YVS035 7 Prinzipien spiritueller Philosophie

Die 7 Aspekte spiritueller Philosophie. Was heißt es überhaupt “spirituell“ zu sein? Was heißt spirituelles Leben? Was heißt, sein Leben auf spirituelle Grundsätze auszurichten? 

Spirituell kommt vom Substantiv Spiritualität. Spirituell bedeutet, sein Leben auf eine höhere Wirklichkeit auszurichten und sich bewusst zu machen, dass hinter allem eine höhere Wirklichkeit ist.  
Um zu verstehen, was spirituell heißt, gibt es die sieben Worte der spirituellen Philosophie. Man könnte auch sagen: “Die sieben Prinzipien spiritueller Philosophie“.  

Diese Aspekte sind alle in Sanskrit festgehalten worden. Sanskrit ist die Sprache, die hinter dem Yoga steht. Sanskrit ist eine Sprache, die auf Spiritualität ausgerichtet ist. Es ist eine Sprache voller Kraft, die alles, was Yoga ausmacht, ausdrückt.  

Das erste dieser sieben Aspekte ist: „Brahman“. “Brahman” bedeutet “das Absolute”. Das Konzept von Brahman bedeutet, dass hinter allem eine höhere Wirklichkeit steht und dass diese höhere Wirklichkeit erfahrbar ist. Wir können “Brahman” erfahren, das ist die große Behauptung. Spiritualität sagt auch was auch immer wir erleben, es ist eine Manifestation des Göttlichen. 

Der zweite Aspekt ist „Maya“. “Maya“ bedeutet Illusion, Täuschung, das, was scheinbar erschafft: So wie wir die Welt sehen, ist sie nicht wirklich. Wir nehmen im Alltag normalerweise “Brahman” nicht wahr, sondern wir nehmen eine Welt wahr, die getrennt ist von “Brahman”. Eine Welt, die scheinbar Materie ist, die in Zeit, Raum und Kausalität aufgebaut ist. Eine Welt der Dualität: Ich und Du. Ich und Welt. Eine Welt von Trennungen. Diese Trennungen sind aber alle Maya/Täuschung. Auch die Physik sagt, dass Alles mit Allem zusammenhängt. Und auch wenn wir genau überlegen und in uns gehen, spüren wir, dass wir nicht so getrennt von Allem sind, wie wir im Alltag oft meinen. Mit jedem Atemzug verbinden wir uns mit unserer Umgebung, mit jeder Aufnahme von Nahrung nehmen wir etwas in uns auf. Mit jeder Ausatmung oder Ausscheidung unseres Körpers geben wir wieder etwas ab. Auch über unsere Sinne sind wir mit unserer Umwelt verbunden, auch wenn wir das nicht bewusst wahrnehmen. Das bedeutet allerdings auch, dass unser Körper und unsere Psyche voneinander getrennt sind. Und wir sind auch getrennt von anderen Körpern und Psychen. Dies stellt uns vor diverse Herausforderungen: Unsere Ansprüche, Wünsche und vieles mehr kann dazu führen, dass wir manchmal verzweifeln, ängstlich oder deprimiert sind, aber auch freudvoll. Wir sind unseren Gefühlen völlig ausgeliefert. Das kommt daher, dass wir nicht erfahren, wer wir wirklich sind. Also der Täuschung, “Maya“ unterworfen sind: Wir nehmen die Welt nicht so wahr, wie sie wirklich ist. Die Konsequenz daraus ist: „Duhkha“. Duhkha heißt Leiden.

In der Yoga-Philosophie heißt es, dass das Leben, die Existenz grundsätzlich aus Leiden besteht. Man könnte auch sagen, Duhkha ist existenzielles Leiden. Wir erfahren Duhkha, weil wir in Maya, in der Täuschung leben und Brahman nicht erfahren können. Duhkha erfahren wir, weil wir nicht bekommen, was wir gerne hätten, uns wünschen. Duhkha wird nicht dadurch beseitigt, dass Menschen nett zu uns sind, dass unser Vorgesetzte uns lobt oder dadurch, dass wir eine schöne Zeit mit unserem/r Partner/in haben.  
Duhkha heißt auch, dass wir darunter leiden, dass das Leben endlich ist, dass die Erfahrungen endlich sind, auch die schönen Erfahrungen irgendwann vorbei sind und man weiß, dass das Glück, dass wir momentan erfahren, nicht für immer währen wird.  
Das Prinzip von Duhkha besagt: Solange wir in Maya/Täuschung sind und Brahman nicht erfahren, sind wir im Leiden. Egal wie viel Geld wir haben, egal wie nett Menschen zu einem sind, egal wie toll Menschen in der direkten Umgebung sind, egal was man tun und lassen kann, Duhkha kommt schon allein deshalb, weil das Leben endlich ist.  
Solange man in Maya ist, ist man in der Dualität gefangen, und daher im Leiden.  
Aus Duhkha entfliehen wir nur dann, wenn wir es schaffen, der Täuschung zu entfliehen. Das geschieht dann, wenn wir hinter die Leinwand / Maya schauen und Brahman erfahren.  

