In diesem Teil der Reihe aus der großen Reihe Yoga Vidya Schulung, geht es um 3 wichtige Hindernisse auf dem spirituellen Weg. Dies ist ein Thema, das Swami Sivananda besonders in seinem Buch „Sadhana“ beschreibt, da gibt es ein Kapitel über den Geist des Aspiranten, des Suchenden. Dieses Kapitel ist auch im Yoga Vidya Yogalehrer Handbuch abgedruckt.

Es gibt drei Haupthindernisse:

  • Vorgefasste Ideen und Vorurteile
  • Eingebildete Pflichten
  • Umgang mit Schwierigkeiten und Anstrengungen
  1. Hindernis: Vorgefasste Ideen und Vorurteile

Zitat aus „Sadhana“ von Swami Sivananda:

„Der/die Sadhana beginnt das spirituelle Leben mit bestimmten eigenen Vorstellungen über Sadhana, die spirituelle Praxis, über Selbstverwirklichung, über Guru, spirituellen Lehrer und ähnlichem. Diese Vorstellungen können sich in tiefe Vorurteile verfestigen. Tatsächlich jedoch ist das spirituelle Leben ganz anders als die individuelle Einbildung es glaubt.

Es ist wichtig sich bewusst zu sein, auf dem spirituellen Weg Vorstellungen darüber zu haben, wie er sein soll. Du hast Vorstellungen, wie ein Yogalehrer, ein spiritueller Lehrer sich verhalten soll, du hast Vorstellungen, wie ein Aspirant sich zu verhalten hat, du hast Vorstellungen, wie spirituelle Praxis sein sollte, wie spiritueller Fortschritt sein sollte, vielleicht auch davon, wo du selbst stehst. Diese Vorstellungen werden auf dem spirituellen Weg enttäuscht werden und das ist gut, denn enttäuscht heißt aus der Täuschung heraus zu kommen. Wenn der spirituelle Weg so wäre, wie du es dir vorstellst, dann würdest du einfach nur deine Fantasien ausleben, das kannst du ja im Traum machen, du könntest dir vorstellen, wie du den spirituellen Weg gehst, kannst dir auch ein eigenes Theaterstück daraus machen oder visualisieren, in deiner Fantasie kannst du es ausleben.

Aber so ist der spirituelle Weg nicht. So ist ein wichtiger Aspekt des spirituellen Weges: Habe einen offenen Geist, frei von Vorurteilen. Es ist gut ethische Wertvorstellungen zu haben, die sollte man schon haben und die sollte man sich auch nicht ausreden lassen, im Yoga sind das Satya, Ahimsa, Asteya, Brahmacharya, Aparigraha und daran sollte man schon Lehrer messen. Da gehört Nichtverletzen dazu, also wenn du einen Lehrer hast, der zu Gewalt aufruft, ist er wahrscheinlich nicht der richtige. Wenn du jemanden hast, der ständig andere anlügt, ist er auch nicht der richtige. Wenn du jemanden hast, der betrügt, solltest du ihn nicht als Lehrer akzeptieren. Wenn ein Lehrer bezüglich Sexualethik das eine predigt und das andere lebt, ist er auch nicht der richtige Lehrer. Wenn du jemanden hast, der andere besticht oder bestochen werden kann, ist er auch nicht der richtige. Manche Vorstellungen solltest du nicht zur Seite geben. Der Ratschlag, den ich gebe, der ist durchaus mit Vorsicht zu genießen. Also sei vorurteilsfrei, aber nicht wertfrei.

Menschen gehen in einen Ashram und denken, dort müsste alles vollkommen sein. Jeder, der im Ashram ist, geht liebevoll mit anderen um und dann stellst du fest, dass Leute sich an Essensschlangen vordrängeln, dass Leute an der Rezeption an einem langen Anreisetag auch mal genervt reagieren, du stellst fest, dass ein Vortragender deine Frage nicht richtig versteht. Da siehst du, du hast die heile Welt zu sehr in einen Ashram projiziert. Und es gibt gute Gründe, dass diese heile Welt nicht da ist in dieser physischen Welt. Wir lernen durch Herausforderungen, wir lernen auch dadurch, dass Dinge eben nicht so sind, wie wir sie gerne hätten. So sagt Swami Sivananda zum Ende dieses Abschnittes über das erste Hindernis: „Gehe das Leben eines Aspiranten, einer Aspirantin, mit geistiger Offenheit. Löse dich von deinen Vorstellungen und deinen Vorurteilen, die vom Ego erzeugt wurden. Nähere dich den spirituellen Dingen mit einer ernsthaften, offenen empfangsbereiten Einstellung gepaart mit dem Wunsch zu lernen. Sei bereit deine geistige Einstellung und deine spirituelle Praxis dem anzupassen, was du lernst, anstatt zu wünschen, dass alles sich deiner geistigen Vorstellung anpasst. Den Lieblingsvorstellungen zu entsagen ist sehr notwendig, wenn du auf dem spirituellen Weg beständig und harmonisch voranschreiten willst.“

Vielleicht magst du jetzt einen Moment innehalten und überlegen welche Vorurteile, Vorstellungen, vielleicht auch romantischen Vorstellungen vom spirituellen Weg du hast, welche wurden vielleicht schon bisher auf deinem Weg enttäuscht und bist du bereit, deinen Vorstellungen zu entsagen, um anderes zuzulassen? Und was sind vielleicht wichtige ethische Prinzipien, die du nicht aufgeben solltest, die du selbst dann nicht aufgeben solltest, wenn das in einer Gemeinschaft oder von einem Lehrer verlangt werden würde? Auch das ist wichtig, weil es so viele Menschheitsverführer gibt.

