Die vier Yoga-Wege

Swami Vivekananda hat die Yoga-Wege in vier eingeteilt. Es gibt viele verschiedene Einteilungen, wir bei Yoga Vidya folgen meistens der Einteilung in sechs Yoga-Wege. Die vier Yoga-Wege sind euch damit auch bekannt. Es sind vier Weisen, wie wir letztlich Kaivalya erreichen, Kaivalya, die höchste Befreiung.

Der erste Weg, der vor allem am Anfang besonders attraktiv ist, ist der Raja Yoga Weg und in vielerlei Hinsicht ist der Raja Yoga Weg der Weg der Erfahrung. Wir praktizieren und im weiteren Sinne gehören zu dem ganzen Komplex des Raja Yoga auch Hatha und Kundalini Yoga. Wir praktizieren und über die Praxis transzendieren wir die Grenzen der Identifikation. Wenn man ausreichend lange meditiert, irgendwann spürt man die Grenzen des Körpers nicht mehr. Wenn man ausreichend lange Pranayama macht, spürt man Energieerfahrungen, die höheren Chakras werden aktiv und man fühlt diese Verbundenheit. Wenn man eine Asana lange genug hält und konzentriert ist,  transzendiert man  das Bewusstsein von Individualität.

Manchmal, das ist das Problem beim Raja Yoga, dass Menschen dann auch erfahrungssüchtig werden. Wir wollen diesen ultimativen Kick haben. Zwanzig Runden Bhastrika führen zu einer wunderbaren Vibration, also müssen wir dreißig Runden Bhastrika üben. Oder wir haben vorher zwanzig Minuten die Vorwärtsbeuge gehalten und dabei ist die ganze Wirbelsäule heiß geworden und das Ajna Chakra hat vibriert und das Sahasrara Chakra voller Licht und irgendwo wie ein kosmischer Blitz ist dort. Und dann durch die Gnade Gottes sind dann aber nicht immer diese zusätzlichen körperlichen Hochleistungen möglich und dann ist die Erfahrung auch nicht mehr da. Und letztlich, im Raja Yoga geht es auch nicht wirklich nur um diese Prana-Erfahrungen, sondern letztlich geht es darum, den Geist zur Ruhe zu bringen, um jenseits von all diesen Kick-Erfahrungen zu kommen. Aber für sehr viele moderne westliche Aspiranten ist erstmal, werden wir auf den spirituellen Weg gekickt über diese wunderbaren Erfahrungen, die wir durch Asanas, Pranayama oder auch Mantrasingen oder auch Meditation machen. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht erfahrungssüchtig werden, denn dort gibt es die Grenzen.

Ein zweiter wichtiger Weg ist Bhakti Yoga und Bhakti Yoga heißt Hingabe, alles Gott darbringen. Wir tun nichts mehr für uns selbst, wir tun alles für Gott. Das schließt auch ein, auch dieser Körper ist ein Teil des Körpers Gottes, dieser Körper ist Tempel Gottes, also kümmern wir uns um diesen Körper als Tempel Gottes. Wir kümmern uns nicht um den Körper „für mich“, sondern für Gott. „Denn, ich will Gott dienen und dazu kümmere ich mich um den Körper, um den Geist. Vielleicht entwickle ich auch meine Persönlichkeit, vielleicht mache ich auch Asanas und Pranayama, damit ich mehr Prana habe, damit ich besser dienen kann.“ Und dieses Bhakti Yoga hat den großen Vorteil, es klappt auch dann, wenn mal vorübergehend oder dauerhaft Erfahrungen nicht so möglich sind. Manchmal versucht man, viel zu meditieren, und stellt dann fest, es wird doch nicht so schön, wie man es sich erhofft hat. Und dann sagt man: „Oh Gott, Dein Wille geschehe. Ich lasse los, ich bringe Dir alles dar, alles ist Dein, ich bin Dein. Und es kommt mir jetzt nicht darauf an, dass ich genau das und das erreiche, sondern Dein Wille geschehe.“ Diese Hingabe.

