Im Buch „Karma und Reinkarnation“ ist das genauer beschrieben; du kannst es auf unserer Internetseite (www.yoga-vidya.de) finden. Es gibt jede Menge Einzelvorträge zu Themen, die in diesem Text vorkommen: zu Sanchita Karma, zu Prarabdha Karma, zu Agami Karma zu Karma Yoga und vielem anderen.

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Stark gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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