Die gute Botschaft: Moksha/die Befreiung ist möglich!
Und zwar dann, wenn wir in diesem Leben Brahman erfahren.  
Und wenn wir Brahman, das Göttliche erfahren, dann erfahren wir uns selbst als Sat-Chid-Ananda. Das bedeutet: Sein-Wissen-Glückseligkeit – Eins sein mit der Weltenseele, Eins sein mit dem Göttlichen.  
Moksha vollzieht sich in Etappen. Es gibt kleine Moksha- und Brahman Erfahrungen und große.  
Das ist spirituelles Leben: Zwischendurch das Göttliche in uns, in anderen erfahren, in Begegnungen, in der Natur und in dem was wir tun.  
 
Wie kommen wir aber zu Moksha? Und hier sei gesagt, es gibt tatsächlich auch endgültiges Moksha: die Erlösung, die Befreiung, die Erleuchtung, Unio Mystica, die endgültige Gottverwirklichung, Selbstverwirklichung und Einheit. Aber wie kommen wir dorthin? 

Und hier kommen die drei weiteren Aspekte spiritueller Philosophie: Abhyasa, Karma und Kripa.  
Abhyasa heißt Übung.  
Wir können selbst etwas tun, um auf dem spirituellen Weg voranzukommen. Das mag für dich jetzt selbstverständlich klingen, aber es gibt auch religiöse Systeme, die sagen, dass der Einzelne nichts machen kann, sondern dass alles nur von der Gnade Gottes abhängt.  
Im Yoga und auch in den meisten anderen spirituellen Übungssystemen wird davon gesprochen, dass wir auch selbst etwas tun können, und zwar durch Abhyasa/Übung: 
 
Die vier großen „S“ im Yoga-System:  

  • Sadhana: Spirituelle Praxis: Asanas, Pranayama, Meditation und Mantra Rezitation
  • Satsang: Gemeinsame spirituelle Praxis.
  • Sattwa: Reiner und ethischer Lebensstil. Und spirituelle Prinzipien in Beruf, Partnerschaft, Familie, Wohnen, Hobby umsetzten und leben. 
  • Seva: Dienst am Nächsten. Im engeren Sinne bedeutet dies, Dienst und Engagement an seinem spirituellen Führer und innerhalb der spirituellen Gemeinschaft,  
    im weiteren Sinne heißt Seva, alles, was man tut darauf auszurichten Gutes zu tun. Gott, die Menschheit, Mutter Erde zu dienen und alles, was man tut, als Dienst für Andere zu begreifen. 

All das sind Aspekte von Abhyasa, der spirituellen Praxis.  
 
Ein weiterer Aspekt ist unser Karma. Das Wort Karma hat viele Bedeutungen: Karma heißt “hier”.
Das Karma gibt uns die Möglichkeit, aus dem zu lernen, was uns das Leben uns bringt. Das Schicksal ist eine Chance und das Leben ist eine Schule. Was auch immer an Schicksalsschlägen kommt, hilft uns, die Erfahrungen zu machen, die wir brauchen, um spirituell zu wachsen. Wie gehen wir aber mit unserem Karma um?  
Versuchen, nicht zu klagen, nicht zu schimpfen, wenn man denkt, jemand hat sich uns gegenüber ungerecht oder dumm verhalten, nicht lamentieren über das Schicksal, das paradox, willkürlich, irrational, unfair und ungerecht ist. Das ist manchmal schwer und bedarf viel Übung.  
Vielleicht hilft es, zu denken, “Ich wäre ja schon selbstverwirklicht, wenn mein Schicksal nicht so mit mir hadern würde?  
Man geht im Karma immer davon aus, dass das, was mir geschieht, mir die Lektionen gibt, die ich brauche, um zu wachsen. Die Dinge, die kommen sind die Aufgaben, die mir helfen, auch die Fähigkeiten zu entwickeln, um spirituell zu wachsen.   

Und schließlich gibt es Kripa – das Vertrauen auf göttliche Gnade. Das nimmt uns ein bisschen den Leistungsdruck. Wir müssen nicht denken, dass wir nur dann gottverwirklicht werden, wenn wir nur ein ausreichend guter Aspirant sind. Wenn wir uns stetig Mühe geben werden wir spirituelle Erfahrungen machen und mit der Gnade Gottes letztendlich dafür belohnt – wir kommen in höhere Sphären. 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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