Indische Mythologie
Brahman
Brahman ist das Absolute, das Unendliche, das Ewige. Das ist in der Yoga Vidya Tradition und damit der Yoga Vedanta Tradition, der Sivananda Yoga Tradition die wichtigste Bezeichnung des Göttlichen. Das Göttliche ist ewig, es ist unendlich, es ist das Absolute. Es ist nicht fassbar in irgendwelchen Grenzen, es ist nicht unnennbar. Nicht umsonst heißt es z. B. im Tanach, in der jüdischen Bibel, im christlichen Alten Testament: ‚Du sollst dir kein Bild machen von Gott‘; und es wird gesagt: ‚Es gibt keinen Gott außer Gott‘. Es gibt nur Brahman, Brahman – unendlich, ewig, das Tiefste des Menschen, Schöpfer aller Dinge und gleichzeitig manifest als das Universum. Dieses höchste Absolute kann man auf unterschiedliche Weisen sehen. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir im Yoga Vedanta System nicht von vielen Göttern ausgehen. Es gibt nur ein Göttliches und dieses Göttliche drückt sich auf viele Weisen aus.
Man könnte es mit einem Menschen, einer Frau, vergleichen, die Eltern, Kinder, Mann hat, die arbeitet, auch Yogalehrerin ist und einen spirituellen Namen hat; dann hat sie ganz unterschiedliche Namen: Ihre Mutter nennt sie vielleicht ‚Kathi‘, der Mann nennt sie vielleicht ‚Liebling‘, vielleicht nennen ihre Freundinnen sie ‚Katja‘, vielleicht hat sie einen spirituellen Namen ‚Maheshwari‘, ihre Arbeitskollegen oder der Chef nennen sie ‚Frau Schmidt‘ und die Kinder werden sie ‚Mami‘ nennen. Es sind unterschiedliche Namen für die gleiche Person. Die unterschiedlichen Menschen haben unterschiedliche Beziehungen zu diesem Menschen und sehen ihn unterschiedlich. Das 5-jährige Kind wird Mami anders sehen als die 70-jährige Mutter, die von ‚Kathi‘ spricht, selbst wenn Kathi inzwischen 40 Jahre alt ist, ist sie für die Mutter immer noch ‚die Kleine‘. Der Mann wird die gleiche Frau anders sehen als ihre Yoga-Schüler oder Arbeitskolleginnen, Kunden oder der Chef; doch sie ist der gleiche Mensch.
Auf die gleiche Weise gibt es einen Brahman und dieses eine unendliche Brahman manifestiert sich auf viele Weisen, als kosmische Kräfte und als Kräfte in der Psyche. Diese verschiedenen Manifestationen kann man unterschiedlich einteilen. So gibt es die diversen Mythen der verschiedenen Völker. Im Christentum gibt es die Dreifaltigkeit: Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Im Katholischen Christentum gibt es dann noch die Maria, die Engel und die Heiligen, die alle Manifestationen des Göttlichen sind. Im Judentum gibt es die verschiedenen Engel, ähnlich wie im Islam. Bestimmte Aspekte des Göttlichen werden in Form von Engeln verehrt. Und so sind letztlich die göttlichen Kräfte immer überall da und wenn man sich damit beschäftigt, wird man feststellen, ähnliche Mythen zu finden, wenn auch nicht immer die gleichen.
Im Yoga Vedanta System wird Brahman auch als Ishvara bezeichnet, wenn er in die Welt geht, und die Welt schöpft, erhält oder zerstört. So hat Ishvara drei Aspekte:
- Brahma: der Schöpfer.
Brahma wird oft dargestellt mit vier Gesichtern, weil er in alle verschiedenen Richtungen schöpft. Brahma wird häufig mit einem bzw. vier Büchern dargestellt, die vier Veden, da er nicht nur die physische Schöpfung ist, sondern auch die Naturgesetze, das ganze Wissen und die Kreativität.
- Vishnu: der Erhalter.
Vishnu wird oft mit vier Armen dargestellt, zwei Arme nach oben und zwei nach unten. Vishnu steht für das Gleichgewicht, für die spirituelle und die materielle Welt.
Vishnu hat in zwei seiner Arme die Aspekte der Zerstörung und in den anderen beiden Armen Aspekte die der Schöpfung: In einem Arm findet man den Lotus, eine Knospe, die sich öffnet als Symbol der Schöpfung und das Muschelhorn in dem anderen als Symbol für die subtile Schöpfung, Klang. Als Aspekte der Zerstörung hält Vishnu in den zwei anderen Armen eine Keule und den Diskus bzw. dieses Feuer-Chakra.
Vishnu ist das Gleichgewicht zwischen physischer und spiritueller Welt und das Gleichgewicht zwischen Zerstörung und Auflösung. Vishnu ist auch die Friedenskraft und Engagement in der Welt.
- Shiva: der Zerstörer.
Oft wird Shiva dargestellt als Nataraja, als der Tänzer, der in einem Feuerrad gezeigt wird. Er steht für die Vergänglichkeit von allem. Shiva wird manchmal mit einem Dreizack dargestellt, ein Symbol für die Auflösung von allen drei Aspekten in der Natur.
Weibliche Unteraspekte
- Brahma wird vor allem verehrt als Saraswati, die Göttin der Künste und der Kreativität. Gerne wird sie mit einem Schwan dargestellt als Symbol der Reinheit, mit einer Vina als Musikinstrument, mit einem Buch als Symbol für die Literatur, und mit einer Japa Mala als Symbol für die Künste und die Kraft der Mantras.
