Ursachen des Leidens

Im zweiten Kapitel des Yoga Sutra schreibt der Raja Yoga Meister Patanjali über den Kriya Yoga. Er sagt, Kriya Yoga besteht aus Svadhyaya, Ishwara Pranidhana und Tapas. Und er sagt, Kriya Yoga beseitigt die Kleshas oder dünnt die Kleshas aus. Und Kleshas sind die Ursache des Leidens. Wenn wir an irgendetwas leiden, können wir entweder Ishwara Pranidhana über, wir können Tapas üben oder Svadhyaya. Svadhyaya im einfachen Sinne heißt, überlegen: „Woran könnte es liegen?“ Wir können es verstehen. Wir können einen höheren Sinn darin sehen und können es auf diese Weise annehmen. Also angenommen, man fühlt sich irgendwo am Morgen schlapp, dann überlegt man: „Woran könnte es liegen?“ Man stellt vielleicht fest, am vorigen Tag hat man zu häufige Saunagänge gemacht, man ist also müde. Dann ist das ganz normal und dann ist das nicht weiter tragisch. Oder man überlegt: „Warum geht es mir nicht gut?“ Dann fasst man sich an die Stirn und stellt fest, irgendwo ein bisschen warm, man stellt fest, irgendwo in der Kehle ist auch was, man merkt noch Gliederschmerzen und weiß, Grippe im Anmarsch. Da gehört auch dazu, dass man müde ist und sich ein bisschen schlapp und schlecht fühlt. Da braucht man sich keine Sorgen zu machen und nimmt das halt an. Da kann man noch vieles andere überlegen. Svadhyaya kann manchmal helfen. Oder irgendwo am Nachmittag geht es einem schlecht. Dann stellt man fest, morgens war man irgendwie sehr unfreundlich und ungeduldig mit jemandem und irgendwo weiß man: „Aha, ich war halt unfreundlich mit jemandem und das führt halt eben als Reaktion dazu, dass es dann am Nachmittag einem schlecht geht.“ Als spiritueller Aspirant will man gerne mit anderen in Harmonie sein. Und wenn man selbst etwas nicht so Gutes tut, ist ein Zeichen von spirituellem Fortschritt, wenn es einem ein paar Stunden später selbst nicht so gut geht. Dann akzeptiert man das und sagt: „Aha, ich habe mich nicht richtig verhalten, es geht mir deshalb nicht gut. Ist ok, ich probiere, das noch gut zu machen oder nehme das als Konsequenz hin.“ Es gibt noch viel mehr Svadhyaya. Zweite Möglichkeit wäre dann Ishwara Pranidhana. Man kann sagen: „Ram Ram.“ Wie wir eben gesungen haben. In der Nama Ramayana, es hört alles mit „Ram“ auf. Irgendwo ist was nicht gut, dann können wir einfach sagen: „Ram Ram. Oh Gott, ich weiß nicht, warum. Hilf mir. Ram Ram. Oh Gott, ich bin überfordert. Bitte hilf mir. Ram. Ram.“ Oder: „Om Namah Shivaya.“ Oder wie auch immer man es sagen will. Oder: „Universum, du gibst mir all das.“ Wir können uns an Gott wenden und irgendwo sagen: „Ich verstehe es nicht, aber Gott, Du wirst Dir was dabei denken. Oh Gott, ich weiß nicht, was ich tun soll. Bitte hilf mir. Oh Gott, es wird mir alles zu viel, aber es kann mir nicht zu viel werden, denn eigentlich, Du gibst mir die Aufgaben, also Du musst Dir dabei was gedacht haben. Oh Gott, bitte hilf mir. Oh Gott, ich weiß, eigentlich müsste ich das und das machen, aber ich kriege es nicht hin. Bitte hilf Du mir. Ram Ram.“ Dritte Möglichkeit, Tapas. Wir können es selbst aktiv tun. Manchmal übertreiben Menschen das mit dem Svadhyaya. Es geht einem nicht gut, man weiß nicht, warum, und dann sucht man, warum. Wenn man lange genug sucht, findet man immer Gründe, warum es einem nicht gut geht. Es ist gerade Herbst, die Tage werden kürzer und das Schlimme ist, die werden noch kürzer. Jetzt haben wir ja noch Sonne. Das soll zwar die nächsten Tage noch anhalten, irgendwann wird es vorbei sein. Wenn man genauer überlegt, wird – ich glaube, achtzig Prozent der deutschen Arbeitnehmer finden, sie sind überfordert mit ihrem Job. Wenn man also lange genug darüber nachdenkt… Und fast jeder kennt irgendjemanden, der was gegen einen hat. Und wenn man lange genug nachdenkt, wird man irgendwas finden, wo man nicht ausreichend was macht. Wenn man lange genug nachdenkt, wird man immer finden, dass irgendwas nicht stimmt. Wenn wir dort lange genug darüber nachdenken, werden wir ganz schön deprimiert. Wenn ich euch jetzt darum bitten würde, nehmt ein Blatt Papier und schreibt alles auf, was es für Gründe gäbe, dass ihr euch nicht gut fühlt. Vermutlich könntet ihr zwei Seiten weiterschreiben und ihr würdet euch sicherlich anschließend nicht besser fühlen. Also, Svadhyaya bis zu einem gewissen Grad kann helfen, aber man kann auch einfach was anderes machen. Man kann z.B. den Tag morgens beginnen: „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den heutigen Tag.“ Wenn wir sagen, „mir wird alles zu viel“, dann kann man sagen, „ich bin voller Kraft und Energie, mir geht es gut, ich freue mich auf den weiteren Tag“. Wenn man sagt: „Ob das funktioniert? Wie das gehen soll?“ Man antwortet: „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den weiteren Tag.“ Und wenn irgendwas schiefgeht, wenn man denkt, „ach…“. Was macht man dann? Man sagt: „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den weiteren Tag.“ Irgendetwas hatte man wunderbar geplant. Irgendwo der Tag war gut und alles hat gepasst. Und dann, ein kleiner Pfeiler stürzt zusammen. Das ganze Gebäude, was man organisiert hat, stürzt zusammen. Was kann man sagen? „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den weiteren Tag.“ Gut, es gibt noch andere Affirmationen, aber manchmal reicht das aus. Oder in Amerikanisch gibt es den Ausdruck „count your blessings“. Das heißt, „zähle all die Segen in deinem Leben auf“. Was man alles hat. Man hat Yogatechniken. Man hat Menschen, die einen mögen. Hoffentlich. Gut, wenn nicht, denkt man eben nicht daran. Man hat ein Dach über dem Kopf. Man hat was zu essen. Man hat irgendwelche Einsichten. Man hat vielleicht eine sinnvolle Aufgabe. Vielleicht neben mehreren unsinnvollen Aufgaben, man hat sicherlich auch sinnvolle Aufgaben. Das kann man aufzählen. Oder man kann sich sagen: „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den weiteren Tag. „Ich bin voller Kraft und Energie. Mir geht es gut. Ich freue mich auf den weiteren Tag.“ Oder wir können sagen: „Ram Ram.“ Oder flapsig auf Englisch: „So much fun.“ Aber spirituellen Fun.


Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:


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