YVS066 Die sieben Yoga Vidya Unterrichtsprinzipien

Wenn du bei Yoga Vidya eine Yogalehrer-Ausbildung machst oder gemacht hast, dann kannst du das Gelernte hier wiederholen. Falls du überlegst, die Ausbildung zu absolvieren, erfährst du hier bereits einiges über die Inhalte.

Yoga Vidya ist einer der vielen Stile im Hatha Yoga, momentan der populärste Hatha Yoga Stil in Deutschland (2017). Beim Unterrichten gibt es sieben Unterrichtsprinzipien zu beachten. Diese lauten:

  1. Der Unterricht basiert auf der Yoga Vidya Grundreihe
  2. Der Unterricht wird stark angepasst an die Zielgruppe und das Ziel der Yogastunde
  3. Die Asanas werden gehalten
  4. Die Betonung liegt auf Entspannung, Atmung und Konzentration
  5. Respekt vor den Teilnehmern, Unterrichten mit Spürgenauigkeit statt äußerer Genauigkeit
  6. Der/die YogalehrerIn unterrichtet mit Stimme, Händen und Füßen, Prana und Liebe
  7. Der/die YogalehrerIn betrachtet das Unterrichten als eigene Yogapraxis, er/sie macht sich zum Instrument, um zu dienen und Gutes zu bewirken und ist selbst Yogaübende/r (Einstellung des Yogalehrers/der Yogalehrerin)

Im Folgenden wird näher auf die einzelnen Prinzipien eingegangen.

Zu 1)

Die Yoga Vidya Grundreihe ist folgendermaßen aufgebaut:

  • Anfangsentspannung: 1-5 Minuten
  • Sitzhaltung einnehmen, typischerweise OM und Mantra zur inneren Sammlung
  • Atemübungen: Kapalabhati und Wechselatmung sind hier die wichtigsten
  • Karanas: Übungen, die den Körper aufwärmen und in Gang setzen; hier sind die wichtigsten Surya                                                          Namaskar (Sonnengruß) und Navasana (Bauchmuskelübungen)
  • Zwölf Asanas in Verbindung mit kleinen Variationen:
  1. Shirshasana – Kopfstand
  2. Sarvangasana – Schulterstand
  3. Halasana – Pflug
  4. Matsyasana – Fisch
  5. Pashchimottanasana – Vorwärtsbeuge
  6. Bhujangasana – Kobra
  7. Shalabhasana – Heuschrecke
  8. Dhanurasana – Bogen
  9. Ardha Matsyendrasana – Drehsitz
  10. Mayurasana – Pfau
  11. Pada Hastasana – stehende Vorwärtsbeuge
  12. Trikonasana – Dreieck
  • Shavasana: Tiefenentspannung
  • Sitzhaltung einnehmen, OM und Mantra, eventuell auch Meditation

Zu 2)

Die starke Anpassung an Zielgruppe und Zielsetzung führen bei Yoga Vidya zu einer großen Bandbreite. Dies ist das Besondere am Yoga Vidya Stil. Yoga für Kinder wird ganz anders unterrichtet als Yoga für Senioren. Menschen, die spirituell interessiert sind, wird man anders unterrichten als Menschen in einem therapeutischen Setting in einer Reha-Klinik. Im Businessyoga, wo man womöglich nur fünf Minuten Zeit hat, wird man anders unterrichten, als bei einem Asana-Intensivseminar in einem Yoga-Ashram, wo man für die Yogastunde am Nachmittag vielleicht vier Stunden Zeit hat. Es ist wichtig, diese Anpassung zu verstehen. Manchmal wird gefragt, ob der Yoga Vidya Stil eher sanft oder eher fordernd sei – nun, er kann beides sein! Manchmal kommt die Frage, ob der Yoga Vidya Stil eher für Jüngere oder Ältere geeignet sei – wiederum ist er beides! Es gibt Yogastile, die eher therapeutisch sind, andere, die mehr auf Wellness ausgerichtet sind oder eher sportlich orientiert oder spirituell – wie ist das beim Yoga Vidya Stil? Die Antwort ist: Er kann alles sein.

