Allgemeines Anpassungsprinzip und kleine Trainingslehre. Diesmal ein Konzept aus der westlichen Psychologie, Sportmedizin und Medizin, um zu erklären wie die Yogaübungen wirken und was du tun kannst, um gesund zu sein.

Man kann sagen der Mensch ist ein Organismus, der sich an die Herausforderungen der Umwelt anpasst. Bei Menschen ist das ganz besonders stark, denn der Mensch reagiert auf Anforderungen der Umwelt entweder mit Wachstum, Verkümmerung oder Zusammenbruch.

Ein Beispiel: Angenommen du brichst dir das Handgelenk, anschließend wird dein Arm in Gips gelegt und nach ein paar Wochen geht der Gips wieder ab und danach wirst du feststellen, dass du nur noch ein Drittel deines Handvolumens hast und dass dein Handgelenk steif ist. Wenn also dein Arm nicht gefordert ist, dann verkümmern letztlich die Muskeln und die Flexibilität in deinem Handgelenk.

Wenn du willst, dass die Muskeln wieder stark werden, dein Handgelenk beweglich ist, nutzt es nichts zu warten, denn jetzt musst du Trainingsreize setzen. Das heißt Training machen, um die Unterarmmuskeln zu stärken. Du musst Training machen, um das Handgelenk wieder flexibel zu bekommen und im Laufe der Zeit wird der Unterarm wieder stark und das Handgelenk flexibel. Trainierst du nicht, kann es sein, dass das Handgelenk langfristig steifer bleibt, die Unterarmmuskulatur immer schwächer ist als die vom anderen Arm und es kann sein, dass nach einer Weile im Handgelenk Arthrose auftritt.

Also eine körperliche Funktion, die nicht genutzt wird verkümmern, und eine körperliche Funktion, die genutzt wird, wächst.

Das gilt aber nicht nur für die körperliche Funktion, sondern auch die für die geistigen Funktionen. Das, was du nutzt, wird stärker, das, was du nicht nutzt, wir schwächer.

Es gibt im Rahmen dieser Trainingslehre die Aussage, dass du auch übertrainieren kannst, was zum Zusammenbruch führen kann. Angenommen du hast bisher wenig trainiert und du würdest jeden Tag zwei Stunden laufen wollen oder gleiche einen Marathon und du hast eine Willenskraft und du machst das einfach, dann kann es sein, dass du unterwegs zusammenbrichst. Dann kann es sein, dass du einen körperlichen Zusammenbruch erlebst oder sogar einen Herzanfall bekommst. Du solltest es nicht übertreiben. Fordern ist gut, überfordern ist nicht gut.

Jetzt gibt es noch einen weiteren Ausdruck: Regenerationszeit. Angenommen du will etwas trainieren z. B. du willst die Flexibilität in der Rückseite der Beine trainieren, dann ist es gut in die Vorwärtsbeute zu gehen. Wenn du in die Vorwärtsbeuge gehst, dehnt das die Rückseite der Beine. Wichtig zu verstehen ist dabei zu verstehen, dass die Rückseite der Beine nicht gleich flexibel während du drin bist, sondern es ist ein Trainingsreiz. In den Stunden danach und in den 1–3 Tagen danach wird der Körper Anpassungsleistungen vollbringen, die die Rückseite der Beine flexibler machen. Also nicht während du in der Stellung bist, werden die Beine flexibel, sondern während du in der Stellung bist, gibst du einen Trainingsreiz. Und die Zeit danach verbringt dann der Körper mit den Anpassungsleistungen.

Oder genauso wenn du die Oberschenkelmuskulatur, den Quadrizeps stärken willst, dann kannst du das z. B. machen durch die Heldenstellung, also Virabhadrasana. Dann geschieht aber die Anpassungsleistung nicht während du in der Heldenstellung bist, in der Zeit ist es nur anstrengend, sondern in den zwei bis drei Tagen danach wird der Körper die Oberschenkelmuskulatur, den Quadrizeps stärker machen. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass wenn du trainierst, dann kann es auch sein, dass danach Muskelkater auftritt oder dass du auch einen Tag danach etwas müde bist. Denn in der Zeit, in der der Körper Anpassungsleistungen vollbringt, kann es auch sein, dass er etwas mit Müdigkeit reagiert. Es gilt auch dem Körper die Regenerationszeit zu lassen. Wenn der Körper die Regenerationszeit bekommt, dann kann er entsprechende Anpassungsleistungen machen.

