YVS104 Niyama: Persönliche Lebensführung

Was sind die fünf Niyamas? Wie kannst du dein Leben führen? Nach welchen Prinzipien kannst du deine persönliche Lebensgestaltung ausrichten? Wenn du ein glückliches Leben führen willst, wie kannst du das tun?

Praktische Tipps für die Umsetzung der fünf Niyamas.

Dies ist ein Vortrag im Rahmen der Raja Yoga Vortragsreihe. Dies gehört in den ganzheitlichen Schulungsweg zu ein paar hundert Vorträgen, die dazu dienen sollen, Yoga in seiner Ganzheit zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Es ist ein Begleitvortrag zur 2-jährigen Yogalehrerausbildung von Yoga Vidya.

Dieser Text baut auf den vorangehenden Text über die Ashtangas, die acht Stufen im Yoga, auf. Die acht Angas sind: Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi. Yama und Niyama werden allgemein als die Ethik verstanden.

Niyama

Niyama ist das zweite Glied im Yoga, das zweite Anga. Yama ist die Ethik im Umgang mit anderen und Niyama der persönliche Lebensstil.

Shaucha

Shaucha bedeutet Reinheit und schließt Sattva ein: sattvige Nahrung, sattvige Kleidung, sattvige Sprache u. s. w.

Shaucha beinhaltet die Reinheit in deinem Zimmer, auf deinem Schreibtisch und überall. Es schließt ein Verhalten ein, dass zur Klarheit des Geistes führt.

Es gibt einige Bücher wie „Simplify your life“, in denen es darum geht, Dinge nicht festzuhalten, sondern loszulassen. Dies soll für Klarheit sorgen.

Shaucha bedeutet auch, nicht jede Menge Sachen anzusammeln. Es gibt Menschen, die einmal im Jahr durch ihren Kleiderschrank schauen. Alles, was im letzten Jahr nicht gebraucht wurde, geben sie zur Altkleidersammlung. Manche Menschen besitzen nur so viele Dinge, wie in einen Koffer hineinpassen; das hilft zu einer gewissen Klarheit. Und es gibt Menschen, die zwei Umzugswagen benötigen, da sie so viele Dinge angesammelt haben, die dann wiederum den Geist belasten. Menschen sind unterschiedlich. Manche Menschen brauchen ein kreatives Chaos, um gut arbeiten zu können, andere hingegen können das nur, wenn der Schreibtisch aufgeräumt ist.

Arbeitskollegen wirken hier korrektiv, passen auf, dass es auf dem Schreibtisch des kreativen Chaoten sauber bleibt und die Stapel nicht zu hoch werden. Manchmal hilft aufräumen. Äußerliches Aufräumen hilft auch innerlich.

Shaucha bezieht Kriya (die Reinigungstechniken) für den Körper mit ein. Wenn es einem geistig nicht gut geht, können Fastenkuren eine Hilfe sein. Die Yoga Kriyas, Asanas und Pranayamas fördern eine innere Reinheit.

Santosha

Santosha heißt Zufriedenheit. Es bedeutet, davon auszugehen, dass – was auch immer geschieht – genau das Richtige ist, um daran zu wachsen. Die Menschen, mit denen du zu tun hast, sind genau die Richtigen, um wachsen zu können.

Santosha gibt es in sattviger, rajasiger und tamasiger Ausprägung.

Tamasiges Santosha ist, wenn man zu sich selbst sagt: „Es hat alles keinen Sinn. Was soll das Ganze?“ Man bemüht sich nicht und ist träge.

Rajasiges Santosha bedeutet, sich zufriedener zu glauben als die anderen. Man sagt sich, die anderen seien zu ehrgeizig und man selbst hingegen genügsam, d. h. man zieht ein gutes Selbstbild aus seiner Zufriedenheit. Das wäre rajasige Zufriedenheit.

