YVS106 Reinkarnation und Leben nach dem Tod, Teil 1

* Was geschieht nach dem Tod? * Warum ist es wichtig sich Gedanken zu machen über das, was nach dem Tod kommt? * Welche Vorstellungen haben Menschen über das Leben nach dem Tod? * Gibt es wissenschaftliche Hinweise dafür, dass Leben nach dem Tod und Reinkarnation real sind und nicht nur ein Glauben?

Darum geht es in diesem Text. Zudem werden folgende Themen behandelt:

  • Geschichte des Reinkarnationsgedankens
  • Reinkarnation laut den Yogaschriften
  • Vorbereitung auf den Tod
  • Verschiedene Ebenen des Lebens und wie du dich vom Kreislauf zwischen Geburt und Tod befreien kannst.

Dies ist ein Beitrag im Rahmen der Vortragsreihe über Karma und Reinkarnation sowie der Yoga Vidya Schulung, in der es mehrere hundert Vorträge zum ganzheitlichen Yoga gibt. Er stellt eine Zusammenfassung des ersten Teils von meinem Buch „Karma und Reinkarnation“ dar.

Leben nach dem Tod

Warum ist es überhaupt wichtig, sich mit dem Leben nach dem Tod auseinander zu setzen? Wäre es nicht viel klüger, wenn wir uns einfach nur mit der Gegenwart beschäftigen würden?

Meine Meinung ist, dass es wichtig ist, sich Gedanken über den Tod und das Leben danach zu machen, denn der Tod ist sicher. Dein physischer Körper wird sterben, und auch alle deine Angehörigen, Freunde, Freundinnen, Bekannten und Verwandten werden physisch sterben. Vielleicht sterben sie vor dir, vielleicht nach dir.

Es ist gut, sich vorher Gedanken gemacht zu haben. Wenn der Tod plötzlich kommt, kannst du in Verzweiflung geraten. Tod kann auf verschiedene Weisen kommen: Dein Kind kann z. B. plötzlich in einem Verkehrsunfall ums Leben kommen, deine Mutter oder dein Vater kann plötzlich oder langsam sterben, dein Partner oder deine Partnerin kann eine unheilbare Krankheit diagnostiziert bekommen. Das kann auch dir passieren. Du übst vielleicht Yoga und denkst, du wirst in den nächsten Jahrzehnten nicht sterben. Es gibt keine Garantie dafür. Wer gesund lebt, kann trotzdem frühzeitig sterben. Wenn du dich ganz plötzlich außerhalb deines jetzigen Körpers befindest, ist es etwas anderes, als wenn du vorher schon Anhaltspunkte hattest, dass du demnächst sterben würdest. Wenn du weißt, was bald passieren könnte, würdest du dich sicher bewusster mit deinen derzeitigen Aufgaben auseinandersetzen.

Wer sich keine Gedanken über ein Leben nach dem Tod macht, hat eine gewisse Grundangst. Es spielt keine Rolle, ob du momentan mit dem Thema Tod konfrontiert bist oder nicht. Im Hintergrund deines Geistes weißt du, dass der Tod kommen wird. Du wirst täglich irgendwie mit Tod konfrontiert. Beim Zeitungaufschlagen, beim Lesen einer Nachrichtenseite im Internet, beim Fernsehen oder bei der Unterhaltung mit anderen Menschen. Du wirst immer wieder vom Tod hören.

Wenn es jemanden in deinem Umfeld betrifft, dann weißt du innerlich, dass es zu Ende geht. Menschen, die sich keine Gedanken über das Leben nach dem Tod machen, sind oft diejenigen, die am meisten mit Angst und Verzweiflung reagieren. Auf kleinere Probleme im Alltag kann dies ebenso zutreffen. Es gibt diese Urangst, die Todesangst. Diese kannst du am besten angehen, indem du dir Gedanken über das Leben nach dem Tod machst. Wenn du sie ignorierst, wird sie eine Grundstimmung von Ängstlichkeit, eine Hintergrundangst in dir erzeugen, die dann jede kleine Gefahr im Leben potenziert und überproportional vergrößert.

Denke bitte über Leben nach dem Tod nach, auch wenn du nachher nicht zu dem Schluss kommen solltest, dass Reinkarnation für dich Sinn macht.

