Vicharana heißt richtiges Streben, Vicharana ist die systematische spirituelle Praxis. Vicharana ist die zweite Bhumika, die zweite Stufe, die zweite Ebene der spirituellen Praxis, die zweite Aufgabe des spirituellen Weges.

Vicharana, die zweite der Bhumikas, ihr geht Shubheccha voraus, die spirituelle Sehnsucht, nach Vicharana folgt Tanumanasa, transparent werden zu einer höheren Wirklichkeit. Sattvapatti, Erlangen von Reinheit, schließlich Asamsakti, die Erleuchtung, die dazu führt, dass man von nichts mehr im Inneren negativ berührt wird, was bis zur vollständigen Verschmelzung mit dem Göttlichen geht. Vicharana, also die zweite Ebene, und diese Ebene sind ganz besonders wichtig, es ist die Ebene wo man besonders bewusst praktiziert. Vicharana heißt zum einen, dass wir unser Leben an den sieben spirituellen Prinzipien ausrichten und Vicharana heißt auch, dass man die Sadhana Chatushtaya, die man im Shubheccha zum Erwachen gespürt hat, weiter entwickelt. In Vicharana geht man weiter in die Viveka, man könnte sogar sagen, in Vicharana ist Viveka von besonderer Wichtigkeit, Viveka heißt die Unterscheidungskraft.

Vicharana heißt wörtlich die rechte Fragestellung, die rechte Untersuchung. Vicharana heißt, man stellt sich bei allem die Frage: Was hilft mir zur Erleuchtung zu kommen? Wie kann ich Gott erfahren? Vicharana heißt also dem Leben einen Sinn geben, zu sagen: Ja, ich habe es erkannt, es muss eine höhere Wirklichkeit geben, diese will ich erreichen.

Man könnte Vicharana noch in mehreren Intensitäten ansehen. In der intensiven Form von Vicharana weiß man, hat die Überzeugung, das tiefe Vertrauen, man weiß von innen heraus, es gibt die höchste Wirklichkeit, die man erreichen will, das Ziel des Lebens ist Gottverwirklichung. Dann überlegt man und das ist Viveka. Was führt dorthin? Und alle Aspekte des Lebens werden vor der Frage überprüft: Was hilft mir zur Gottverwirklichung zu kommen, was hilft mir, ein sinnvolles Leben zu führen, wie kann ich so leben, wie die höhere Wirklichkeit vielleicht durch mich wirken will?

Auf Vicharana entwickelt man auch Vairagya, das heißt ein inneres Lösen von Erwartungen, Vorstellungen, Wünschen. Auf Vicharana entwickelt man Shatsampat, die Tugenden der Gelassenheit, auf Vicharana entwickelt man Mumukshutva, die Sehnsucht nach Befreiung, die in Shubheccha immer tiefer erwacht ist, man gibt ihr Nahrung. Wenn man so Vicharana übt, gelangt man irgendwann in Tanumanasa und in Tanumanasa wird man von der Intuition geleitet, man hat das Gefühl der beständigen Führung durch Gott. Auf Vicharana hat man dieses Gefühl gelegentlich und manche Menschen fluktuieren auch zwischen Vicharana und Tanumanasa, manchmal ist es klar, was zu tun ist, manchmal spürt man es, manchmal ist der Ruf der Seele stark und manchmal ist er nicht so stark und man muss wieder Viveka nutzen, die Unterscheidungskraft. Und diese Unterscheidungskraft nutzt man, um den spirituellen Weg zu leben. Das heißt, man sieht einen Sinn im Leben, man macht sich bewusst: Hinter allem gibt es die höhere Wirklichkeit, Brahman, das relative Leben und die Art und Weise wie Geist, Sinne, Emotionen, die Welt wahrnehmen, ist Maya, eine Illusion. Solange nicht die Erleuchtung erlangt ist, gibt es immer wieder Duhkha, immer wieder Leiden. Das ist nicht weiter tragisch, denn langfristig komme ich zu Moksha, zur Befreiung und auf dem Weg dorthin werde ich immer wieder Brahman erfahren. Ich habe großes Vertrauen, dass die Gnade Gottes, Kripa, mich immer mehr in göttliche und spirituelle Erfahrungen führt, aber ich kann auch einiges tun, Abhyasa, ich kann Sadhana üben, spirituelle Praktiken üben, ich will mit anderen Menschen zusammen praktizieren, Satsang, ich will mein Leben sattwig, rein ausrichten und ich sehe mein Leben auch als Seva, als Dienst, Dienst an der Menschheit, Dienst an Gott und ich möchte auch in der spirituellen Tradition, in der ich bin, spirituellen Dienst leisten, um mich dort noch tiefer zu verankern und ich möchte in dem, was mir geschieht, auch die spirituellen Lektionen sehen, Karma, und ich möchte den Teil tun, der irgendwo von einem höheren Ganzen sich durch mich manifestieren will. So ist also Vicharana das systematische Gehen des spirituellen Weges und dabei gibt es verschiedene Aufgaben.  

 

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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