Wenn ich aber über sattviges Santosha spreche, welches auch Patanjali mit Santosha meint, bedeutet das, Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Die Entwicklung der Menschen ist darin inbegriffen. Santosha mit den eigenen Kindern heißt etwa, sich zu sagen: „Meine Kinder sind so wie sie sind. Ich muss nicht schimpfen oder frustriert sein, sondern kann versuchen, positive Impulse zu setzen.“ Das kann man auch in einer Beziehung anwenden, statt sich zu fragen: „Warum muss der andere denn so sein?“

Wenn du andere so nimmst, wie sie sind, wirkst du auf dieser Basis mit ihnen zusammen, und statt dir ständig Vorwürfe zu machen, kannst du dich in gewisser Selbstzufriedenheit üben.

Santosha ist eine dynamische Zufriedenheit, d. h., dass Beziehungen sich verändern können. Man kann dem Partner sagen, was man gerne hätte. Man kann seine Umstände verändern. Santosha ist die Aussage, dass das, was jetzt da ist, genau das Richtige für das eigene Wachstum ist. Statt in eine Opferhaltung zu verfallen, zu klagen und sich zu beschimpfen, sich aufzuregen und zu ärgern, kann man davon ausgehen, dass diese Situation als Aufgabe zu einem gekommen ist. Solche Aufgaben können als die „richtigen Aufgaben“ angesehen werden, die gerade anstehen und in den eigenen Entwicklungsweg passen. 

Tapas

Tapas hat viele verschiedene Bedeutungen. Es heißt Glut, Hitze, Intensität und bedeutet, das, was man tut, mit Freude, Enthusiasmus und Energie zu tun. Es ist auch die Lebenseinstellung, Energie in das zu bringen, was man tut.

Es muss nicht vollkommen sein oder werden. Wichtig ist, sein Herz und seine Energie hinein zu bringen. Bring dein Engagement hinein! Tue nicht dein Leben lang von morgens bis abends Dinge, in denen keine Energie ist. 

Es gibt im Englischen den Ausdruck: „Love it, change it or leave it!“ („Liebe es, verändere es oder lasse es sein“!) Diese Aussage trifft den Kern. Übe nicht aus falsch verstandener Sicherheit ein ganzes Leben lang irgendeinen Job aus. Wenn du dahinter keine Energie mehr verspürst, verändere deine Aufgaben.

Tapas heißt auch das Gegenteil: Tue nicht nur, was du gern magst. Tapas beinhaltet Askese. Es heißt, mal bewusst etwas zu tun, was man nicht mag. Diese Form von Tapas ist wichtig. Höre nicht einfach auf, nur weil du etwas nicht magst. Stoppe nicht einfach etwas, nur weil dich jemand kritisiert. Tapas bedeutet Disziplin, dein Leben an Idealen auszurichten und das, was du tust, mit Energie zu machen. Setze dir hohe Ziele und mache weiter, auch wenn es schwierig wird. Das ist Tapas.

Svadhyaya

Svadhyaya heißt Selbststudium. Es ist ein Ausdruck, der verschiedene Bedeutungen hat. Svadhyaya heißt zum einen Introspektion. Du möchtest mehr über dich selbst herausfinden. Warum denkst, fühlst und handelst du so, wie du denkst? Du handelst, um etwas loslassen zu können. Gerade in der Yogapsychologie spielt Svadhyaya eine große Rolle. In der psychologischen Yogatherapie werden sogar die Asanas und Pranayama als psychologische Selbstreflexion verstanden.

Svadhyaya hat eine zweite Bedeutung. Es beinhaltet das eigene Studium der Schriften. Heutzutage erscheint es selbstverständlich, dass jeder Mensch die Schriften liest. Das war nicht immer so. Vor Martin Luther hat der christliche Mensch die Bibel nicht gelesen. Die Katholiken haben bis zum 19. Jahrhundert die Bibel nicht gelesen. In Indien durften die Veden nur von den Brahmanen gelesen werden. Patanjali hat vor über 2.000 Jahren gesagt: „Lese selbst die Schriften. Mache Svadhyaya“. Modern ausgedrückt bedeutet das: „Lies täglich in einer Schrift, in einem Buch oder Werk eines selbstverwirklichten Meisters.“ Lass dich inspirieren.

Eine dritte Form von Svadhyaya ist die Selbstbefragung: „Wer bin ich?“ Richte dich auf das höchste Selbst aus.

