Das Sterben der Olivenbäume



Das Sterben der Olivenbäume

Italien lässt eine Million Olivenbäume fällen

13.03.2015 16:59 Uhr von Paul Kreiner

Der italienische Staat lässt in Apulien eine Million alte Bäume fällen – sie sind von der Xylella befallen, einer Bakterie aus Amerika. Droht Europas Pflanzenwelt ein großer Kahlschlag?

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Wahrzeichen Apuliens. Hier stehen Millionen uralter, knorriger Olivenbäume.
Foto: imago/blickwinkel
Zuerst sollten es nur einige hundert sein, dann ein paar tausend, und jetzt werden mehr als eine Million Olivenbäume gefällt. Anfangs sollten nur wenige Olivenhaine plattgemacht werden, dann eine Pufferzone von einem Kilometer Breite, und jetzt auf einmal hält der italienische Katastrophenschutz einen „cordon sanitaire“ von bis zu 15 Kilometern Tiefe für notwendig.

Das bedeutet Kahlschlag, quer über die gesamte Salento-Halbinsel hinweg, den Absatz des italienischen Stiefels. Das ist ein Umweltdrama. Und ein menschliches Drama in einer Gegend, in der tausende Familien vom Olivenanbau leben. Es bedeutet die Vernichtung eines historisch gewachsenen Landschaftsbilds. Der Salento ist geprägt von seinen teils jahrhundertealten, von Wind und Zeit zu knorrigen Skulpturen geschnitzten Olivenbäumen. In der Identität, im Gefühl der Apulier spielen diese Bäume eine zentrale Rolle. Diese geht jetzt an Axt und Flammen verloren – wegen eines winzigen Lebewesens, gegen das alle anderen Mittel versagen: wegen Xylella fastidiosa, der Feuerbakterie.

Doch ganz so einfach wie die offizielle Erklärung ist die Sache nicht. Der neue, dritte Bericht über die italienische „Agromafia“ hält fest, wie der Salento von vielen Geschäftsinteressen attackiert wird. Von Hotelketten, die sich Platz freihacken in uralten, gesetzlich folgenlos geschützten Olivenhainen; von der öffentlichen Hand, die breite Straßen quer durch die Landschaft schlägt, von der Müllmafia, die Giftzeug aus ganz Europa dort versenkt, wo sie will. Und immer wieder schreiben apulische Lokalzeitungen über viele Hektar Olivenpflanzungen, die – in illegaler Weise – lukrativeren Fotovoltaikanlagen weichen müssen und über Plantagen, die mit übermäßigem Einsatz von Pestizid „saniert“, mit verbotenem Klärschlamm „gedüngt“, in Wahrheit aber so geschwächt werden, dass Xylella fastidiosa – am Ende dieser „Schädlingskette“ – leichtes Spiel hat.

Das Bakterium verbreitet sich rasend schnell

Jedenfalls hat sich das erst 2013 dingfest gemachte Bakterium deutlich schneller verbreitet als angenommen, und dadurch, dass es sich nicht mit Ölbäumen begnügt, sondern auf praktisch alle Obstpflanzungen und womöglich auf Rebstöcke überspringen kann, stellt es in den Augen der EU-Kommission eine akute Bedrohung für die gesamte europäische Landwirtschaft dar. Die italienische Regierung hat den Notstand ausgerufen und unter den Tränen der Bauern dieser Tage die Maschinen für den Kahlschlag auffahren lassen. Der Sonderkommissar der Regierung, Giuseppe Silletti, erklärt den Zeitpunkt des Zugreifens damit, dass Xylella übertragen werde von einer kleinen Zikadenart: „Wir müssen handeln, bevor die jetzt im Frühjahr aus den Eiern schlüpfen.“ Er wirft aber auch den Bauern vor, die Pflege der Haine unterlassen zu haben, das Durchlüften des Bodens sowie das Entfernen von Blattwerk und Zweigen, in denen sich die jungen Zikaden wohlfühlen. Die Region Apulien rät zu einer massiven Attacke mit Pestiziden – aber diese sind nach Befürchtung von Bauernverbänden und Umweltkomitees gefährlicher als Xylella selbst. Die Bakterie, so schreibt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrem eilends erstellten Forschungsbericht, ist ein illegaler Einwanderer. Die Tatsache, dass die apulische Variante zuvor nur auf Oleanderpflanzen in Costa Rica entdeckt worden war, lasse darauf schließen, dass Xylella mit dem weltweiten Handel von Zierpflanzen verbreitet worden sei. In Amerika kennt man Xylella schon länger: Da hat sie sich über Weinberge in Kalifornien ebenso hergemacht wie über brasilianische Zitrusplantagen – alles Gewächse also, die auch in Italiens Landwirtschaft eine große Rolle spielen.

