Schreibend sich selbst entdecken

© 2015 Text: Bhajan Noam

Wer schreiben möchte, sollte zuerst sehr viel lesen und sollte lernen– immer wieder neu –, den Menschen, besonders den Klugen und Weisen unter ihnen, zuzuhören. Und das wird niemals ein Ende haben. Wer die Kunst des Schreibens erlernen will, muss zuvor die Fertigkeit des Denkens erlernen. Wer strukturiert zu denken gelernt hat, vermag sich in Wort und Schrift klar auszudrücken. Klarheit in sich selbst erringen ist ganz praktische Friedensarbeit. Es sind die Unklarheiten, die zu Missverständnissen und Unfrieden führen. Klarheit eint auch kontroverse Ansichten. Wie man sieht, hat das Schreiben sehr viel mit dem Leben zu tun.

 

Schreiben ist zunächst eine Möglichkeit herauszufinden, wer man selbst ist. Mache etwas Kostbares aus jedem Satz, dann machst du etwas Kostbares aus dir und deinem Hiersein. Schreiben ist Selbstfindung und Selbsterfindung, Schöpfung. Schreiben darf sich nicht vom Leben abheben. Es hat seine Wurzeln im Leben und es schenkt, zur Zeit der Reife, dem Leben aus Dankbarkeit seine Blüten und Früchte.

 

Mit seinem Schreiben an die Öffentlichkeit gehen, heißt nicht, dem Leser seinen Müll vor die Füße kippen. Es sollte vielmehr ein Teilhabenlassen sein an den tiefen und im eigenen Sein verifizierten Erkenntnissen. In welcher Form es individuell zum Ausdruck gebracht wird, ob als Gedicht, Kurzgeschichte, Essay oder Roman, spielt keine Rolle, solange es gut – im Sinn  von schön, wahr und förderlich – ist und durch Sprachduktus, Ideenreichtum, Phantasie und Frische zum Lesen verführt. Geschriebenes sollte so kraftvoll, saftig und bunt sein wie das ureigentliche Leben mit seiner ganzen Fülle.

 

Schreiben kostet Bäumen das Leben,

d. h. schreibe keinen Unsinn.

Vermeide ihn am besten schon beim Denken.

(Bhajan Noam)

 

Wort und Welt sollen übereinstimmen.

(Spruch der Cheyenne)

 

Schreiben, ohne bewusst zu atmen, ist kein Schreiben. Schreiben braucht ein Gefühl für Rhythmus und Melodie. Wobei es immer der eigene Rhythmus und die ganz eigene Melodie sein sollte. Schreibe niemals wie dein Lehrer oder eine andere Persönlichkeit. Schreibe authentisch, auch wenn es roh und ungeschliffen klingen mag. Jeder Rohdiamant ist einmalig – und wertvoller als in Serie geschliffenen Karfunkeln.

 

Schreiben lernen funktioniert auf keinem schnellen und bereits geebneten Weg. Zunächst gilt es ein Gefühl für Sprache zu entwickeln. Sprache besteht aus Wörtern und Pausen zwischen den Wörtern, aus Grammatik und Betonung, aus Aussagen, Fragen, Ausrufen und Schweigen, aus Gefühl und Kalkül, aus dem ganzen Erleben eines Volkes und dessen Einzelwesen. Wörter bestehen aus Vokalen und Konsonanten. Man muss eine Sensibilität für Vokale, Konsonanten und Stille entwickeln. Durch Murmeln, Flüstern, Grunzen, scheinbar sinnlose Lautmalerei. Ein Schreiber ist Logiker und Träumer, er ordnet seine Gedanken und lässt ihnen freien Lauf. Doch letztlich folgen sie niemand anderem als dem uns allen verborgenen Dompteur.

 

Ich habe Jahrzehnte nur für mich selbst geschrieben und mich für jenen Augenblick vorbereitet, in dem ich dem großen Flötenspieler ein Bambusrohr sein darf. Ich wollte ein wohltönendes Bambusrohr sein, das den Flötenspieler zufriedenstellt. Dabei bin ich, so gut es ging, Ich geworden wie ich heute bin. Und der Flötenspieler bläst mir täglich gewaltig den Wind um die Ohren. 

 

- Bhajan Noam -

 

Seiten des Lebens: www.bhajan-noam.com

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