Über die objektiv Wirklichkeit

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute mit dem Yoga Sutra, 4. Kapitel, 16. Vers: „Ein Objekt ist nicht von einem Verstand abhängig. Was würde geschehen, wenn es nicht erkannt würde?“

Im 15. Vers hat Patanjali gesagt, dass ein Objekt unterschiedlich interpretiert werden kann, je nachdem, wer das Objekt erfährt. Und ich habe dazu erklärt, dass es ein interessantes Abenteuer sein kann, zu versuchen, die Welt mit den Augen eines anderen anzuschauen. Was gibt es für einen Grund, dass der andere es anders ansieht?

Patanjali sagt aber auch, dass das Objekt eine gewisse objektive Wirklichkeit hat. Zwar gilt vom vedantischen Standpunkt aus, dass die gesamte Welt wie ein Traum, ein Traum Gottes ist, aber vom praktischen und vom individuellen Standpunkt aus, existiert ein Objekt auch so, ohne, dass du daran denkst, ohne, dass du interpretierst. Es gibt eine gewisse objektive Wirklichkeit.

Ich sage dazu gerne eine „gewisse objektive Wirklichkeit“, denn eine hundertprozentige objektive Wirklichkeit ist wiederum schwierig. Aber Patanjali hat auch das Konzept, dass man über Prajna, die direkte Wahrnehmung, ein Objekt erkennen kann. Es ist durchaus möglich, ein Objekt weniger von subjektiver Wahrnehmung aus zu sehen und mehr von dem Objekt an sich aus. Angenommen du siehst einen Menschen. Du kannst jetzt entweder sofort zu Schlüssen kommen und je nach Erfahrung, die du vorher hattest, wirst du anfangen, zu urteilen. Oder du kannst probieren, diesen Menschen, der seine eigene innere Wirklichkeit hat und seine eigene Weise, das Universum zu sehen, aus sich selbst heraus verstehen, anstatt ihn zu beurteilen. Man sagt gerne, der erste Eindruck sei sehr wichtig. Vielleicht mag das in gewissem Grade auch stimmen. Aber es ist auch gut, nicht den ersten Eindruck zu einem Vorurteil wachsen zu lassen, sondern den Menschen wahrzunehmen, so wie er ist, anstatt ihn nur durch die eigene Brille wahrzunehmen.

Beim nächsten Vers sagt Patanjali noch mehr dazu. Bis dahin wünsche ich dir eine schöne Zeit!


Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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Kommentare

  • Lieber Sukadev,
    vielen Dank für Deinen Kommentar. Es scheint wohl so zu sein, dass es keine objektive Wirklichkeit unabhängig vom Beobachter gibt. Dennoch ist es sehr sinnvoll und wichtig so zu denken und zu handeln, als ob es sie gäbe.
    M.
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