Trotz der unterschiedlichen Zielsetzung und Anpassung, die bei Yoga Vidya möglich ist, gibt es eine Grund-Zielsetzung, die immer besteht, weswegen auch die Yoga Vidya Grundreihe so wichtig ist:

  • Was bei Yoga Vidya unterrichtet wird, soll immer gesund/gesundheitsfördernd sein.
  • Der Körper soll immer gefordert werden, alle Teile des Körpers sollen trainiert werden, so dass eine körperliche Entwicklung stattfinden kann.
  • Es soll gut sein für das Prana, für die Lebensenergien. Prana soll aktiviert und harmonisiert werden. Menschen sollen nach einer Yogastunde mehr Prana spüren, als vorher.
  • Es soll gut für die Emotionen sein, dass der Mensch sich wohler und in Harmonie fühlt.
  • Es soll so sein, dass der Mensch konzentriert ist und nach der Yogastunde eine Klarheit des Geistes verspürt.
  • Dem Menschen soll eine spirituelle Erfahrung ermöglicht werden, sofern er dafür offen ist. Er soll mit einem Gefühl von Freude, Liebe und Öffnung aus der Yogastunde herausgehen. Dieses Erfahren von Freude und Liebe, das ist die spirituelle Öffnung.

Auch in der konkreten Zielsetzung und starken Anpassung bezieht Yoga Vidya stets die Ganzheitlichkeit des Menschen mit ein.

Zu 3)

Es ist eigentlich selbstverständlich, dass Asanas gehalten werden, denn Asana heißt „Stellung“. Asana ist etwas, das ruhig gehalten wird. Dieser Punkt wurde nachträglich den Yoga Vidya Unterrichtsprinzipien zugefügt (anfangs waren es nur fünf). Seit den 2000er-Jahren kommen immer mehr Yogarichtungen aus Amerika nach Deutschland, die keine Asanas halten, sondern nur dynamische Übungen enthalten. Sukadev fand es wichtig, festzulegen, dass Asanas im Yoga Vidya Stil gehalten werden. Selbst im Flow Yoga bei Yoga Vidya gibt es Asanas, die ruhig gehalten werden. Gerade das meditative und das Bewusstseins-Element, sowie die Wirkung auf Prana, Nadis und Chakras und letztlich auch die Dehnung und Entspannung funktionieren über das statische Halten von Asanas.

Zu 4)

Entspannung: In den Yogastunden wird bei Yoga Vidya besonders darauf geachtet, dass bei den Asanas nur die Muskeln genutzt werden, die erforderlich sind. Alles andere entspannt. Das entspricht im Grunde der traditionellen Hatha Yogaweise: die Asanas werden gehalten, der größte Teil der Muskeln entspannt, aber jene, die notwendig sind, sind gut angespannt. Ein Beispiel: im Schulterstand werden Fußsohlen und Waden entspannt. Die Zehen werden nicht zur Decke hingegeben. Das Gesicht wird entspannt. Bestimmte Muskeln werden zwar angespannt, um in der Asana zu sein, aber alles andere entspannt. Auch während der Zwischenentspannung in Stunden für Anfänger und Mittelstufe wird immer darauf geachtet/angesagt: Muskeln entspannen!

Atmung:  Die Atmung ist sehr wichtig. Die Betonung darauf wird bei Yoga Vidya immer wieder gelehrt, und in den Yoga Vidya Yogastunden wird daher immer wieder darauf hingewiesen. Die Grundatmung ist die Bauchatmung, bei Fortgeschritteneren ist es die Vollständige Yogaatmung. Über die Atmung kann man entspannen oder sich aufladen, und die Atmung hat eine Auswirkung auf das Prana.