Welche Vorstellungen für Leben nach dem Tod gibt es?

Der Mensch hat sich tatsächlich immer schon Gedanken über Leben nach dem Tod gemacht. Manche sagen, dass der Tod eine der Grundlagen der Philosophie überhaupt ist. Menschen wissen, dass ihr Leben nach dem Tod endet. Man nimmt an, dass es das ist, was den Menschen im besonderen Masse auszeichnet. Die Menschen haben ein ICH-Gefühl und sie können beobachten und wissen: Ich sterbe – physisch. Menschen haben darüber nachgedacht, meditiert und geschaut, ob es Möglichkeiten gibt, über den Tod hinaus zu schauen. Gibt es ein Bewusstsein außerhalb des Körpers? Vielleicht ist das eine der Grundlagen für die Meditations- und Tiefenentspannungstechniken, die u. a. dazu dienen, zu sehen, dass das Körperbewusstsein transzendiert werden kann.

Es ist möglich, philosophisch an diese Frage heranzugehen. Es gibt bestimmte Weisen, wie Menschen über den Tod nachdenken. Die Glaubensvorstellungen können zu fünf Themen zusammengefasst werden:

  1. Tod als Ende
  2. Himmel und Hölle
  3. Schattenreich
  4. Reinkarnation bzw. Tod als Chance
  5. Tod als unlösbares Rätsel

Tod als Ende

Es gibt Menschen, die davon ausgehen, dass das Leben mit dem Tod vorbei ist: Mit dem Tod hört es auf. Der Mensch ist letztlich Körper. Der wichtigste Teil des Körpers, der den Menschen ausmacht, ist das Gehirn. Hört das Gehirn auf zu funktionieren, hört Bewusstsein auf und damit Mensch und Seele. Es gibt nur wenige Menschen, die das tatsächlich glauben. Wissenschaftler im deutschsprachigen Raum sprechen aber gerne darüber, dass alles andere nur Theorie und Glaube sei. Sie gehen offiziell davon aus, dass mit dem Tod alles zu Ende geht.

Inoffiziell, im Persönlichen haben die meisten Menschen Zweifel, dass mit dem Tod alles zu Ende ist. Sie gehen davon aus oder hoffen, dass es irgendein Weiterleben gibt. Irgendwo sträubt sich im Menschen etwas gegen die Vorstellung, irgendwann nicht mehr da zu sein. Man könnte es als einen evolutionsbiologisch begründeten Irrtum interpretieren, dass den Menschen der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod hilft, sich für das Leben anzustrengen.

Weiterhin könnte man sagen, dass der Gedanke des Weiterlebens nach dem Tod Ausdruck einer tiefen intuitiven Gewissheit ist. Wenn wir sagen, dass der Tod das Ende von allem ist, hat das bestimmte Auswirkungen. Zum einen könnte man sagen, dass alle Probleme irgendwann aufhören und nach dem Motto leben: „Ich muss alles jetzt leben und überlegen, was ich noch erleben möchte, bevor ich sterbe.“ Und dann kann man sich sagen: „Das will ich tun.“

Es gilt, sich bewusst zu machen, dass alles, womit ich zu tun habe, auch irgendwann sein Ende erreicht. Wenn ich klug bin, könnte ich dann sagen: „Ich sollte wissen, dass alle Wesen sterben müssen. Ich sollte eine Grundgelassenheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens entwickeln.“

Himmel und Hölle

Viele Weltreligionen haben die Vorstellung, dass diejenigen, die sich gut verhalten, nach dem Tod in den Himmel eingehen. Menschen, die sich schlecht verhalten, gehen in eine Hölle ein.

Diejenigen, die sich so lala verhalten haben, gehen durch eine Art Fegefeuer, um gereinigt zu werden und schließlich im Himmel zu landen.

Diese Vorstellung hat Vorteile. Dadurch entsteht für viele Menschen ein Anreiz, ein gutes Leben zu führen, sich ethisch zu verhalten.