Ishvara Pranidhana

Der fünfte Niyama ist Ishvara Pranidhana. Es ist die Hingabe an Gott, Gottesverehrung, Bitte um Gottes Führung. Bringe alles, was du tust, Gott dar. Es heißt, alle Aufgaben, die kommen werden, sollten als Aufgabe Gottes an dich betrachtet werden.

Zusammengefasst hier die fünf Aspekte der persönlichen Lebensführung:

  • Shaucha – führe ein sattviges und klares Leben.
  • Santosha – habe Zufriedenheit in dem Sinne, dass du das Beste aus allem machst und aus jeglicher Opferrolle und Klagen herauskommst und hineingehst in die Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung.
  • Tapas – nimm an und gestalte. Bring Energie in das, was du tust, und tue es mit Freude. Mache weiter, wenn dir die Dinge vorübergehend keinen Spaß machen. Mache auch bewusst solche Dinge, die dir nicht gefallen, um nicht abhängig zu sein von Mögen und Nicht Mögen.
  • Svadhyaya – studiere dich selbst und lerne deine Stärken und Schwächen kennen/die Quellen deiner Motivation, und lass dich davon nicht zu sehr beeinflussen. Lies selbst die Schriften und richte dich auf das höchste Selbst aus.
  • Ishvara Pranidhana – kultiviere eine Beziehung zu Gott. Tue alles, was du tust, für Gott. Bitte um Gottes Führung und vertraue darauf, dass Gott dir die Aufgaben gibt, die nötig sind, dass er dir die Kraft dazu gibt, und dass Gott sogar durch deine Fehler wirkt. Wenn du nicht anders kannst, lasse los und überlasse es Gott. Gott weiß, was zu tun ist. Entscheide dich nach bestem Wissen und Gewissen. Bitte dann Gott um Führung und sage: „Ich bin in dieser Situation, ich weiß nicht, was richtig ist, was zu tun ist. Bitte führe mich.“ Oder sage: „Ich weiß nicht, was richtig ist. Wenn du mir bis übermorgen keine andere Inspiration gibst, entscheide ich mich für diese Alternative.“ Danach sag: „Oh Gott, du hast mir keine andere Inspiration gegeben, ich bringe es dir dar. Dein Wille geschehe.“

 

Wenn du das alles umsetzt, verhilft es dir zur Klarheit deines Geistes. Es hilft dir, dich spirituell zu entwickeln und ein glückliches und gleichzeitig erfolgreiches Leben zu führen.

Überlege erneut, welche dieser Niyamas du weiter kultivieren willst und ob du sie schon ausreichend umsetzt oder ob du dein Leben noch mehr daran ausrichten solltest.

Yamas und Niyamas sind die grundsätzliche Lebensführung, um glücklich zu sein und auf dem spirituellen Weg gute Fortschritte zu machen. Einzelvorträge (Texte und Audios) sowie umfangreichere Tipps zur Umsetzung findest du auf www.yoga-vidya.de.

Wenn du ein intensives spirituelles Leben führen möchtest, das auf Yama und Niyama und Sadhana ausgerichtet ist, kannst du überlegen, ob du eine Weile oder dauerhaft in der Yoga Vidya Gemeinschaft leben möchtest. Es ist möglich, Tage, Wochen oder Monate als Teil der Gemeinschaft zu verbringen. Es ist auch möglich dauerhaft dort zu leben. Du kannst es ein paar Tage ausprobieren und dich als würdiger Aspirant erweisen. Du kannst eine Woche oder einen Monat kommen. Wenn du feststellst, dass dir diese Art des spirituellen Ashramlebens liegt und dass du dein Leben darauf ausrichten möchtest, anderen Menschen zu dienen und zu helfen, Sadhana zu praktizieren und ein sattviges, ethisches Leben zu führen, dann kannst du dich als dauerhaftes Mitglied der Ashramgemeinschaft bewerben. Weitere Informationen findest du auf unserer Website unter dem Suchbegriff „Gemeinschaft“ oder „Ashram-Gemeinschaft“.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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