Swami Sivananda: Schicksal und eigenes Bemühen

Wenn auch das Gesetz des Karmas unerbittlich ist, bleibt doch Raum für göttliche Gnade. Gnade entsteht durch Reue, Mäßigung und Hingabe. Reue verändert nicht das Gesetz des Karmas. Sie ist eine Handlung, die wie jede andere  Handlung neue Ursachen setzt und ihre Frucht trägt.

Was ein Mensch zu ernten hat, kann vom Individuum nicht geändert werden; aber das Wiederauftreten kann zweifellos durch eigene Anstrengung eingedämmt werden.

Das eigene Bemühen ist Purushartha, die menschliche Handlung. Schicksal ist Prarabdha. Prarabdha ist nichts anderes als Purus­hartha, das in früheren Geburten getan wurde. Die eigene Anstrengung von heute wird zum Schicksal von morgen. Eigenes Bemühen und Schicksal sind ein und dasselbe. Prarabdha und Purushartha sind eins. Es sind zwei Namen, die aber für nur eine Sache stehen. So wie die Gegenwart zur Vergangenheit und die Zukunft zur Gegenwart wird, so wie es nur die Gegenwart gibt, so gibt es auch nur Purushartha. Wenn Gott durch einen Menschen wirkt, ist es Purushartha. Gnade wird zu Purushartha.

Regen zum Beispiel unterliegt nicht der Kontrolle des Menschen. Und doch pflügt der Bauer sein Feld; er übt Purushartha, eigenes Bemühen. Das Getreide missrät durch das Ausbleiben des Regens. Doch der Mensch gibt nicht auf. Er vollbringt Opferrituale, um um Regen zu bitten oder betet oder bemüht sich um Bewässerung usw. Ebenso ist Yogapraxis eigenes Bemühen, um das negative Prarabdha, das Atma-Sakshatkara behindert, auszugleichen. Wenn Prarabdha auch stark ist, so ist Yoga doch stärker als Prarabdha.

Jede Seele ist wie ein Bauer, der ein Stück Land bekommen hat. Die Größe des Landes, die Beschaffenheit der Erde, die Witterung, das alles ist vorherbestimmt. Aber dem Bauern steht es frei, sein Land zu bewirtschaften, zu düngen und eine gute Ernte zu erzielen, oder es brach liegen zu lassen.

Prarabdha betrifft nur die Vergangenheit. Die Zukunft liegt in deiner Hand. Du kannst dein Schicksal ändern. Du besitzt einen freien Willen um zu handeln.

Betrachte alles aus einem anderen Blickwinkel. Wappne dich mit Unterscheidungskraft, Gelassenheit, Einsicht, Eifer und unerschrockenem Geist. Eine herrliche leuchtende Zu­kunft erwartet dich. Lasse die Vergangenheit begraben sein. Du kannst Wunder vollbringen. Du kannst Wunderbares bewirken. Gib die Hoffnung nicht auf. Du kannst die störenden Einflüsse ungünstiger Planeten durch deine Willenskraft zunichte machen. Du kannst die Elemente und die Natur beherrschen. Du kannst die Auswirkung schlechter Einflüsse und etwaige gegensätzliche Kräfte, die vielleicht gegen dich wirken, ausgleichen. Du kannst ungünstige Umstände in bestmögliche umwandeln. Du kannst dein Schicksal aufheben.

Das Schicksal ist unsere eigene Schöpfung. Du hast dein Schicksal durch Gedanken und Taten erschaffen. Du kannst es durch rechtes Denken und Tun aufheben. Selbst wenn dich eine dunkle, feindliche Kraft bedroht, kannst du ihre Stärke mindern, indem du entschlossen deinen Geist davon abwendest. So kannst du dein Schicksal entwaffnen.

Sag nicht: „Karma, Karma. Mein Karma hat mich dazu gemacht.“ Strebe. Strebe. Übe Purushartha. Übe Tapas, spirituelle Praktiken. Übe Konzentration. Reinige dich. Meditiere. Werde kein Fatalist. Sei nicht untätig. Blöke nicht wie ein Lamm. Brülle ‚Om, Om, Om‘ wie ein Löwe des  Vedanta. Sieh wie Markandeya, dessen Schicksal es war, mit 16 Jahren zu sterben, durch sein Tapas ein Chiranjivi wurde, ein unsterblicher Junge von 16 Jahren. Sieh auch wie Savitri durch ihr Tapas ihren toten Ehemann ins Leben zurückbrachte, wie Benjamin Franklin und der selige Shri T. Muthuswami Aiyer vom Gerichtshof in Madras sich aus eigener Kraft erhoben. Bedenkt, Freunde, dass der Mensch Herr seines Schicksals ist. Vishvamitra Rishi, der von Geburt ein Kshatriya Raja war, wurde ein Brahmarishi wie Vasishtha und er schuf sogar eine dritte Welt für Trishanku durch die Kraft seines Tapas. Der Schurke Ratnakar wurde durch Tapas zu dem Weisen Valmiki. Die Schurken Jagai und Madai aus Bengalen wurden hoch entwickelte Heilige. Sie wurden Schüler von Gouranga-Nityananda. Was andere getan haben, kannst du genauso vollbringen. Darüber besteht kein Zweifel.



Dies ist eine Textpassage aus dem Buch:

Swami Sivanandas
Inspiration und Weisheit
Für Menschen von Heute


Auszüge aus Werken von Swami Sivananda
Essays und praktische Anleitungen
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