In dieser Lektion im Rahmen der Vortragsreihe über den spirituellen Weg aus der Yoga Vidya Schulung „Ganzheitliche Entwicklung des Menschen“ geht es um Wünsche und Bedürfnisse vom spirituellen Standpunkt aus, die vier Purusharthas, die vier Ebenen von menschlichen Wünschen und Bedürfnissen.

Purushartha“ heißt Bedürfnisse, Wünsche und Bestrebungen des Menschen. „Purusha“ heißt unter anderem Mensch, das Wort hat noch andere Bedeutungen, „Artha“ heißt hier Bestrebung, Wunsch und in diesem Kontext sind die Purushartas die Wünsche und Bestrebungen des Menschen. Der Mensch hat auf dieser Welt Bestrebungen und Wünsche auf vier verschiedenen Ebenen und ein spiritueller Aspirant hat auch Wünsche und Bestrebungen auf allen vier Ebenen. Manche Menschen haben mehr Bedürfnisse auf der einen Ebenen als auf anderen und bei vielen Menschen kommt mal die eine Ebene, mal die andere zum Vorschein. Der Trick oder die Aufgabe des spirituellen Aspiranten wäre die wichtigen Bedürfnisse kennenzulernen, diese auf sattwige Weise teilweise zu befriedigen, auf andere zu verzichten, mit allem verhaftungslos umzugehen und alles auf Gott auszurichten.

Die vier Bedürfniskategorien sind:

  • Kama – Sinnesbefriedigung, sinnlich-emotionale Bedürfnisse des Menschen
  • Artha – Wunsch nach finanzieller Sicherheit, beruflichem Erfolg, Ansehen
  • Dharma – Gutes bewirken in der Welt, Fähigkeiten und Kräfte entfalten
  • Moksha – Befreiung, Gottverwirklichung

4 Purusharthas

Der Mensch hat auf allen vier Ebenen Bedürfnisse, aber es gibt Menschen, bei denen spielt die eine Bedürfniskategorie eine stärkere Rolle als bei anderen. Es gibt z.B. Menschen, bei denen ist Kama besonders wichtig, Sinnesbefriedigung und emotionale Bedürfnisse. Diese Menschen sind relativ zufrieden, wenn sie ein schönes Zuhause haben, schön in den Urlaub fahren können, ihr gutes Essen und Trinken haben und nette Menschen um sich herum haben. Es gibt auch eine Tradition, die würde sagen, der Mensch bei dem Kama überwiegt, ist ein Shudra, und man würde ihm empfehlen, diesen Wünschen und Bedürfnissen besonders nachzugehen und ein Leben entsprechend geprägt zu führen und dennoch alles Gott darzubringen.

Artha, die zweite Ebene, bedeutet Streben nach beruflichem Erfolg, nach Anerkennung und auch nach mehr Geld. Als nach Artha Strebende würden die sogenannten Vaishyas bezeichnet. Vaishya wird oft ungenügend als Kaufmann übersetzt, bezieht sich aber allgemein auf Menschen, denen Erfolg, und Geld besonders wichtig ist, insbesondere Erfolg im Materiellen, man kann ja auch spirituellen oder zwischenmenschlichen Erfolg haben. Menschen, denen Artha besonders wichtig ist, sind bereit auf vieles von der Ebene von Kama zu verzichten. Sie wären bereit 8 - 12 Stunden am Tag zu arbeiten, ihr Mittagessen zu überspringen, sie sind bereit auch ihre Beziehungen aufs Spiel zu setzen, die Familie tritt in den Hintergrund, alles ist ausgerichtet auf den beruflichen Erfolg. Menschen, bei denen das stark ist, die haben eine Riesenenergie und können dort scheinbar eine Menge bewirken. Wenn Artha besonders wichtig ist, würde man vom spirituellen Standpunkt sagen, dieser Teil sollte ethisch und spirituell ausgelebt werden und es braucht auch einen gewissen Ausgleich und Respekt auch für andere Menschen.

Wem es besonders um Dharma geht, der kann als Kshatriya bezeichnet werden. Kshatriya wird oft übersetzt als Krieger, aber das trifft es nicht ganz. Kshatriya ist derjenige, der darum kämpft oder sich bemüht Gutes zu bewirken. Dharma ist einer der Ausdrücke, der sehr viele verschiedene Bedeutungen hat. Es heißt Verantwortung, Pflicht, Aufgabe, Rechtschaffenheit, rechtes Leben, kosmische Ordnung; es ist das, was die Welt zusammenhält. Im Kontext der vier Purusharthas bedeutet Dharma, dass man es sich zur Aufgabe gemacht hat, Gutes in der Welt zu bewirken. Man will Gutes in dieser Welt tun und der Hintergrund ist zu sagen: „Möge die Welt etwas Besseres werden, dafür will ich mich einsetzen.“ Ein zweiter Aspekt von Dharma ist seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und zu kultivieren, was manchmal als Selbstverwirklichung im Sinne der humanistischen Psychologie bezeichnet wird. Im Unterschied zur spirituellen Selbstverwirklichung ist die Verwirklichung des höchsten Selbst jenseits aller Individualität, die absolute Einheit. Selbstverwirklichung im Sinne der humanistischen Psychologie bedeutet seine eigenen Fähigkeiten und Talente zum Ausdruck zu bringen, sich besser kennenzulernen und das zu tun, was man tief vom Inneren heraus will. Das sind zwei Aspekte von Dharma. Menschen für die Dharma besonders wichtig ist, sind bereit dafür alles aufzuopfern. Es gibt viele Menschen, die alles dafür aufgeopfert haben, z. B. Mahatma Gandhi, er gehörte zu den großen Heiligen des 20. Jh. Er hat sein Leben eingesetzt für das Gute, für die Unabhängigkeit Indiens. Er hat sich auch für den Ausgleich zwischen Moslems und Hindus, für die Gleichberechtigung der Frau gegenüber Männern, gegen die Ungleichbehandlung der Kasten, für das Gute der Ökologie, für die Umwelt u. v. m. eingesetzt. Dafür war er bereit alles zu machen, er ist ins Gefängnis gegangen, hat gefastet, hat gelebt und ist vollständig in seinen Aufgaben aufgegangen. So gibt es viele Menschen, auch z. B. Albert Schweitzer, der nach Afrika ging, um sich dort als Arzt für die Armen einzusetzen, hat alles dafür eingesetzt.

Dann gibt es das Streben nach Moksha – Befreiung. Wer nach Moksha strebt, ist ein Brahmana, man könnte auch sagen, einer der nach Brahman strebt. Auch hier gilt wiederum, wenn der Wunsch nach Moksha stärker ist, als alle anderen Wünsche, ist das ganze Leben davon geprägt und es heißt auch, wenn der Wunsch nach Moksha, also Mumukshutva, stärker ist als alle anderen Wünsche, dann wirst du Moksha noch in diesem Leben erfahren. Wenn Moksha einer der Wünsche ist, dann kannst du dein Leben trotzdem spirituell ausrichten, aber vielleicht wirst du es nicht vollständig in diesem Leben erreichen und dann wirst du vielleicht wiedergeboren werden und es im nächsten Leben erreichen und eventuell nach dem Tod die letzten Schritte gehen.

Es gilt zu schauen, was in einem selbst überwiegend ist und wie man es leben kann.

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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