In dieser Lektion wird im Rahmen der Yoga Vidya Schulung ein weiteres wichtiges Konzept aus dem Raja Yoga, dem Yoga der Geisteskontrolle, vorgestellt. Dieses ist sehr hilfreich, um zu verstehen, wie dein Geist funktioniert, wie du mit ihm umgehen kannst und wie du auch lernen kannst, dich weniger mit deinen Gedanken, Emotionen und Stimmungen zu identifizieren. Außerdem lernst du auf diese Weise, wie du vielleicht auf deine Stimmungen und deine Gedanken leichter Einfluss nehmen kannst, um dein Sein nicht von ihnen beherrschen zu lassen.

Chitta – der menschliche Geist

Chitta in diesem Sinne ist der menschliche Geist. In der Lektion, wo es um Antahkarana ging, den vier Aspekten des menschlichen Geistes (Ahamkara - das Ich, das Ego, Buddhi – die Vernunft, die Urteilskraft, das Entscheidungsvermögen, die Entschlusskraft, Manas – Denkvermögen mit Denken und Fühlen, Chitta – das Unterbewusstsein) spielte Chitta auch eine Rolle. Chitta in einem weiteren Sinne, so wie nun hier betrachtet, ist der gesamte menschliche Geist.

Im Raja Yoga von Patanjali gibt es im zweiten Vers die Aussage "Yogas Chitta Vritti Nirodha" – Yoga ist das zur-Ruhe-Bringen (Nirodha) der Gedanken (Vrittis) im Geist (Chitta). Hier also bedeutet Chitta der gesamte menschliche Geist.

Chitta Bhumi – die 5 Zustände des menschlichen Geistes

Der menschliche Geist kann fünf Zustandsformen haben, die nennen sich Bhumi und diese fünf Bhumi sind:

  • Mudha: Der träge, dumpfe, faule Gemütszustand, müde, traurig, deprimiert, melancholisch
  • Kshipta: Der unruhige, zerstreute Gemütszustand, dieses und jenes wollend
  • Vikshipta: Der gesammelte Gemütszustand, Bemühen um Sammlung
  • Ekagra: Der einpünktige, sehr konzentrierte Gemütszustand, Vollkommen konzentriert
  • Niruddha: Der Gemütszustand von absoluter Geistesruhe, vollkommene Ruhe des Geistes

Chitta Bhumis in der Meditation

Du kannst auch in der Meditation in diesen verschiedenen Bhumis bzw. Geisteszuständen sein:

Mudha: Du setzt dich für die Meditation hin, bist irgendwo müde, du nickst öfters ein, du kannst dich nicht erinnern, du bist in einer Art meditativem Zustand des Dösens. Oder du bist einfach nur traurig, denkst darüber nach, wie schlimm alles ist und kannst dich nicht konzentrieren, bist einfach nur müde, träge, oder traurig, melancholisch, vielleicht weil in der Beziehung etwas nicht richtig funktioniert, weil bei der Arbeit etwas nicht funktioniert. Du kannst dich nicht konzentrieren, sondern bist einfach nur in einem Mudha-Zustand.

Kshipta: Du bist unruhig in der Meditation. Du nimmst dir vor mit einem Mantra zu meditieren, überlegst dir dann aber, vielleicht doch eher Tratak zu üben oder einfach nur zu beobachten. Dann kommen verschiedene Gedanken über Chef, Frau, Kind, Mann, Eltern, Vermieter, Nachbar. Du fragst dich, warum du dieses und jenes nicht gemacht hast, warum jemand dir dieses und jenes gesagt hat, usw., tausende von Gedanken sind in deinem Geist innerhalb kürzester Zeit. Wenn du so deine Meditation verbringst, ist sie irgendwann zu Ende und du merkst: „Upps, ich wollte doch eigentlich meditieren“.

Vikshipta: Du nimmst dir vor in einer bestimmten Weise zu meditieren, aber dein Geist schlägt etwas anderes vor. Du lächelst ihn an und bedankst dich für den Vorschlag, bleibst jedoch bei deinem Entschluss. Zwischendurch denkst du vielleicht auch an Frau, Mann, Kind, Eltern oder was auch immer und sagst: „Danke für den Vorschlag, ich meditiere weiter mit meinem Mantra“.

Zwischendurch überlegst du: „Was hat der denn gemeint?“, „Wie könnte ich ihn davon überzeugen?“, „Was muss ich heute noch machen“; da sagst du dir „Ata Meditation – jetzt Meditation“. Vikshipta ist also entweder das automatische Zurückkehren deines Geistes in den gewollten Konzentrationszustand oder auch das bewusste Bemühen um Sammlung bzw. Konzentration. Insgesamt bist du gesammelt und zwischendurch gibt es Momente der Freude, der Konzentration.

Ekagra: Du setzt dich hin in die Meditation und wiederholst das Mantra geistig, du spürst, wie du voll und ganz auf das Mantra konzentriert bist. Dabei erfährst du vielleicht Wogen der Freude. Vielleicht spürst du Segen, vielleicht spürst du Licht, vielleicht spürst du, wie das Mantra sich von selbst wiederholt, vielleicht verschwinden die Worte des Mantras und du gehst einfach in einen Zustand von Freude und Wonne ein.

Vielleicht verschwindet zwischendurch das Mantra, du kommst raus und musst wieder Vikshipta üben, einen Anstoß geben und dann kommst du wieder in Ekagra hinein. So kannst du auch zwischen den verschiedenen Geisteszuständen hin und her wechseln.

