Gedanken in unserem Geist

Es gibt einen Ausspruch über unsere Gedanken. Man kann nicht verhindern, dass Vögel der Gedanken durch unseren Geist fliegen, aber wir können verhindern, dass sie ein Nest in unserem Geist bauen. Und wir können bestimmte Vögel einladen und andere darum bitten, weiterzufliegen. So haben wir die verschiedensten Gedanken in unserem Geist und manche kommen und jetzt haben wir die Wahl: Wollen wir sie ein Nest in uns bauen lassen oder sie weiterschicken? Und sehr häufig haben Menschen eine Neigung, sich mit den Gedanken besonders zu beschäftigen, die sie eigentlich nicht mögen. Und die Gedanken, die man mag, mit denen beschäftigt man sich nicht, denn mit denen ist ja alles in Ordnung. Und dann denkt man, wenn man lange genug sich mit den unerwünschten Gedanken beschäftigt, dann würden die vielleicht umso besser verschwinden.

 

Aber was machen wir, wenn wir uns sehr lange mit den unerwünschten Gedanken beschäftigen? Wir laden sie ein, ein Nest zu bauen. Unsere Gedanken verstehen jetzt nicht, was wir mit denen so alles anfangen. Unsere Gedanken verstehen nur, dass wir sie da lassen. Und Gedanken, die wir wiederholen, haben eine Neigung, sich selbst zu verstärken, das nennt sich Samskaras. Die meisten von euch sind ja mit Raja Yoga ein bisschen vertraut. Ein einzelner Gedanke im Raja Yoga nennt sich Vritti. Wenn wir eine Vritti, einen Gedanken, ein paar Mal haben, dann wird diese stärker und dieses führt dann zu einer Gedankenfurche und das kann man dann als Samskara bezeichnen.

 

Es gibt auch Gedanken, die sich einmal feste einprägen und dann sind sie sehr stark und schaffen jede Menge Nachkommen. Dann braucht es noch nicht mal Brüter, die es ausbrüten, sondern es brütet sich von selbst aus. Ansonsten brauchen Gedanken, um Kinder zu kriegen, letztlich ihre Eltern, die die Kinder ausbrüten. Und irgendwann werden es immer mehr. Und wir können bestimmte Dinge tun, um erwünschte Gedanken stärker werden zu lassen. Z.B., wir haben ja eben die Eigenschaftsmeditation geübt, das ist eine Weise, wie wir gewünschte Gedanken stärker machen.

 

Also angenommen, ihr merkt, dass ihr eher ängstlich seid, schüchtern seid, euch nichts zutraut, dann wäre es eine Hilfe, man entwickelt Mut. Wenn ihr ständig überlegt: „Was ist die Ursache meiner Angst? Warum bin ich Angst? Wieso bin ausgerechnet ich Angst? Wann war ich schon ängstlich? Welche Auswirkung hat die Angst für mich gehabt?“ Was geschieht? Wir denken immer nur über Angst nach. Die Samskara wird folglicherweise stärker. Und vielleicht stellt man dann fest: „Ja, als Jugendlicher hatte ich mich schon mal blamiert. Als Kind habe ich mich schon mal blamiert.“ Vielleicht geht man dann zurück, Rückführung: „Im Moment der Geburt hatte ich Angst gehabt. Es war so kalt, als ich rausgekommen bin. Außerdem wurde ich gequetscht und geschlagen, habe keine Luft gekriegt, man hat mir die Nabelschnur abgetrennt, folglich habe ich Angst gehabt.“ Vielleicht noch weitere Rückführung, Astralwelt. Man stellt fest: „Irgendwo in der Astralwelt war es so schön, dann musste ich runter in die physische Welt, in diesen Mutterleib, auch wieder Angst, was passiert als nächstes.“ Man geht noch weiter zurück, früheres Leben, vorvorheriges Leben usw. Wir werden immer wieder feststellen, die Ursache dieser Emotionen ist nicht so einfach fassbar. Sie gehören ja letztlich zum Menschsein und nicht nur zum Menschsein dazu, weil jedes Tier hat auch Ängste.

 

Wenn aber jetzt die Angst irgendwie recht groß ist, dann, leichter als die Angst zu verscheuchen, indem wir ständig uns gegen sie richten, ist, sie vorbeifliegen zu lassen, uns mit etwas anderem zu beschäftigen oder Mut wachsen zu lassen. Und wir können Mut wachsen lassen, z.B. indem wir jeden Tag ein paar Minuten über Mut nachdenken. Sei es in der Meditation, wie in der Eigenschaftsmeditation, sei es, dass wir mindestens in einer oder zwei Asanas die Affirmation bewusst gebrauchen. Es gibt ja viele Asanas, wo wir Mut mit verwenden können. Man könnte es bei der Kobra machen, wo wir aufgerichtet sind, Brustkorb geöffnet, nach oben schauen.

