Depression – Teil 4 Lob der Melancholie

Hallo und herzlich willkommen zur vierten Ausgabe des Podcasts „Ratgeber Depression“. Ich möchte heute sprechen über Melancholie und sagen, Melancholie hat auch etwas Gutes. Ich spreche ja hier nicht nur über die klinische Depression, die etwas ist, was behandlungsbedürftig ist von einem Fachmann, sondern eben alles, was zu DepressionNiedergeschlagenheit usw. dazugehört. Und ein wichtiger Gesichtspunkt ist, Depression ist nicht nur schlecht. Es gibt depressivere Menschen. Die empirische psychologische Forschung zeigt sogar, dass Glücksempfinden bis zu einem gewissen Grad angeboren ist. Heutzutage gibt es so etwas wie eine Diktatur des Glücks. Es scheint, man muss glücklich sein. Es gibt so viele Glücksratgeber, aber du musst gar nicht glücklich sein. Es gibt keine Notwendigkeit, immer glücklich zu sein. Falls du zu den etwas melancholischeren Zeitgenossen zählst, bist du in guter Gesellschaft. Viele große Menschen, die viel bewirkt haben, waren eher melancholisch. Z.B. Goethe, von dem auch der Satz kommt: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe guter Tage.“ Goethe hat erkannt, dass Schwierigkeiten hilfreich sind, dass auch eine melancholische Stimmung etwas Gutes ist, hat ihn beflügelt, hat ihn tiefer denken lassen. Man kann auch sagen, ein melancholischer Mensch durchschaut die Dinge besser. Es gibt in Amerika einige psychologische Versuche, da hat man geschaut, wer kann besser die Zukunft vorhersagen, der Pessimist oder der Optimist? Und es hat sich tatsächlich gezeigt, ein Mensch, der von der Grundstruktur her eher pessimistisch ist, der sieht die Zukunft sehr viel besser und genauer und kann die Zukunft besser vorhersagen als der Optimist. Langfristig geht ja auch mehr schief. Und so ist es gut, dass es melancholische Menschen gibt. Natürlich ist es auch gut, dass es die optimistischen Menschen gibt, die so einfach Glück haben, die sind schneller begeisterungsfähig, die sind offener, Neues anzufangen und die haben dann auch die Energie, Dinge zu ermöglichen, die man vielleicht nicht machen würde, wenn man gleich alle Risiken sehen würde.

Aber es ist auch wichtig, dass es den Melancholiker gibt, dass es den Pessimisten gibt. Der sieht die Hintergedanken, die jemand vielleicht hat. Und er sieht auch: Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Er wird nicht auf jeden Zug aufspringen und er wird die Dinge gründlicher durchdenken. Menschen, die melancholisch sind, werden vielleicht auch Vorsichtsmaßnahmen treffen. Gut, melancholisch und pessimistisch ist zwar nicht genau das gleiche, aber ich behandle jetzt hier mal beides auf einmal. Melancholische Menschen sind auch tiefsinniger. Buddha z.B. muss ein solcher gewesen sein. Er hat diesen Satz geprägt: „Alles Leben ist Leiden.“ Das ist die erste der vier edlen Wahrheiten. Und ein Melancholiker wird das durchaus sehen: „Ja, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Jemand, der heute jubelt, wird morgen weinen. Das, was heute ins Leben tritt an Schönem, wird nachher vorbei sein. Wünsche, die man hat, werden vielleicht erfüllt, vielleicht auch nicht erfüllt.“ Und ein solches melancholisches Temperament zu haben, heißt durchaus, dass man tiefer denkt. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Welt Dinge schiefgehen, vor dem Hintergrund, dass in dieser Welt so viel Leiden ist, gibt es etwas, was jenseits des Leidens ist.

Anstatt jetzt die äußere Welt nur positiv zu machen, kannst du überlegen: „Gibt es etwas, was tiefer ist?“ Ja, falls du zu den Menschen gehörst, die eher zu melancholischem oder pessimistischem Temperament neigen, die vielleicht weniger schnell sich über alles Mögliche freuen, dann sei dir dessen erst mal bewusst und sei dir bewusst, es ist gut so, dass du so bist, es ist gut, dass in der Gesellschaft es Optimisten und Pessimisten gibt. Jedes Temperament hat so seine Vorteile. Dann kannst du dir bewusst sein: „Was ist Positives daran? Warum ist es gut, dass ich auch zu Melancholie neige?“ Was nicht heißt, dass du deine Melancholie weiter verstärken musst, aber sei dir erst mal bewusst: „Ja, es ist gut, dass ich auch die negative Seite der Dinge sehe. Ja, es ist gut, dass ich Bedenken habe. Ja, es ist gut, dass ich auch den Schmerz und Weltenschmerz habe.“

Überlege, was ist gut? Wie hast du da schon Positives beitragen können? Wo hast du Menschen helfen können, durch deine tiefsinnigeren Gedanken? Und wo überhaupt neigst du zu Tiefsinnigkeit? Und ist das vielleicht auch eine Hilfe für deine Spiritualität? Und vielleicht, wenn du bisher ein scheinbar freudiges Leben geführt hast und jetzt vielleicht in eine depressivere Phase hineingeraten bist, kannst du auch überlegen: „Habe ich vielleicht durch scheinbare äußere Freude etwas überspielt und bin deshalb in einer etwas niedergeschlageneren Phase?“ Überlege, vielleicht wirst du feststellen: „Ja, dem ist tatsächlich so. Ja, und es ist gut, dass ich jetzt aus meinem oberflächlichen Glück der letzten Monate oder Jahre in eine tiefsinnigere Phase komme und diese sollte ich auch als solches annehmen. Mehr zum Thema „Depression“ findest du auch auf unseren Internetseiten unter www.yoga-vidya.de. Da ist oben rechts ein Suchfeld, wenn du dort eingibst „Depression“, findest du eine Menge von Informationen, was du bei Depression machen kannst. Aber das erste, was du machen kannst, ist, dich wertzuschätzen dafür, dass du auch depressiv bist.

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Kommentare

  • Danke für diesen Beitrag Sukadev. Er begleitet mich, seit Du ihn gepostet hast. Von einer traumatisierenden Kindheit gepägt ist mir überschäumende Lebensfreude und Leichtigkeit nicht wirklich zugänglich. Wenn ich die Vorstellung davon aufgebe, wie ich mich fühlen könnte oder müsste, wenn ich endlich Zugang zu Lebensfreude und Leichtigkeit hätte, geht es mir besser. Egal wie oft ich diese Affirmationen spreche, es stellt sich nicht wirklich ein. Wenn ich das also lasse und mich dem freundlich zuwende, was da ist, erfahre ich doch Lebendigkeit, nur auf eine andere Weise. Meine Freude hat eine andere Textur, eine andere Körnung und auch ohne Leichtigkeit kann ich im Fluss ein. Bei allem Verstehen von Karma und Samskara, bei allem Streben nach Selbstverwirklichung und aller Sehnsucht nach dem Frei-Sein vom Leid und der Verwirklichung meines Anteiles an Gott, muss es doch einen Ort geben, an dem die Verluste gezählt werden, der Schmerz gehört wird, die Verbrecher bei ihrem Namen gerufen werden und Sühne eingefordert wird. Zumindest scheint es in mir einen solchen Ort zu geben. Wenn ich mit dem mir möglichen sanftesten Atem dahin gehe, dann stellt sich sowas wie Frieden ein. Jaya Mata Kali! Dank für diesen Ausweg!

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