Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute erzähle ich etwas über einen der fünf Niyamas, von denen Patanjali im Yoga Sutra spricht: Swadhyaya. Swadhyaya heißt Selbststudium. Und Patanjali sagt, Swadhyaya führt zu Ishtadevadarshana, zur Verbindung oder zur Wahrnehmung von Gott oder auch zur Vision Gottes. Swadhyaya hat verschiedenste Bedeutungen. Die eine ist das Studium der Schriften, und zwar „Swa“, also Selbststudium der Schriften. Eine zweite ist das Studium des Selbst, also herauszufinden: „Wer bin ich wirklich? Wer bin ich?“ Das erste, das Studium der Schriften, ist heutzutage vielleicht etwas ganz Selbstverständliches: dass jeder Mensch die Schriften seiner Tradition studieren kann. Aber bis zum 16. Jahrhundert war es in Europa ganz und gar unüblich, dass der durchschnittliche Christ eine Bibel lesen konnte und durfte. Das Studium der Bibel war den Priestern und Mönchen vorbehalten. Die anderen konnten das letztlich nur über deren Vermittlung studieren. Sie konnten es schon deshalb nicht, weil sie kein Latein gesprochen haben und es die Bibel nur auf Latein gab. Das war eine der großen Neuerungen von Martin Luther, dass er die Bibel übersetzt hat und gesagt hat, jeder soll sie selbst lesen. Bis ins 19. Jahrhundert galt das eigenständige Bibelstudium nicht als etwas Normales in katholischen Kreisen. Ähnlich war das in Indien. Das Studium der Veden war eine ganze Weile im normalen Hinduismus den Brahmanen vorbehalten. Aber schon Patanjali, der vermutlich vor 2500 Jahren das Yoga Sutra geschrieben hatte, hat gesagt, man solle selbst die Schriften lesen und sich nicht darauf verlassen, was andere sagen. Die großen Schriften sind irgendwo auch aufgeladen mit der Kraft des Göttlichen, in dessen Tradition diese Schrift steht. Im Lutheranischen Christentum heißt es darum auch: Durch Studium der Schriften wird Glaube entfacht. Dann können wir über diesen Glauben Gottes Gnade erfahren und zur Erlösung kommen. Wir müssen also die Schrift lesen, dann verbinden wir uns mit Gott. Patanjali sagte das 2000 Jahre vor Luther: Wenn wir das wirklich mit Ehrerbietung machen, mit Demut und in dem Wunsch, zu lernen, dann können wir in den Schriften Gott und die Gegenwart erfahren. Das können wir im Grunde genommen mit jeder Schrift machen, die als offenbart gilt oder die von einem selbstverwirklichten Meister geschrieben wurde. Darin steckt die Kraft des Meisters und die Kraft Gottes. Eine zweite Bedeutung des Wortes „Swadhyaya“ ist das Selbststudium im Sinne von: studiere dich selbst. Dahinter steckt das optimistischste aller Menschenbilder, das sagt: Im Inneren ist der Mensch göttlicher Natur. Hinter allen Problemen und Schwierigkeiten und Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstüberschätzung und zwischen allen Ängsten und Ärger und Flucht-Kampfmechanismen, zwischen Samskaras und Neurosen, hinter all dem steckt unsere wahre Natur. Diese wahre Natur ist göttlicher Natur. In jedem Menschen ist der göttliche Funke. So wie Jesus auch gesagt hat: „Das Königreich Gottes ist inwendig in euch“, so sagen es im Grunde genommen nicht nur die Yogis, sondern wir finden das bei allen Mystikern aller Traditionen. In jedem Menschen ist letztlich Gott als das höhere Selbst enthalten. So wie es eine Upanishade sehr schön ausdrückt: „Im Inneren des Menschen ist der makellose Lotus des Herzens. Dies ist die Wohnstatt des höchsten Wesens. Gehe dort hinein und erfahre dein Selbst als Wonne, als Gott.“ Auch hier gilt es, tief genug zu graben. Wenn man ein bisschen gräbt, wird man mit allen möglichen eigenen Schattenseiten konfrontiert. Die meisten Menschen scheuen sich davor und lenken sich ab. Aber wenn man nach innen geht, um den inneren Schatz zu heben, dann erfährt man irgendwann: „Aham Brahmasmi. Meine wahre Natur ist Brahman. Eins mit dem Unendlichen. Reines, ewiges Bewusstsein.“ Hari Om Tat Sat Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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