 

Oder man kann eine Asana ausprobieren, die man sich bisher nicht zugetraut hat und sich sagen: „Ich bin mutig.“ Z.B. der Kopfstand oder der Skorpion. Also, jeden Tag ein paar Minuten darüber nachdenken, mit Affirmationen, vielleicht auch mit Visualisierung. Man kann sich so ein paar Situationen durchspielen. Man kann auch, wenn man irgendwo merkt, man ist jetzt gerade wieder dabei, Lampenfieber zu haben oder ängstlich zu sein, kann man sich auch überlegen - da gibt es auch noch eine andere Methode - man kann dann gleich sagen: „Ich bin mutig, Om Om Om. Ich bin mutig, Om Om Om.“ Eine Möglichkeit. Eine zweite Möglichkeit ist: „Oh Gott, ich bin so ängstlich, bitte hilf mir, ich komme allein nicht weiter. Wirke du durch mich hindurch, ich selbst packe es nicht.“ Das ist auch eine Möglichkeit, wir richten uns an etwas Größeres. Oder Jnana-Yoga Weg, wir sagen: „Neti, Neti, ich bin nicht die Angst. Aham Brahmasmi, ich bin Brahman. Mag ruhig eine Angst da sein, ich bin es nicht.“

 

In dem Moment, wo wir uns nicht mehr damit identifizieren, fliegt sie auch vorbei. Oder Hatha Yoga, wir atmen, einatmen, Bauch hinaus, ausatmen, Bauch hinein. Wenn das nicht ausreicht, in ein Zimmer gehen und Kapalabhati. Wenn das nicht ausreicht, Bhastrika. Spätestens nach vier Runden Bhastrika hat man die Power und selbst wenn Ängste noch da sein würden, das spielt überhaupt keine Rolle mehr. Oder man kann sich vorstellen: „Angenommen, ich wäre jetzt mutig und souverän, wie würde ich das jetzt angehen? Wie würde ich mich fühlen? Ich bin zwar jetzt momentan ängstlich und verschüchtert. Aber angenommen, ich wäre mutig, ich hätte jetzt großes Selbstvertrauen, wie wäre ich?“ Und dann können wir das ein paar Mal durchspielen und manchmal merkt man: „Ja, ich bin es plötzlich.“

 

Dann können wir auch beim Einschlafen - wir können uns entweder beim Einschlafen Sorgen machen, „oh, wie soll das werden“, oder wir können sagen, „ich bin mutig, Om Om Om“ oder „lieber Gott, bitte gib mir Mut, Om Om Om“ oder „Aham Brahmasmi“. Irgendeinen spirituellen Gedanken zum Schluss. Davon träumt man dann die ganze Nacht und damit wacht man dann am nächsten Morgen wieder auf. Überhaupt, die ersten Gedanken am Morgen sind ganz besonders wichtig. Manche Menschen wachen morgens auf: „Oweija, jetzt muss ich wieder aufstehen. Muss das sein? Was wird heute werden?“ Kein Wunder, dass man anschließend am liebsten noch mal eine Weile weiterschlafen möchte. Dann klingelt der Wecker zum vierten Mal, nur noch vier Minuten bis zum Satsang, also ausreichend Zeit. Stattdessen kann man als erstes sagen: „Ich freue mich auf den heutigen Tag.“ Oder: „Lieber Gott, ich danke dir für diesen wunderbaren Tag.“ Und besonders schön ist: „Ich freue mich auf diesen Tag.“ Wenn man dann merkt, irgendwo ist was anderes dabei: „Ich freue mich auf die Herausforderungen dieses Tages.“

 

Das kann man auch sagen. Und das spricht man ein paar Mal und prompt ist die Energie da. Dann kann man noch eine Affirmation, wie „ich bin mutig, Om Om Om“, sagen, oder ein Gebet sprechen oder was auch immer man will. Jedenfalls, wir können etwas tun, morgens beim Aufwachen, abends beim Einschlafen, mindestens einmal am Tag ein paar Minuten konzentriert positive Gedanken entwickeln, sei es in einer Meditation, sei es in einer Asana, sei es im Pranayama, dann fällt es relativ leicht, zwischendurch andere Gedanken vorbeifliegen zu lassen und Gedanken wieder einzuladen. Man hat ja vielleicht den guten Vögeln ein Nest gebaut über diese Meditation und dann sind die vielleicht mal weggeflogen, vielleicht woanders hin, dann können wir sie ja wieder rufen und dann, „Freude, komm doch wieder her“ oder „Mut, du warst doch heute Morgen so schön da, komm doch bitte her“ und dann, „aha, die Angst kommt auch wieder, du kannst wieder weiterfliegen“.

 

Aham Brahmasmi, Om Shanti

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

 

 

 

 

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