Sie hat aber auch einen Nachteil, weil dann meistens gesagt wird, dass nicht nur ein ethisches Leben wichtig sei, sondern auch, einer bestimmten Religion anzugehören und deren Rituale mitzumachen. Manchmal braucht es bei dieser Vorstellung zudem die Priester als Helfer, um in den Himmel zu gelangen. In dieser Form hat das Ganze schon ein wenig Manipulatives an sich. Die Schäfchen sollen irgendwie in der Herde gehalten werden und dazu motiviert werden, sich nicht aufmüpfig zu verhalten. Notfalls wird mit der Hölle gedroht.

Ein weiterer Nachteil der Himmel-und-Hölle-Philosophie ist, dass sie nicht mit einem liebenden Gott und Gerechtigkeit zu vereinbaren ist, insbesondere die Vorstellung von ewiger Verdammnis und ewigem Aufenthalt in der Hölle. Demnach wären auch Menschen, die ein kurzes Leben geführt und sich schlecht Verhalten haben, zu ewiger Hölle verdammt. Ewig bedeutet nicht ein paar Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende, oder Jahrmillionen, sondern unendlich lange. Das verträgt sich nicht mit der Vorstellung eines liebenden Gottes.

Die christlichen Kirchen haben in den letzten Jahrzehnten daher neue Theologien und Vorstellungen über das Leben nach dem Tod entwickelt. Bei den Protestanten und Katholiken wird heute überwiegend nicht mehr undifferenziert von ewiger Verdammnis und ewigem Himmel gesprochen. Dort sind neue und teils faszinierende Konzepte entstanden, die zwar darauf aufbauen, aber versuchen, es anders zu interpretieren. Das wäre ein Thema für ganze theologische Diskussionen und Bücher. Das offizielle Christentum hat sich von der Himmel-und-Hölle-Philosophie zumindest zum Teil verabschiedet.

Schattenreich

Die dritte Vorstellung, die man zum Beispiel bei den alten Griechen und Römern mehrheitlich hatte, ist die Vorstellung eines Schattenreiches, d. h., dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Die Seele stirbt nicht mit dem Tod des Körpers. Es geht halb weiter.

Diese Vorstellung wirkt im Vergleich zu den interessanten Mythologien vom Leben nach dem Tod, die es bei sämtlichen Völkern gibt, erst mal wenig reizvoll, weil es ewig weitergeht und das aber nur halb – zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.

Tod als Rätsel

Wir wissen nicht, was nach dem Tod ist. Wir können es nicht wissen, weil wir am Leben sind, und deshalb sollten wir uns nicht mit dem Tod beschäftigen, sondern lieber jetzt leben.

Dies könnte Leugnung des Todes genannt werden.

Lange Zeit war gerade im Westen die Leugnung des Todes im Sinne von Verdrängen üblich. Sterben tun eben mehr oder weniger nur die anderen. Man selbst will sich nicht damit beschäftigen. In den letzten Jahren wird in den Medien allerdings häufiger über den Tod gesprochen. Das Thema Sterbebegleitung sowie Tod und Sterben allgemein tritt vermehrt in Erscheinung. Die Hospizbewegung hat eine ganze Menge unternommen. Somit hat das Leugnen und Verdrängen des Todes abgenommen.

Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge inzwischen in ein Alter hineinkommen, in dem sie mit Tod massiv konfrontiert werden.

Die Versprechungen der Wissenschaft aus den 60er- und 70er-Jahren, dass wir rein physisch gesehen die Unsterblichkeit erreichen würden, haben sich bisher nicht bewährt.

Es gibt aber noch eine andere Leugnung des Todes in der Homo Deus Bewegung. Darin wird gesagt, dass der Mensch es mit technischen Möglichkeiten schafft, ewig zu leben. Alle Körperteile können künstlich ersetzt werden. Das Gehirn könnte in einen Computer hochgeladen werden, welcher mit einem künstlichen Körper versehen werden kann. Mittels dieser Technik kann physische Unsterblichkeit entstehen. Dies läuft letztlich auf Leugnung und Verdrängung des Todes hinaus.