Genauso ist es auch mit dem Geist: Angenommen du hast längere Zeit nichts gelernt und jetzt kommt die Anforderung etwas zu lernen, z. B. indem du eine zweijährige Yogalehrerausbildung mitmachst, dann passiert es, dass du natürlich viel lernen musst und dann wehrt sich der Geist erstmal dagegen. Du gibst Input und dann scheint es erstmal, dass du nicht lernst, aber wenn du regelmäßig dran bleibst, steigt auch plötzlich deine Lernfähigkeit. Nicht nur behältst du mehr, sondern auch die Fähigkeit etwas zu behalten wird gestärkt, indem du versuchst, etwas zu behalten. So wenn du z. B. bei Yoga Vidya eine Yogalehrerausbildung machst, hast du auch viele Trainingsreize. Du machst Atemübungen. Das sind Trainingsreize für das Atmungssystem, sodass du bessere Lungenkapazität bekommst, dass der Austausch in den Alveolen besser wird, dass die Herz-Kreislauf-Effizienz sich verbessert usw. Du machst eine Menge für die Stärkung der Muskeln, die Flexibilität und Koordination. Du lernst auch, dass du dich leichter entspannen kannst usw.

Also vielfältiges Training: Du trainierst deinen Geist, die Konzentrationsfähigkeit, die Willenskraft, die Geduld, die Hingabe und das Gedächtnis. All das ist etwas, was du trainierst.

In diesem Sinne kannst du auch überlegen bei Gesundheit und Krankheit welche Fertigkeit entwickelt werden müsste, damit der betreffende Körperteil wieder gesund wird. Da ist auch nicht immer Schonung das Mittel der Wahl für Gesundheit, sondern du kannst auch überlegen welches Training es braucht, damit der Körper zu Anpassungsleistungen gebracht wird, die helfen diese Erkrankung zu heilen.

Nehmen wir ein Beispiel: Angenommen du hast Handgelenksprobleme, da könntest du ja als erstes sagen, dass du erstmal nichts tust und es schonst. Es mag auch Handgelenksprobleme geben, wo man eins-zwei Tage oder auch mal eine Woche das Handgelenk schonen muss. Aber nur schonen macht es selten besser. Die Ausnahme ist vielleicht ein Knochenbruch. Ansonsten kannst du überlegen welche Körperübungen du machen müsstest, um den Körper zu Anpassungsleistungen zu bringen, die das Handgelenk wieder gesund machen. Hier würde man sagen die umliegende Muskulatur muss stärker werden. Wenn das Handgelenk weh tut, ist vielleicht das Handgelenk überlastet, aber die Muskeln sind nicht ausreichend stark. Also könntest du z. B. isometrische Übungen machen oder kleine Übungen, die die Unterarmmuskeln stärken, ohne das Handgelenk zu fordern.

Es gibt auf den Yoga Vidya Seiten eine Reihe von Videos wo es z. B.  Videos für gesunde Handgelenke gibt und dann sind dort Übungen dabei wie du deine Unterarmmuskulatur stärkst. Als zweites würde man sagen, dass auch eine Dehnung stattfinden muss. Also kannst du auch lernen das Handgelenk sanft auf eine solche Weise zu dehnen, die nicht weh tut. Es gibt auch Physiotherapien, die auch in den Schmerz hineingehen, aber das ist die Domäne der Physiotherapeuten.

Im Yoga würden wir sagen, wenn es irgendwo etwas gibt, was erkrankt ist und weh tut, dann machen wir solche Übungen, die unterstützen, aber eben nicht wehtun oder mindestens den Schmerz nicht erhöhen. Also wird man sagen wir müssen beim erkrankten Handgelenk die Unterarmmuskeln stärker bekommen und das machen wir durch Stärkung. Wir müssen Flexibilität entwickeln, aber auf eine solche Weise, die nicht weh tut. Als nächstes würde man sagen man muss die Gelenkschmiere in Gang setzen und das kann man durch Mini Bewegungen machen, die nicht weh tun und die sowohl Prana als auch Energie hineinbringen, auch die Gelenkschmiere aktivieren und so die Heilkräfte auch ins Handgelenk bringen. Zusätzlich würde man sein Bewusstsein hineinbringen, denn wo der Geist hingeht, da geht auch das Prana hin. Man könnte sich auch zusätzlich vorstellen, dass Licht und Heilenergie hineingeht, man kann vielleicht sogar ein Heilmantra wiederholen. So hat man eine Menge für das Handgelenk gemacht.

So kann man also bei verschiedenen Erkrankungen überlegen welche Übungen man machen kann, um etwas zu trainieren und um den Körper zu Anpassungsleistungen zu bringen. Man könnte auch überlegen, ob es eine energetische Komponente gibt und was können wir tun, um entsprechende Energien zu aktivieren. Gibt es eine emotionale Komponente und was können wir tun, um auf dieser Ebene zu wirken und es gibt natürlich auch eine reine Bewusstseins-Ebene.

Soweit das allgemeine Anpassungsprinzip und seine Anwendung im Yoga die kleine Trainingslehre und das Konzept von Reiz, Regenerationszeit und Anpassung. Und auch zur Heilung reicht es nicht aus nichts zu tun und schonen, sondern das Konzept in dem gilt die richtigen Fähigkeiten zu trainieren, das hilft dir zu Gesundheit.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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