Konzentration/Bewusstheit: Im Yoga konzentrierst du dich nicht darauf, was der Nachbar macht. Auch nicht darauf, wie du im Spiegel aussiehst. Vielmehr ist die Konzentration bei dem, was du JETZT tust, und bei dem, was du JETZT fühlst und spürst. Eine „ideale“ Yogastunde ist, wenn du an nichts anderes denkst, als an das, was du gerade machst und fühlst.

Hast du bisher nur bei Yoga Vidya oder ähnlichen Richtungen Yoga geübt, dann mag dir das alles selbstverständlich erscheinen. Aber es gibt Yogastile, bei denen die Atmung überhaupt nicht berücksichtigt wird, oder solche, bei denen Entspannung nie erwähnt wird. Es gibt sogar Yogastile, die nur mit lauter Musik ausgeführt werden, und bei denen du dich eben nicht auf die Asana selbst konzentrierst. Bei Yoga Vidya spielen Entspannung, Atmung und Konzentration eine wichtige Rolle.

Zu 5)

Der Aspekt des Respekts vor den Teilnehmern/der Spürgenauigkeit beinhaltet, dass der/die TeilnehmerIn selbst entscheidet. In anderen Yogastilen sagt der/die YogalehrerIn dem/der TeilnehmerIn genau, wie er/sie die Yogastellung praktizieren soll. Auch im Yoga Vidya Anfängerkurs ist es üblich, die Asanas genau anzusagen. Aber je länger ein/e TeilnehmerIn im Yoga Vidya Stil übt, desto mehr Verantwortung bekommt er/sie selbst. So kann es z.B. sein, dass jemand bei der Kobra die Finger dicht zusammenhält, oder auseinander gibt, dass er/sie die Fersen zusammen bringt, oder voneinander entfernt hält, die Beine anspannt, oder entspannt hält. Es kann sein, dass sich jemand in der Vorwärtsbeuge besonders bemüht, den Rücken gerade zu halten, oder sich mit rundem Rücken in die Stellung hinein entspannt. Bei Yoga Vidya wird den TeilnehmerInnen gelehrt, wie sich eine „gute“ Yogastellung anfühlt, woran man merkt, dass man die Übung richtig ausführt. Dann ist es an dem/der TeilnehmerIn, selbst zu erspüren, was ihm/ihr besonders gut tut. Also: Selbstverantwortung der TeilnehmerInnen statt vorzuschreiben, wie die Übung genau auszusehen hat.

Für dieses fünfte Unterrichtsprinzip wird Yoga Vidya zuweilen kritisiert, weil Menschen sagen, dass die Vorwärts- oder Rückwärtsbeuge immer auf eine ganz bestimmte Art zu praktizieren ist. Sukadev ist jedoch der Ansicht, dass es unterschiedliche Weisen gibt, die Übungen auszuführen, und dass die TeilnehmerInnen das selbst herausfinden sollen. Wenn jemand ein körperliches Problem hat, muss man ihm/ihr zunächst hilfreiche Variationen vorschlagen. Aber nur der/die TeilnehmerIn selbst findet dann heraus, was wirklich gut ist.

Zu 6)

Es ist wichtig, zu lernen, wie man eine Yogastunde gut ansagt. Daher gehört zur Yogalehrer-Ausbildung bei Yoga Vidya ein gewisses Stimmtraining. Wenn du bei Yoga Vidya deine Unterrichtsproben machst, wird Wert darauf gelegt, dass deine Stimme gut ist. Zudem gibt es Korrekturen, Hilfestellungen oder „Adjustments“. Du lernst also, wie du mit Händen und Füßen TeilnehmerInnen korrigierst und Hilfestellungen gibst. Im ersten halben Jahr der Yogalehrer-Ausbildung wird das besonders intensiv trainiert, ebenfalls in der ersten Woche der 4-wöchigen Ausbildung. Aber du unterrichtest auch mit Prana, d.h. mit feinstofflicher Energie. Wenn du eine Yogastunde gibst, dann gilt es auch, dass du dich öffnest, dass Prana/Lebensenergie in dich hineinfließt, und dass du sie ausstrahlst. Und du unterrichtest mit der doppelten Liebe, der Liebe zu Gott, zum Göttlichen, zu einer höheren Wirklichkeit und der Liebe zu deinen TeilnehmerInnen. Du machst dich zum Instrument.