Niruddha: Alle Gedanken verschwinden, nur absoluter Zustand der Einheit - Satchidananda.

 

  • Wie bekommst du deinen Geist von Mudha und Kshipta zumindest in Vikshipta?

Im Raja Yoga geht es ja auch darum, dein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Selbst Raja werden, derjenige, der bewusst steuert, derjenige, der die Führungsperson ist. Manchmal kann es tatsächlich heißen, du wartest einfach ab. Manchmal kannst du aber eingreifen und du könntest dir aus den folgenden Vorschlägen einige herausgreifen, von denen du meinst, sie könnten helfen.

Aus Mudha herauskommen:

  1. Übe Asanas und Pranayama:

Wenn es dir nicht gut geht, übe 20–30 min. Asanas und Pranayama, danach sieht die Welt anders aus. Wenn du es allein nicht hinkriegst, mache das mit einem Video, einer CD oder DVD. Es gibt von Yoga Vidya inzwischen auch mehrere hundert Internetvideos, dabei auch 20-30minütige Yogastunden und manche davon haben eine nahezu magische Wirkung auf Menschen.

Oder geh zur Yogastunde, ich glaube, es gibt kaum Menschen, die traurig zur Yogastunde gehen und nachher genauso traurig rauskommen. Es gibt eine ganz einfache Weise von Mudha in Vikshipta zu kommen und Freude zu erfahren: Geh zu einer Yogastunde.

Wenn du nicht zur ganzen Yogastunde gehen kannst, überlege dir welche Yogaübungen helfen zu Vikshipta zu kommen. Yogaübungen helfen das Prana zu aktivieren und zu konzentrieren, es in die höheren Chakras zu bringen, dann ist der Geist schnell in Vikshipta, mehr Freude.

  1. Überlege, was du tun kannst, worauf du dich konzentrieren kannst, anstatt nach der Ursache dafür zu suchen, warum es dir schlecht geht.

Du brauchst bloß bewusst deinen Geist auf etwas zu konzentrieren, dann ist er aus Mudha heraus. Du brauchst gar keinen Grund, angenommen du hast gar keine Lust auf deine Arbeit, dann kannst du deinem Geist zulächeln und ihm sagen: „Danke lieber Geist, es geht dir gerade nicht so gut, es ist ok. Jetzt mache ich das mit voller Konzentration“. Du könntest auch sagen: „Ich freue mich darauf, das und das zu tun“, dein Geist mag sagen „Nein! Schlimm!“, doch du sagst ganz konzentriert und bewusst „Ich freue mich darauf, das zu tun, ich freue mich darauf, das zu tun“. Wenn du das ein paar Mal sagst und es dann tust, dann wirst du merken, Vikshipta ist da, Mudha ist von selbst verschwunden.

Du könntest noch einiges anderes überlegen, vielleicht willst du auch Tagebuch führen  und die nächste Woche überlegen und festhalten, was dir geholfen hat aus Mudha heraus zu kommen. Beobachte, wann dein Geist in Mudha war und wie du herausgekommen bist, schau dir an, was sich äußerlich und innerlich getan hat. So kannst du schriftlich sammeln, was dir hilft aus Mudha herauszukommen, dann kannst du das nächste Mal, wenn du in Mudha bist, diese Sachen durchlesen. Manchmal hilft es einfach nur zu lesen, was dir aus Mudha geholfen hat und du bist aus Mudha draußen. Es wird zumindest für dich offensichtlich, was du tun kannst um aus Mudha herauszukommen.

Aus Kshipta herauskommen:

Kshipta, die Unruhe und Zerstreutheit, hängt auch zusammen mit Vata-Übersteuerung, darauf wird in einer Lektion über die drei Ayurveda Doshas (Vata-Pitta, Kapha) genauer gesprochen. Vata, das Luftprinzip mit vielen positiven Eigenschaften, kann auch in die Zerstreutheit bringen. Aus der Zerstreutheit kann dann auch Mudha, Depressivität, Niedergeschlagenheit, Angst und Zerrissenheit kommen.

Asanas, Pranayama, Meditation helfen auch aus Kshipta heraus zu kommen.

Triff eine Entscheidung und sei konzentriert und sage dir selbst „Während der nächsten 15-30 Minuten mache ich das und nichts anderes“. Du fokussierst deinen Geist bewusst und in dem Moment, wo du dich fokussierst, bist du in Vikshipta und Kshipta ist verschwunden.

Du kannst eine Entscheidung treffen, das ist Buddhi und du kannst es mit einer Affirmation verbinden und kannst sagen: „Während der nächsten Stunde konzentriere ich mich darauf“ oder „Während der nächsten Stunde beschäftige ich mich damit“. Eventuell verbindest du es noch mit einer Freude-Affirmation, z. B.: „Während der nächsten Viertelstunde freue ich mich darauf, das und das zu tun, ich freue mich darauf, das und das zu tun. Ich werde das und das und das mit großer Freude tun. Ich werde das mit viel Energie machen“. Sage das ein paar Mal, du musst es in dem Moment nicht empfinden, wenn du es ein paar Mal sagst, wird es zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Du kannst dir auch überlegen: „Wie müsste ich das, was zu tun ist, mit Freude tun, wie könnte ich es tun, dass ich es mit Freude mache? Wie könnte ich es machen, dass es mir Energie gibt?“.

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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