  1. Hindernis: Vorstellungen von Pflichten

Dazu zählen zusätzliche Pflichten, die man sich aufhalst, um den spirituellen Weg nicht zu gehen. Ein paar Sätze von Swami Sivananda: „Das zweite Problem, mit dem fast jeder Anfänger zu tun bekommt, hängt mit den Vorstellungen von Verpflichtungen zusammen. Oft ist es so, dass vor dem Anfang des spirituellen Sadhanas diese Pflichten eben nicht da sind, aber wenn du mit Sadhana ernsthaft beginnen willst, siehst du dich plötzlich allen möglichen neuen Verpflichtungen gegenüber Familie, Freunden und anderen, die deinem Sadhana im Wege stehen“.

Natürlich hast du Verpflichtungen und Seva – dienen ist etwas Wichtiges; Dharma, seine Aufgaben zu erledigen ist etwas Wichtiges auf dem spirituellen Weg. Aber es passiert manchmal, dass Menschen, die den spirituellen Weg zu gehen beginnen, sich plötzlich neuer Aufgaben annehmen um eben keine Zeit für spirituelle Praktiken haben.

 

  1. Hindernis: Umgang mit Schwierigkeiten und Anstrengungen

Sadhana ist nicht immer einfach, Swami Sivananda sagt dazu: „Wenn du regelmäßig Sadhana praktizierst, kann es sein, dass du überall Hindernissen entgegentrittst. Du magst sogar denken, dass es dir vorher besser ging. Sei nicht traurig, es gibt Gründe dafür“, und es gibt verschiedene Gründe, warum man am Anfang diese Widerstände hat, der erste, den er beschreibt, ist: „Spirituell zu praktizieren heißt regelmäßig stromauf gegen die uralten Gewohnheiten zu schwimmen“, also dein Leben umzustellen, was gar nicht so einfach ist. Wenn du dir vornimmst, jeden Tag Yoga zu praktizieren, deine Ernährung sattwig zu gestalten, wenn du dir vornimmst freundlich und liebevoll mit deinen Mitmenschen umzugehen, wenn du dir vornimmst auch sonst dein Leben sattwig zu gestalten, wirst du merken, dass der Gemütlichkeitsaspekt hinein kommt. Du willst morgens länger schlafen oder plötzlich kommt die Gier nach einer unsattwigen Nahrung oder es kommt Ärger und eine Angst auf. Das heißt alte Gewohnheiten kommen wieder und so könnte man sagen, es gibt verschiedene Hindernisse:

  • Bergauf zu gehen ist anstrengend. Wenn du bergauf Fahrrad fährst, ist das anstrengend, bergab ist einfach, aber wo entwickelst du deine Muskeln? Beim Bergauffahren. Und so kann es am Anfang sein, dass es anstrengend ist und es kann auch sein, dass du etwas langsamer gehen musst und es kann sein, dass du dir zwischendurch eine Pause gönnst, zwar praktizierst, aber du musst nicht an einem Tag den 3000er hochfahren mit dem Fahrrad. Aber gehe den Weg, sei dir bewusst es ist anstrengend, aber mit jeder Anstrengung wirst du stärker.
  • Was auch anstrengend sein kann, ist überhaupt, dass du die andere Richtung gehen willst und du bemerkst, wie viele Dinge du tust, die spirituell nicht okay sind. Wenn du vorher einfach gegessen hast, was du gemocht hast und jetzt beim Essen dir Disziplin auferlegst, nicht zu früh, nicht zu spät, das was ökologisch verträglich ist, nicht zu viel Zucker, keine tierischen Produkte, da merkst du plötzlich wie viele Wünsche in dir schlummern, wie viele Widerstände dort sind. Wenn du dir vornimmst, liebevoll mit anderen Menschen zu sprechen, wirst du dir bewusst, wie häufig du aus Ärger und Gekränktheit sprichst. Wenn du dir vornimmst, morgens früh aufzustehen, wirst du feststellen, wie gemütlich du doch ansonsten bist und wie schwierig es dir fällt. Also das Bemerken, dass noch einiges zu tun ist, an sich ist schmerzhaft, es zu ändern ist anstrengend.
  • Wenn du Gutes tun willst, kommt manches an die Oberfläche, was vorher tief in dir drin war. Es kann sein, dass du meditierst und während du meditierst, vielleicht über liebevolle Güte – Maitri Bhavana – plötzlich in dir Aggression hochkommt. Es kann sein, dass du über „Anandoham“ meditierst – ich bin Freude – und plötzlich kommt abgrundtiefe Traurigkeit und Verlassenheit. Du meditierst über das Göttliche an sich und plötzlich kommt dir hoch, was für tiefe Kränkungen dir vielleicht als Kind zugefügt wurden. So kommt also manches aus deinem Unterbewusstsein zur Oberfläche und das ist gut so. Mein Tipp wäre hier nicht zu viel drüber nachzudenken, woher und warum das kommt, sondern du kannst lieber froh darüber sein, dass es an die Oberfläche kommt, eine Spannung, die tief in dir ist, kommt an die Oberfläche. Schaue sie an, identifiziere dich nicht, projiziere nicht, lasse los, mache weiter mit deiner Praxis und du kommst zu dem, was tiefer ist.

Zum Ende dieser Lektion der letzte Absatz aus dem Kapitel „Der Geist des Suchenden“ von Swami Sivananda: „Gehe den Sadhana Marga, den spirituellen Weg, mit einem offenen Geist ohne Vorurteile. Sei dir des höchsten Zieles des Lebens, Sadhana zu praktizieren für die Gottverwirklichung, bewusst. Trage ruhig und heiter alle anfänglichen Prüfungen, Versuchungen, Widerstände. Du wirst das ewige Leben, unvergessliches Strahlen, Frieden und Wonne ernten.“

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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