Interessanterweise haben zwar die Medizin, die Gene und eine gesunde Lebensweise, vielleicht auch eine Erweiterung des Nahrungsangebotes in den letzten 200 Jahren, zu einer Erhöhung der Lebensdauer und Lebenserwartung geführt. Heute liegt die Lebenserwartung bei Neugeborenen bei Ende 80. Vor 200 Jahren war das eher Ende 20. Die ältesten lebenden Menschen – zumindest jene, die ein Geburtszertifikat besitzen – sind heute nicht älter als 120 Jahre. Ein Alter von über 120 scheint eine Barriere zu sein, für deren Überwindung der Mensch nicht gedacht ist.

Das kann sich vielleicht noch ändern. In Indien gibt es manchmal Gerüchte, dass es Menschen gibt, die 200, 300 oder 500 Jahre alt seien. Inwieweit es tatsächlich möglich ist, mit fortgeschrittenen Yogatechniken oder speziellen Rasayana- und Kaya Kalpa Kuren den Körper so sehr zu regenerieren, dass er nochmal ein neues Lebensalter bekommt, oder inwieweit das Aberglaube ist, sei dahin gestellt.

Wieder andere sagen, dass der Tod ein Rätsel sei. Wir könnten nicht wissen, was nach dem Tod kommt. Daher sollten wir uns nicht damit beschäftigen. Es gelte, sich nur mit diesem Leben zu befassen.

Leugnen und Verdrängen führt allerdings zu einem Gefühl der Unsicherheit und Angst. Nicht umsonst sind bei uns im Westen Stress, psychische Erkrankungen und Angststörungen sehr viel häufiger als in traditionellen Gesellschaften oder überhaupt in Gesellschaften mit religiösem Glauben. In dem Moment, in dem die Beschäftigung mit dem Tod und jede Vorstellung von der Zeit sowie dem Leben nach dem Tod vermieden wird, ist eine Grundangst vorhanden, ob der Mensch es weiß oder nicht. Wenn kleinere oder größere Katastrophen im Leben passieren, wenn Stress entsteht, kommen die psychischen Störungen relativ zügig. Für die psychische Gesundheit ist es geradezu essentiell, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Dies ist meine Überzeugung. Diese Überzeugung deckt sich mit mancher Überzeugung von Psychotherapeuten und Gesundheitsforschern.

Reinkarnationsglaube

Die fünfte Überzeugung für ein Leben nach dem Tod ist der Reinkarnationsglaube, die Vorstellung, dass der Mensch eine unsterbliche Seele ist, dass er einen Astralkörper und einen physischen Körper hat. Der Tod bedeutet, dass der Mensch den physischen Körper mit seinem Astralkörper verlässt. Danach verbringt er eine gewisse Zeit in der Astralebene und inkarniert sich dann wieder in einen physischen Körper. Er lernt in seinem physischen Körper alles Mögliche, bekommt bestimmte Aufgaben, wächst in dieser Zeit und geht eventuell nach dem Tod in Himmel oder Hölle ein. Der Mensch erlebt die Konsequenzen seiner Handlungen, nimmt sich etwas für das nächste Leben vor und wird wiedergeboren. Im Moment der Geburt gibt es einen Gedächtnisschwund, bei dem er alles vergisst, was vorher gewesen ist. Er wächst wieder auf, bekommt karmische Lektionen, lernt dadurch, entwickelt sich weiter, erlebt den physischen Tod erneut und wird sich dabei bewusst, was er im Leben richtig gemacht hat, welche Prüfungen er bestanden hat und wie er sich entwickelt hat. Dann gelangt er wieder in verschiedene Astralebenen und erlebt wieder eine Geburt. Nach diesem Schema geht es weiter und weiter. Wenn er oder sie noch nicht ins Nirwana eingegangen ist, reinkarniert er/sie sich weiter.

In fast allen Religionen, in denen von Reinkarnation gesprochen wird, geht man davon aus, dass irgendwann die Erlösung kommt, die Erleuchtung, das Austreten aus dem Kreislauf von Geburt und Tod. Die eigene Urseele geht wieder in ihren Urzustand ein, die reine Wonne ist. Dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Die einzelne Seele selbst verschmilzt mit der kosmischen Seele. Es gibt dualistische Glaubensrichtungen, die sagen, dass die einzelnen Seelen dauerhaft bei Gott bleiben und diesen Zustand himmlischer Glückseligkeit genießen.

 

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Stark gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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