YVS048 Freunde auf dem spirituellen Weg

Wenn wir den spirituellen Weg anschauen, dann spielen die sogenannten vier Purusharthas eine Rolle, und es spielt Sattwa, Rajas und Tamas eine Rolle.

Die vier Purusharthas sind Kama, Artha, Dharma und Moksha.

Freunde für das Vergnügen

Freunde zu haben ist ein menschliches Bedürfnis. Nicht alle Menschen haben das gleiche Bedürfnis, aber die meisten Menschen wollen auch mit anderen zusammen sein. Und so gibt es manche Freunde, die man einfach hat, um etwas Schönes miteinander zu machen, um sich miteinander wohl zu fühlen. Auch Aristoteles hat ja zum Beispiel eine Klassifikation von Freunden gemacht, eben das eine ist, dass Freunde für Vergnügen, man würde sagen kama im Sinne von: Man macht gemeinsam etwas, was schön ist, oder man genießt einfach das zusammen sein mit dem andern.

 

Die Nutzen-orientierte Freundschaft

Eine zweite Art von Freundschaft ist die Nutzen-orientierte Freundschaft. Man hat ein paar Freunde und die Hauptbasis der Freundschaft ist: Man hilft sich gegenseitig. Es gibt, zum Beispiel, Geschäftsfreunde, und tatsächlich sind viele Menschen, die beruflich miteinander zu tun haben, Freunde. Wenn ein Unternehmen Kunden hat, wachsen oft irgendwelche Freundschaften zusammen. Oder, gar nicht mal selten, wenn eine Unternehmerpersönlichkeit mit dem Rechtsanwalt oder Steuerberater zu tun hat, irgendwo entsteht dann auch eine gewisse Freundschaft. Oder unter Kollegen entstehen Beziehungsgeflechte, wo auch eine gewisse Freundschaft dabei ist. Also Freundschaft wo man sich gegenseitig hilft – auf diesem Gebiet.

Dann gibt es aber auch Freunde und auch Aristoteles findet diese besonders wichtig: Freunde, die einem helfen sich zu entwickeln. Freunde, die interessiert sind an dem anderen für sich selbst. Die sind also nicht nur da, wenn man miteinander Spaß hat, nicht nur da, wenn man davon einen Nutzen hat, sondern man ist tiefer interessiert in den anderen. Und indem man einen Freund hat, der tiefes Interesse an einem selbst hat, hilft das auch der Selbstfindung und Selbstentwicklung. In diesem Sinne können sich Freunde auch gegenseitig und unterstützen und ermutigen in der Persönlichkeitsentwicklung, können sich gegenseitig unterstützen/ermutigen auch in sozialem/ökologischem Engagement Gutes zu bewirken. Und gute Freunde würden sich auch unterstützen auf der Ebene von Moksha, eben auf dem spirituellen Weg. Wenn man Freunde hat, mit denen man sprechen kann über Gott, über spirituelle Praxis, über ethische Fragen auf dem Weg, wenn man jemanden hat, dem man seine spirituellen Zweifel mitteilen kann, und der einem dann hilft, diese Zweifel zu überwinden, wenn man jemanden hat, dem man seine spirituellen Erfahrungen beschreiben kann, seine Schwierigkeiten, aber auch seine schönen Erfahrungen, ist das etwas sehr Wertvolles.

Manche Menschen wollen all das von ihrem Partner/ihrer Partnerin haben, manchmal ist aber Partner/Partnerin überfordert damit, und Mensch braucht auch Freunde.

 

Freunde auf verschiedenen Ebenen

Die meisten Menschen haben verschiedene Freunde, auch wenn im Deutschen zum Teil das Wort „Freund“ in einen sehr engen Kontext bezogen wird, insbesondere Männer bezeichnen manchmal nur das als ihren Freund, was in anderen Kulturen oft von Frauen als der „beste Freund“ bezeichnet wird. Typischerweise, ob das immer so ist weiß ich nicht, ist es meine Erfahrung, unter Yoga Aspiranten/Aspirantinnen, eine Reihe von Frauen erzählen von ihren Freundinnen, und haben dann recht viele, und Männer sprechen seltener von ihren Freunden, höchstens von ihrem Freund, oder, ja, man ist halt zusammen, aber man würde sich nicht unbedingt als Freund bezeichnen.

Ich würde jetzt sagen: Jeder Mensch, der in etwa auf gleicher Ebene steht, und zu dem man eine gewisse Beziehung von Liebe hat, und mit dem man über einen gewissen Zeitraum in Verbindung steht, ist in dieser Hinsicht ein Freund, oder eben eine Freundin.

Und es kann manchmal hilfreich sein, wenn man sich bewusst wird – auf welchen Kategorien ist denn dort Freundschaft?