- Vishnu steht in Verbindung mit Lakshmi, die Göttin des uneigennützigen Dienens und der Schönheit, der Liebe, der Spiritualisierung der ganzen Welt. Sie wird dargestellt mit einem Elefanten, mit zwei Händen, die nach oben zeigen, mit zwei Händen die nach unten zeigen, als diejenige, die empfängt und gibt. Das ideale uneigennützige Dienen: Wir öffnen uns, um Kraft zu bekommen und wir geben es an andere weiter.
- Shiva hat Durga und Kali als weibliche Aspekte.
Durga wird reitend auf einem Tiger dargestellt. Er symbolisiert sowohl die Kraft des Weiblichen, als auch den Schutz, und den Trost. Durga als die Göttin des Trostes und des Schutzes.
Kali, ist die Göttin der Auflösung, der Zerstörung und auch des Schutzes inmitten von Zerstörung und Auflösung.
Weitere Unteraspekte:
Vishnu inkarniert sich immer wieder in dieser Welt, es gibt es Dasha Avatara, die zehn Avatare. Zwei davon sind von besonderer Wichtigkeit: Krishna und Rama.
- Krishna gilt als Aspekt der Liebe und der Freude, insbesondere mit seinem weiblichen Aspekt Radha.
- Rama ist der Aspekt der Rechtschaffenheit, die Bemühung immer das Richtige zu tun, das ethische Leben, auch in seinem weiblichen Aspekt als Sita.
Shiva hat zwei Söhne: Ganesha und Subrahmanya, auch als Sharavanabhava bezeichnet.
- Ganesha ist der elefantenköpfige Gott, der Gott des Anfangs, der Freude des Neubeginns, paradoxerweise auch der Gott der Gemütlichkeit, er lächelt freundlich. Er ist auch derjenige, der alle Polaritäten zusammen bringt: Ganesha als elefantenköpfiger Gott, der Elefant als größtes Landsäugetier, mit einer Maus dargestellt, als kleinstes Säugetier. Der Gott des Anfangs, der neu beginnt und Gott der Gemütlichkeit und Ruhe. In Indien ist Ganesha wahrscheinlich der beliebteste aller Götter, alle verschiedenen Traditionen verehren besonders Ganesha.
- Subrahmanya, steht für die Kraft der Jugend, des Enthusiasmus und des Durchsetzens, auch der Heerführer der Götter. Er steht auch dafür, dass man sich manchmal durchsetzen muss, manchmal gegen Widerstände angehen muss. ‚Su‘ heißt ‚gut‘, so sind mit Subrahmanya auch die guten Kräfte gemeint, die zu Brahman führen.
Von Rama gibt es noch einen wichtigen Aspekt, der nennt sich Hanuman. Hanuman, der Affengott, mit dem Körper eines Affen, gilt als Symbol der Hingabe, des Bhakti, aber auch der uneigennützig Dienende, der Karma Yogi, der alles tut, was zu tun ist, um Gutes zu bewirken.
All diese verschiedenen Aspekte des Göttlichen sind zusammen ein Göttliches. Manche Menschen haben einen besonderen Bezug zu einem Aspekt, sie lieben vielleicht das Liebliche von Saraswati und spüren, dass sie durch Konzentration auf Saraswati das Göttliche besonders erfahren. Manche lieben Krishna mit seiner Flöte, wie er tänzelnd, voller Lebensfreude da ist. Manche lieben den als meditativ dargestellten Shiva, der seine Hand hebt und sagt: ‚Ich schütze dich, durch mich kommst du zur Meditation. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, rege dich nicht auf. Meditiere und du wirst Gott erfahren‘. Manche lieben die Dynamik einer Durga und einer Kali, manche die Gemütlichkeit eines Ganeshas, und manche auch das Bemühen, das Richtige zu tun, die Rechtschaffenheit von Rama. Manche fühlen, dass sie sind wie Hanuman, unendliches Vertrauen, und tun, was zu tun ist.
Abschluss
Das waren ein paar Informationen über die indische Mythologie, die Götter und Göttinnen, Brahma, Vishnu und Shiva. Du findest auf unseren Internetseiten Bilder und Videos über jeden einzelnen dieser Aspekte, du findest dort auch Mantras für jeden dieser Aspekte.
Im ‚Jaya Ganesha‘ und im ‚Arati‘ wird jeder dieser Aspekte besungen. Das sind Aspekte des Göttlichen, die einem Menschen helfen können,
- sich selbst zu verstehen, denn sie sind alle in dir,
- diese Welt zu verstehen, denn sie manifestieren sich in der ganzen Welt
- und um die spirituellen Aufgaben zu verstehen. Denn letztlich gilt es all diese Aspekte zu verwirklichen, zu nutzen, um zum Höchsten zu kommen.
- Und es hilft dir auch, um zu verstehen, auf welche Weise Gott dem einzelnen Menschen gegenübertritt und ihm lehren will zum Höchsten zu kommen. Manchmal gibt es Saraswati-Lektionen, manchmal Krishna-Lektionen, manchmal Kali-Lektionen. Alles, was geschieht, manifestiert sich auf eine dieser Weisen und ist eine Herausforderung für den Menschen in entsprechender Weise das Göttliche zu sehen.
___
Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
Kommentare