YVS047 Beruf und Spiritualität

Beruf ist ein wichtiger Aspekt des Lebens. Viele Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit und ihrer Energie, ihres Denkens, ihres Engagements mit Beruf. Für viele Menschen ist der Beruf de facto das Wichtigste. Auch wenn fast alle Menschen sagen würden, ihre Familie sei wichtiger, verbringen sie mehr Zeit und Engagement mit Beruf. Selbst der Urlaub wird eher gesehen als Regeneration, um etwas zu tun im Beruf. Wenn man von Freizeit spricht, dann stellt sich die Frage, warum es Freizeit heißt. Die Zeit ist frei von dem, worum es eigentlich geht, nämlich den Beruf. Und freie Tage heißt, man ist von dem frei, wozu man eigentlich da ist, Beruf. Es ist ganz deutlich, in der Alltagssprache und im Selbstverständnis gerade des westlichen Menschen spielt der Beruf eine ganz besondere Rolle. In früheren Jahrhunderten gab es so etwas wie Beruf nicht, sondern man musste dafür sorgen, dass man isst und trinkt. Wenn man in der Wüste ist, muss natürlich das Wasser irgendwo herkommen, und man muss ein Zuhause haben, aber es gab keine Trennung zwischen Beruf und Freizeit. Man machte so viel wie nötig war, damit man das hatte, was man brauchte, und mehr nicht. Irgendwann gab es die großartige Entdeckung des siebten Tages, dass man am siebten Tag ruht, und so wurde die Woche strukturiert. Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen. Schließlich wurde irgendwann das Konzept von Arbeitszeit und Freizeit eingeführt und in den letzten Jahren gibt es wieder einen gegenläufigen Trend, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. In gar nicht mal wenigen Firmen ist ein bisschen surfen im Internet für private Zwecke geduldet, in anderen Firmen überhaupt nicht. Oft wird fast erwartet oder mindestens ist es üblich, dass Mitarbeiter mit ihrem Smartphone ihre E-Mails zu Hause checken und dass sie einiges auch in der Freizeit vorbereiten für den Beruf.

Dies ist auch ein Vortrag im Rahmen der Vorträge „Die vier Purushartas“. Daher wird das Thema Beruf und Purushartas ebenfalls behandelt.

Die vier Purusharthas sind die vier Bedürfniskategorien, die vier Motivationskategorien, die vier Ebenen des menschlichen Strebens.

Kama ist sinnlich emotional.

Artha ist Erfolg, Geld und Absicherung.

Dharma hat zwei Aspekte. Dharma heißt zum einen, etwas für andere tun, der Gesellschaft etwas zurückgeben, und zum anderen, seine eigenen Talente und Fähigkeiten leben und entfalten.

Moksha ist Erlösung, Erleuchtung, im engeren Sinne spirituelle Entwicklung.

 

Der Beruf und die vier Purusharthas

Beruf hat eine Bedeutung auf allen vier Ebenen. Erstens hat der Beruf eine Funktion, selbst das Leben schöner zu gestalten. Manche Menschen lieben es, berufstätig zu sein, weil es eine angenehme Arbeit ist, weil sie nette Kollegen haben, weil es Spaß macht, weil es schön ist.

Manche Menschen genießen das, was sie tun, ohne dem eine größere Bedeutung zu geben, und sie genießen es, mit ihren Kollegen und Kolleginnen zusammenzusein.

Eine zweite Funktion des Berufs ist Artha. Man verdient Geld, man bekommt Anerkennung für das, was man leistet, man hat das Gefühl des Erfolgs, und so ist Artha hier richtig.

Dann gibt es Dharma. Dharma bezogen auf den Beruf heißt, man macht etwas Sinnvolles, man hat eine berufliche Aufgabe gewählt, von der man weiß, man tut dafür etwas Gutes für die Menschheit, für die Tiere, für die Natur, für einzelne Menschen und so weiter.

Der zweite Aspekt von Dharma ist, man hat das Gefühl, man entwickelt sich durch seine berufliche Tätigkeit. Man lernt sich besser kennen, man entfaltet seine Talente, man kann das leben, was in einem steckt. Und man kann auch sagen, der Beruf hilft einem, spirituell zu wachsen. In dem Sinn kann man sagen, wenn man einen Beruf hat, zum Beispiel in einer spirituellen Gemeinschaft, dann kann man sagen, Dienst in der spirituellen Gemeinschaft an sich hilft der spirituellen Entwicklung. Man kann aber auch sagen, jede Art von Berufstätigkeit kann der spirituellen Entwicklung dienen, weil es Herausforderungen gibt. Es gibt Herausforderungen wie zum Beispiel – einen ungeduldigen Chef und muss lernen damit umzugehen. Manchmal gibt es sehr viel zu tun und man muss seine eigenen Bedürfnisse mal zurückstecken und uneigennützig tätig sein. Es gibt vielleicht Phasen, in denen man langweilige Aufgaben hat, dann gilt es, die eigene Disziplin unter Beweis zu stellen. Es gilt vielleicht auch, unter Beweis zu stellen, dass man auch langweilige Tätigkeiten spiritualisieren kann, zum Beispiel, indem man ein Mantra wiederholt, Achtsamkeit im Alltag übt. Oder es gibt Phasen, wo man ungerecht behandelt wird. Dann kann man lernen, sich mehr durchzusetzen, mutig zu sein oder geduldig zu sein, loszulassen, Kränkungen zu überwinden. Es gibt so vieles, was man im beruflichen Leben lernt, das man von einer spirituellen Warte aus sehen kann, und was einem helfen kann, spirituell zu wachsen.

Man kann jetzt verschiedene Arten unterscheiden. Zum einen kann man sagen, es gibt berufliche Tätigkeiten, die alle vier Aspekte gut berühren. Es ist ein Job, der einem Spaß macht, Freude macht, wo man mit netten Kollegen zusammen ist und Spaß hat, Kama.

Zum anderen gibt der Beruf einem auch genügend finanzielle Mittel und das Gefühl des Erfolgs und man bekommt die Anerkennung, die man braucht, Artha. Man tut dabei etwas Gutes, man hat das Gefühl, das, was man macht, ist sinnvoll und man hat außerdem das Gefühl, dass die eigenen Fähigkeiten entwickelt werden und man kann seine besonderen Fähigkeiten einbringen, Dharma.

Und man hat auch das Gefühl, durch die Herausforderungen im Beruf wächst man spirituell und man kann sich selbst zum Instrument des Göttlichen machen und es blitzen im Beruf immer wieder Erfahrungen des Göttlichen auf. Dann würde man sagen, das ist eine berufliche Tätigkeit, in der alle vier Purushartas wichtig sind und berücksichtigt werden.

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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