Es gibt manche Freunde, da ist es einfach schön, mit denen zusammenzusein. Und vielmehr braucht es dann auch nicht. Es gibt manche Freunde, die einen unterstützen. Man weiß: Wenn ich dort irgendwas brauche, sowohl beruflich, oder auch für mein zu Hause, die sind da, die sind hilfsbereit. Vielleicht nicht unbedingt die Freunde, die man auf der Kama-Ebene hat. Es kann manchmal helfen, dass man weiß: Auf den kann ich diesbezüglich bauen. Aber wenn ich das von einem Menschen erwarte, der einfach nur mit mir zusammen ist, weil es schön ist, dann werde ich enttäuscht sein, wenn ich dort echte Hilfe erwarte. Da kann man sich drüber ärgern, dass man die Hilfe nicht bekommt, man könnte aber auch sagen: Gut, unterschiedliche Freundschaften, unterschiedliche Formen von Liebe.

Wenn man sich so ein bisschen bewusst macht, auf welchen Ebenen man dort Freundschaften hat, und dass es okay ist, wenn man Freundschaften hat, die nur auf einer Ebene da sind, dass es schön ist, wenn man Freundschaften hat, die, vielleicht mindestens ein oder zwei Freunde, die vielleicht besonders tief sind, dann erleichtert das manches. Man erwartet nicht von den Menschen, mit denen man ab und zu mal nett zusammen ist, dass die für einen da sind, wenn es kritisch wird. Man erwartet auch nicht unbedingt, dass die Menschen, mit denen man beruflich irgendwie ein angenehmes Verhältnis hat, dass die einen in der Tiefe der Seele verstehen, und dass man ihnen aus seinen tieferen Problemen und Anliegen erzählen kann. Sie müssen noch nicht mal ein Verständnis haben für den eigenen, spirituellen Weg.

Spirituelle Freunde

Umgekehrt gibt es auch spirituelle Freunde, die auf der Ebene von Moksha sind. Mit denen man, zum Beispiel, zusammen einen Yogakurs besucht, eine zweijährige Yogalehrerausbildung zusammen macht, wo es schön ist, sich über spirituelle Fragen auseinander zu setzen und mit ihnen zu teilen. Man inspiriert sich gegenseitig. Aber das muss nicht heißen, dass die unbedingt einem helfen würden, wenn es darauf ankommt. Das muss nicht heißen, dass, wenn man zusammen ins Kino gehen würde, oder zusammen in eine Pizzeria geht, dass das schön wäre – unterschiedliche Freundschaften, unterschiedliche freundschaftliche Liebe, auf unterschiedlichen Gebieten. Und so kann diese Art von Purushartha einem helfen, seine Bekannten, zu denen man durchaus eine Herzensverbindung hat, mal durchzugehen. Und vielleicht magst du jetzt mal einen Moment innehalten und gerade überlegen: Was würde ich denn als meine Freunde im weiteren Sinne ansehen?

 

Und auch auf dem spirituellen Gebiet, spirituelle Freundschaften heißt auch wieder: Freundschaften untereinander, wo man sich in sattwiger Spiritualität gegenseitig stärkt.

Noch etwas zur Pflege von Freundschaft und Finden von Freundschaften. Freundschaften entstehen, wenn man mit anderen Menschen zusammen ist. Eine einfache Weise, Freundschaften zu finden, wäre, zum Beispiel: Gemeinsam einen Yogakurs zu besuchen. Und es hat eine besondere Schönheit, zum Beispiel auch eine zweijährige Yogalehrerausbildung mitzumachen, und einfach eine halbe Stunde vorher zu kommen, ne viertel Stunde länger zu bleiben. Allein dadurch, dass man Menschen hat, mit denen man spricht, entsteht Freundschaft. Der Mensch hat die wunderbare Fähigkeit der Empathie, das heißt, die Fähigkeit, Liebe zueinander zu entwickeln, zu kultivieren, zu erfahren. Wenn du also Freundschaften suchst auf einem bestimmten Gebiet, dann sorge einfach darum, dass du regelmäßig Kontakt mit anderen hast. Dann zeige Interesse für den anderen. Spricht miteinander, spüre vom Herzen etwas, und erzähle auch etwas von dir. Erzähle ruhig auch ab und zu mal etwas von dir, was dich bedrückt. Man sagt so schön: Man wird respektiert für seine Stärken, man wird geliebt für seine Schwächen. In der Freundschaft spielt eine wichtige Rolle die Liebe und die kommt auch, wenn man sich gegenseitig das Eine oder Andere erzählt, was einem schwerer fällt. Aber es darf kein Ungleichgewicht sein. Wenn du zu viel erzählst und der andere erzählt nichts, dann sucht er oder sie das Weite, typischerweise. Aber: Du kannst auf diese Weise Freundschaften erreichen, indem du einfach Zeit hast, die du verbringst, mit anderen Menschen zusammen.

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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