Mensch

Ich lese aus dem Buch „Göttliche Erkenntnis“, aus dem Kapitel „Mensch“ von Swami Sivananda:

„Das Baby weint. Das Kind springt, tanzt und spielt mit seinen Spielsachen. Das Schulkind geht mit seinen Büchern. Der junge Mensch macht Abschlussprüfungen. Der Jugendliche und der junge Mann dreht seinen Schnurrbart, streitet, kämpft und läuft hinter dem anderen Geschlecht her. Er versucht, Ruhm und Ehre zu erwerben, er hortet Reichtümer, zeugt Kinder. Dann wird er alt und trägt Brillen und falsche Zähne. Er stützt sich auf einen Stock und schließlich macht er seinen letzten Atemzug. Wenn ein Tropfen Wasser auf eine heiße Eisenplatte gespritzt wird, zischt es und er verdampft sofort. Der Mensch macht ein kleines Geräusch in der kurzen Phase, die man Leben nennt und verschwindet in einem Augenblick. Was ist der Mensch? Was kann aus ihm werden? Was ist der Geist? Was ist der höchste Zustand? Es ist wirklich nützlich, über diese Dinge nachzudenken.“


Das ist eine der wesentlichen Fähigkeiten des Menschen, nachdenken zu können. Das ist das, was den Menschen ausmacht. Wir wissen zwar nicht, was die Tiere wirklich denken, aber wir nehmen an, dass eine Katze nicht überlegt: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Wer war ich vor meiner Geburt? Was wird nach meinem Tod sein? Wozu bin ich überhaupt auf die Welt gekommen?“ Vieles andere haben Katzen, Hunde, Elefanten genauso wie der Mensch, nämlich Essen, Trinken, Schlafen, Fortpflanzen und alles, was damit im Zusammenhang steht. Tiere haben die gleichen Emotionen und Gefühle wie der Mensch. Tiere haben ähnliche Wahrnehmungen wie der Mensch. Gut, vielleicht nicht die gleichen, aber ähnliche durchaus. Das ist alles ähnlich, das ist nicht das, was den Menschen ausmacht. Aber der Mensch denkt nach über die höheren Fragen. Er ist sich bewusst, mindestens heute, die Welt ist – ich glaube, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen - zwanzig Milliarden Jahre alt.

Es gibt eine Surya Siddhanta, eine alte Schrift, die sagt, ein Schöpfungszyklus dauert dreihundertelf Trillionen Jahre und ein paar gequetschte. Also, die denken immer noch in erheblich größeren Dimensionen als die westliche Wissenschaft, die ja immerhin jetzt ihren Denkgrad bis auf zwanzig Milliarden Jahre erhöht hat, was schon mal etwas ist. Aber ob jetzt Milliarden oder Trillionen, es ist unvorstellbar. Schon in Jahrhunderten zu denken, fällt schwer, in Jahrtausenden noch mehr, in Jahrzigtausenden und Hunderttausenden und Millionen, Zigmillionen, Hunderte von Millionen, die Erde fünf Milliarden Jahre und wir sind hier als Mensch auf der Welt für siebzig, achtzig, vielleicht hundert, vielleicht hundertzwanzig Jahre. Und dann? Und was war davor? Die meisten der Anwesenden haben sich schon länger mit diesen Fragen beschäftigt. Sie haben schon gehört: „Ich bin das unsterbliche Selbst, der Atman. Der physische Körper hat einen Beginn, er hat ein Ende und ich bin reine Seele.“ Und manchmal haken wir das einfach damit ab.

Gut, jetzt wissen wir: „Der Sinn meines Lebens ist die Selbstverwirklichung. Ich bin Brahman.“ Und dann vergessen wir all das wieder und beschäftigen uns nur mit dem Alltag. Auf der einen Seite ist das ja gut, denn wir leben in der Gegenwart. Wir leben nicht in der Zukunft, wir leben nicht in der Vergangenheit. Trotzdem ist es gut, sich öfters diese Dinge nochmals bewusst zu machen, wirklich nochmals zu fragen: „Vor dem Hintergrund, dass ich in hundert Jahren im physischen Körper ziemlich sicher nicht mehr sein werde, was von dem, über das ich mir jetzt Sorgen mache, ist wirklich wichtig? Vor dem Hintergrund, dass die Erde nur ein kleines Staubkorn im unendlichen Universum ist, was von dem, womit ich mich beschäftige, ist wirklich so wichtig?“ Oder, wenn wir gar nicht so weit gehen: „Vor dem Hintergrund des umfassenden Leidens auf dieser Welt, ist das Leiden, über das ich mir solche Gedanken mache, wirklich so wichtig?“ So können wir öfters diese philosophischen Fragen stellen. Und das hilft uns, eine gute Perspektive zu bewahren. Nicht zu sehr in unseren kleinen Problemen, in dem Sturm im Wasserglas, in dem wir ja leben, dort zu sehr uns aufzubrauchen, aufzureiben, sondern eine höhere Perspektive einzunehmen.

Hari Om Tat Sat

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

 

 

 

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