Zu 7)

Yogaunterricht als Yogapraxis“, man könnte auch sagen: die Yoga-Einstellung des Yogalehrenden. Was bedeutet das? Zum einen, die oben angeführte doppelte Liebe, zum anderen, das Unterrichten, um Menschen Gutes zu tun. Du unterrichtest kein Yoga, um Geld zu verdienen – obgleich es notwendig sein kann, dass du mit Yoga deinen Lebensunterhalt erwirbst, es sollte aber nicht die Grundmotivation sein –, sondern, um Menschen helfen und dienen zu wollen. Vielleicht willst du über diese Menschen auch eine insgesamt friedvollere Welt schaffen. Vielleicht siehst du die Yogapraxis als Dienst an Swami Sivananda an, der Yoga in die Welt bringen wollte. Vielleicht siehst du es als Dienst an Gott, an der göttlichen Mutter an. Vielleicht willst du auch aus Dankbarkeit unterrichten. Du hast selbst viel Gutes durch die Yogapraxis erfahren und willst dies nun mit anderen teilen und weitergeben. So ist die Grundmotivation auch, Instrument zu sein.

Damit diese Motivation entstehen kann, ist es wichtig, dass du auch praktizierst. Ein/e Yogalehrende/r im Yoga Vidya Stil bzw. in der Yoga Vidya Tradition fühlt sich immer auch als SchülerIn. Du kannst Hatha Yoga nur unterrichten, wenn du Hatha Yoga übst. Bitte unterrichte es nicht, wenn du nicht selbst praktizierst! Du musst nicht alles selbst können, was du unterrichtest. Swami Vishnudevananda hat einmal gesagt: „Beschränke deine TeilnehmerInnen nicht auf dein eigenes Niveau!“ Nur das zu unterrichten, was du selbst kannst, kann auch eine Form von Ego sein, z.B. nicht zu wollen, dass andere etwas besser können, als du. Aber du kannst Pranayama nur gut vermitteln, wenn du Pranayama übst. Du kannst Asanas nur authentisch vermitteln, wenn du selbst Asanas übst. Darum praktiziere!

Damit die göttliche Energie beim Unterrichten durch dich wirken kann, ist es auch wichtig, dass du meditierst und dich an die weiteren Sattva-Empfehlungen hältst, die es im Yoga gibt. Sukadev empfiehlt insbesondere, dass du auf Fleisch, Fisch, alkoholische Getränke, Rauchen und Drogen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes verzichtest. Wenn du das tust, täglich meditierst, täglich Hatha Yoga Praktiken übst und wenn du dich als Instrument siehst, dann werden deine TeilnehmerInnen eine großartige Erfahrung im Yogaunterricht machen.

Kurze Wiederholung der sieben Yoga Vidya Unterrichtsprinzipien:

  1. Yoga Vidya Reihe für körperliche, energetische, emotionale, mentale, psychische und spirituelle Wirkungen
  2. Anpassung an Zielgruppe und konkrete Zielsetzung
  3. Asanas werden gehalten
  4. Betonung auf Entspannung, Atmung und Konzentration
  5. Respekt vor den Teilnehmenden, Spürgenauigkeit statt Vorschriften
  6. Unterrichten mit Stimme, Händen, Füßen, Prana und Liebe
  7. Unterrichten als Yogapraxis und eigene Yogapraxis als Grundlage

Mehr aus der Yoga Vidya Schulung findest du im Internet unter www.yoga-vidya.de. Auch wenn du noch keine Yoga Vidya Yogalehrer-Ausbildung absolvierst oder den Yoga Vidya Stil noch gar nicht kennst, kannst du dort viele nützliche Informationen finden, ebenso wie Hinweise zu sämtlichen Aus- und Weiterbildungen sowie Einführungsseminaren.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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