Mit diesem Vortrag folgt ein kleiner Ausflug in die lutherische Theologie im Rahmen der Yoga-Vidya-Schulung. Ich möchte betonen, dass Yoga-Spiritualität nicht an eine bestimmte Religion gebunden ist. Spiritualität ist überhaupt religionsübergreifend.

Spiritualität heißt, sein Leben auf eine höhere Wirklichkeit auszurichten. Das Ziel ist die höhere Wirklichkeit zu erfahren und dass diese durch uns hindurch wirken kann. Spiritualität heißt die Liebe zu Gott und zu den Tiefen seines Wesens. Es bedeutet die Liebe zu anderen Menschen und die Liebe zu Gottesschöpfung.

Die sieben Worte spiritueller Philosophie und Prinzipien finden wir in den meisten anderen spirituellen Traditionen wieder. Dazu möchte ich ein paar Worte, insbesondere vom Standpunkt der lutherischen Theologie, sagen.

Sieben Worte spiritueller Philosophie

  1. Brahman – es gibt eine höhere Wirklichkeit.
  2. Maya – die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist nicht so wie wir sie wahrnehmen. Was wir als getrennt und in der Dualität in Zeit und Raum und als Materie wahrnehmen, ist nicht wirklich. Diese Wahrnehmung ist Maya.
  3. Solange wir in dieser Getrenntheit und Maya leben sind wir in Duhkha, einem Leiden.
  4. Aufgabe des Menschen ist es zu Moksha zu kommen. Moksha heißt zur Befreiung, zur Erlösung, zur Selbstverwirklichung, zur Gottverwirklichung zu kommen.
  5. Um dort hinzukommen, gilt es Abhyasa zu praktizieren. Damit ist das Üben von spirituellen Praktiken gemeint.
  6. Wir gehen von Karma aus. Karma bedeuten Gottesaufgaben, die auf uns zu kommen. Wir gehen davon aus, dass das was auf uns zukommt, Lernaufgaben sind.
  7. Wir vertrauen darauf, dass wir durch Kripa, durch Gnade, zum Höchsten kommen.

Diese Thesen stelle ich nun anhand der christlichen Theologie dar, um sie in Beziehung zu setzen.

Die christliche Theologie ist sehr komplex und sie beinhaltet sehr viele verschiedene Aspekte. Christliche Theologie wird seit Jahrhunderten an Universitäten gelehrt. Es gibt sehr viele kluge Köpfe, die sich damit beschäftigt haben.

Diese bitte ich um Entschuldigung, dass ich das Ganze jetzt erstens vereinfache und zweitens auf ein paar Schlagworte reduziere. Nicht, weil ich damit hoffe christlicher Theologie gerecht zu werden, das kann ich als Nichttheologe nicht machen. Sondern, in dem Wunsch Verbindungen herzustellen. Es stellt keinen akademischen Vortrag dar. Mit meinen Auslegungen möchte ich auch von niemandem die religiösen Gefühle verletzen, wenn ich dort vielleicht etwas anderes sage, als jemand tief im Inneren glaubt. Mein Anliegen besteht darin vielmehr zu zeigen, dass es bestimmte Ähnlichkeiten vorhanden sind.

Diese Ähnlichkeiten weisen einige Bezüge auf, die in Verbindung mit der christlichen Theologie stehen, insbesondere der lutherischen Theologie, mit der ich am vertrautesten bin, weil ich damit aufgewachsen bin. Die evangelische Religion war eines meiner Abiturprüfungsfächer. Ich habe mich seitdem immer wieder damit beschäftigt. Nicht nur mit Mystikern, sondern mit verschiedenen theologischen Strömungen im katholischen und evangelischen Christentum.

Brahman würde hier Gott entsprechen. Gott ist allmächtig, allgegenwärtig, allwissend.

Maya könnte man in diesem Bezug mit der sogenannten Ursünde übersetzen. Es soll heißen, dass man Sünde als Absonderung interpretieren kann. Wir müssen es nicht unbedingt entsprechend der Interpretation von früher darstellen.

Adam, der sich von Eva dazu verleiten lassen hat, der Versuchung der Schlange zu folgen und von einem Apfel zu beißen, woraufhin alle Probleme kamen. Wenn wir es uns genauer anschauen, ist es der Baum der Erkenntnis. Als sie von diesem einen Apfel gegessen hatten, sahen sie, dass sie nackt waren. Der Baum der Erkenntnis stellt die Absonderung von mir zu anderen dar. Damit ich etwas erkennen kann, bin ich in der Dualität. Sich anschließend nackt zu fühlen heißt, dass man die äußere Welt als bedrohlich wahrnimmt. Man könnte daraus interpretieren, dass die Ursünde wie die Maya ist. Wir sind abgesondert vom Göttlichen und in die Dualität hineingeworfen.

Als Nächstes folgt, dass Gott Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben hat. Es heißt, dass Frauen unter Schmerzen gebären müssen und der Mensch im Schweiße seines Angesichts seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Das heißt letztlich, solange man in der Ursünde gefangen ist, kommt man ins Leiden.

Dazu gibt es verschiedene christliche Ausdrücke. Hier sagt die Theologie, dass es die Erlösung gibt. Erlösung heißt, dass wir aus der Ursünde herauskommen und Gott erfahren. Die Erlösung kommt aus der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Hier muss man wissen, dass in der Sprache der Bibel Rechtfertigung bedeutet, dass der Mensch sich von der Sünde befreit und dann Gott erfahren kann. Das ist die Erlösung. Ähnlich finden wir in der Bibel öfter die Aussage von Gerechten. Ein Gerechter ist nicht jemand, der gerecht mit anderen Menschen umgeht. Ein Gerechter ist letztlich einer, der Gott erfahren hat.

Luther hat sehr großen Wert auf die Gnade gelegt, auf Kripa. Er hat sogar gesagt: „Sola Gratia.“ Allein durch die Gnade kann der Mensch die Erlösung erlangen, nicht durch eigene Werke. Das scheint dem zu widersprechen. Aber das ist die große Betonung „Sola Gratia.“

Wie kommen wir zu dieser Gnade? Er sagt: „Sola Fide.“ Es geschieht allein durch den Glauben.

Wie kommen wir zu diesem Glauben? Durch „Sola Scriptura“ erfolgt dies. Allein durch die Schrift.

Karma bedeutet Folgendes: Es steht für ein religiöses Leben bzw. einen religösen Alltag. Es gibt im Christentum verschiedenste theologische Aussagen.

Die heute oft wiederholte Aussage ist: „Wir wissen nicht, warum die Welt geschaffen ist. Wir wissen nicht, warum Gott all das macht, was ist. Menschlicher Verstand ist zu klein, um das zu verstehen. Wir gehen aber davon aus, dass es irgendwo sinnvoll ist und dass Gott, der allmächtig, allgegenwärtig, allwissend ist, dass er uns auch die Aufgaben gibt, die wir brauchen.“

Jesus sagt: „Vater, dein Wille geschehe.“ In einem Psalm heißt es: „Zeige mir dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten.“

Man ist der Annahme, dass der Alltag etwas ist, den wir auf Gott aufrichten können. Wir können in unserem Alltag lernen und Gott dienen. Der Alltag wurde uns von Gott geschenkt.

 

Mehr Informationen über Yoga und weitere Vorträge, Artikel über alle Aspekte von Yoga, über Christentum u. a. Religionen aus Sicht des Yoga, Yoga aus christlicher Sicht, findest du auf www.yoga-vidya.de

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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