Ein nächster Weg ist Jnana Yoga. Ein Jnana Yogi fragt sich: „Wer bin ich?“ So wie Swami Sivananda sagt: „Frage, wer bin ich, erkenne dein Selbst und sei frei.“ Ganz einfach. Also: „Wer bin ich?“ Wir erkennen das Selbst und sind frei. Das scheint Maitri besonders zu gefallen: „Jaaaa.“ Erkenne dein Selbst und sei frei. Und das ist auch öfters die Frage, wenn man jetzt irgendwelche Fragen hat, kann man sagen: „Wer fragt?“ Wenn man Schwierigkeiten hat: „Wer hat Schwierigkeiten?“ Wenn man enttäuscht ist: „Wer ist enttäuscht?“ Wenn man sich ärgert: „Wer ärgert sich?“ Und immer wieder können wir dann feststellen: „Neti, Neti, ich bin nicht der Körper, ich bin nicht die Emotionen, ich bin nicht dies, nicht dies.“ Aber es gibt eine Bewusstheit, die da ist, jenseits von all dem, was wir nicht sind. Und das können wir im Alltag haben. Und dann können wir fast amüsiert durch den Tag durchgehen. Das ist eine der vielen Bhavas, die ein Jnana Yogi hat, ein gewisses Amüsiertsein über das, was so das Spiel dieser Welt ist. So wie man nicht ganz involviert sein muss, um andere Spiele genießen zu können. Und Bewusstheit, hinter allem steckt irgendwo Gott. Wir beobachten das Spiel des Egos und alles, was da ist, aber wir wissen, hinter allem ist das eine unendliche Göttliche.

Bleibt noch Karma Yoga. Karma Yoga ist auch, wie man so schön sagt, der Lackmustest, einer der vielen Lackmustests, die es gibt. Lackmustest ist feststellen, ist etwas eine Säure oder eine Base. Und ob wir auf unserem spirituellen Weg weitergekommen sind, zeigt sich daran, wie sehr sind wir egozentriert oder wie sehr wollen wir anderen helfen und dienen, wir sehr fühlen wir uns mit anderen verbunden. Und so ist dieses uneigennützige Dienen zum einen in allen Yogawegen die Grundlage, aber es ist schließlich auch der Test. So wie Jesus auch gesagt hat: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Wird man, wenn man irgendwie erfahren hat, „ich bin das unsterbliche Selbst“, egoistisch oder wird man liebevoller und uneigennütziger? Wenn wir sagen: „Ah, ich bin Diener Gottes, ich bin ein besserer Diener Gottes von allen. Deshalb müssen andere mir dienen, denn ich bin der größte Diener Gottes.“ Alle möglichen Egofallen kommen dort. Daher immer wieder Karma Yoga wichtig. „Bin ich bereit, zu dienen, loszulassen, mein Leben für andere zu leben?“ Und so gibt es mal Phasen, da ist Raja Yoga besonders wichtig. Raja Yoga im weiteren Sinne, Praxis, Übung, Erfahrung. Es gibt Phasen, da ist Bhakti am wichtigsten, alles Gott darbringen, hingeben, letztlich zum Teil auch auf Glauben, wenn man vielleicht momentan nichts erfährt, „ich glaube es trotzdem, denn was gibt es sonst in diesem Universum“. Hingabe. Dann Jnana: „Wer bin ich?“ Nicht-Identifikation und Dienen. Und manchmal wird es von der einen Phase zur anderen übergehen. Jemand hatte vorher diese tollen Erfahrungen und jetzt gehen die irgendwo nicht mehr, man hängt daran, fällt in eine Krise. Wenn er es aber dann schafft, entweder in den Jnana Yoga oder Bhakti Yoga hineinzuspringen, dann hat er einen entscheidenden Schritt geschafft. Und dann, vielleicht ist irgendwann mal der Jnana Yoga dran, „Aham Brahmasmi“. Und dann kommen irgendwann mal die Emotionen und dann sagt einem vielleicht das Jnana Yoga nicht mehr so viel. Dann ist vielleicht der Sprung ins Bhakti wichtig. Dann ist es nicht irgendwo eine Krise, sondern ein Übergang. Und manchmal sind die Phasen besonders wichtig des Dienens.


Hari Om Tat Sat

 

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

 

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