Das Problem ist nur, darauf weist der 262-seitige Bericht der EFSA hin: Nicht alle befallenen Pflanzen zeigen Symptome; jede kann zum Infektionsherd werden. Und dann gibt die Behörde den Kritikern der apulischen Radikalkur recht: Kahlschläge hätten weder in Brasilien noch in Taiwan etwas gebracht. „Gerade bei einem großen Ausbruchsgebiet erwischt man nie alle befallenen Pflanzen.“ Im Prinzip müsste man alle möglichen Wirte von Xylella vernichten, nicht nur die Oliven, sondern die meisten Nutz- und Zierpflanzen, und man müsste zahlreiche Insekten gleich mit vernichten: „Alle, die Pflanzensaft saugen, können zu Überträgern werden“, hält die Studie lapidar fest.

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Quelle:

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/bakterie-xylella-aus-amerika-zerstoert-ernten-italien-laesst-eine-million-olivenbaeume-faellen/11502326.html

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Kommentare


  • Bakterieninfektion: Das Ende des Olivenöls?

    In Süditalien verheert das Bakterium Xylella die uralten Olivenplantagen, hunderttausende Bäume sollen zum Schutz geopfert werden. Doch viele Einwohner wittern eine Verschwörung.

    Olivenöl

    © fotolia / Dusan Zidar


    Nach und nach vertrocknen Blätter, Äste und irgendwann der ganze Baum. Rund eine Million Olivenbäume der Halbinsel Salento, also vom Stiefelabsatz Italiens, sind befallen. Darunter etliche knorrige Exemplare, die Wind und Wetter jahrhundertelang trotzten. Nun erliegen sie Xylella fastidiosa, in Deutschland auch als Feuerbakterium bezeichnet: Der Erreger nistet sich in den Wasserleitbahnen der Bäume ein und dreht ihnen regelrecht den Hahn zu. Ein Heilmittel gegen CoDiRO (Complesso del Disseccamento Rapido dell'Olivo, auf Englisch auch Olive Quick Decline Syndrome genannt) existiert nicht.

    "Das Ausmaß des Befalls ist schockierend", sagt Brion Duffy, Pflanzenpathologe an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften, der die betroffene Region schon mehrmals besucht hat. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Bakterien ausbreiten, nicht minder: 2013 wurde Xylella als Auslöser des Olivenbaumsterbens nachgewiesen. Damals waren etwa 8000 Hektar in der Provinz Lecce betroffen, dem Epizentrum des Ausbruchs. Im Oktober 2014 waren es bereits 23 000 Hektar. "Ein weiterer Ausbruch in Oria, 30 Kilometer von Lecce entfernt, hat große Besorgnis hervorgerufen", erklärt Donato Boscia, Leiter des Instituts für nachhaltigen Pflanzenschutz in Bari, der maßgeblich an der Erforschung der Xylella-Epidemie beteiligt ist.

    Italiens Regierung hat den Notstand ausgerufen. Die Region produziert mehr als 40 Prozent des italienischen Olivenöls. Der Xylella-Ausbruch wird allein dieses Jahr zu Verlusten in Millionenhöhe führen. Frankreich hat bereits im April die Importe von Pflanzen und Landwirtschaftsprodukten aus der süditalienischen Region gestoppt. Auch die EU ist alarmiert. In einem 262 Seiten umfassenden Gutachten beurteilen die Experten der europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) das Risiko, dass sich der Erreger weiter ausbreitet, als "sehr hoch".

    Das Bakterium gilt als unausrottbar

    Tatsächlich weisen Xylella-Bakterien ein ungemein breites Wirts- und Vektorenspektrum auf. Sie befallen Mandel-, Pfirsich- oder Zitronenbäume, Weinreben, Eichen, Oleander – und nun auch Olivenbäume. Hinzu kommt, dass jedes Pflanzensaft saugende Insekt als Überträger in Frage kommt: Diese fliegen von Baum zu Baum, stechen deren Leitungsbahnen an und verbreiten auf diese Weise die Bakterien. In der Region rund um Lecce gilt die Schaumzikade als Hauptüberträger von Xylella. "Hier sind fast 100 Prozent der Schaumzikaden Träger der Bakterien", rechnet Boscia vor.

    "Das macht die Ausrottung des Erregers in einem betroffenen Gebiet praktisch unmöglich", sagt Duffy. Was passiert, wenn der Erreger andere Gegenden in Italien erreicht oder in Griechenland und Spanien heimisch wird, möchte sich niemand ausmalen. Spätestens dann würde es auch der Verbraucher an gestiegenen Olivenölpreisen schmerzhaft zu spüren bekommen. Und was, wenn der Erreger plötzlich auch Weinreben befällt? "Das wäre das Worst-Case-Szenario", fasst Duffy zusammen.


    Vertrocknender Hain

    © Donato Boscia, Istituto di Virologia Vegetale del CNR, UOS, Bari (IT) – Franco Nigro, Dipartimento di Scienze del Suolo, della Pianta e degli Alimenti, Università degli Studi di Bari (IT) – Antonio Guario, Plant Protection Service, Regione Puglia (IT)

    Neben einem Verbot des Pflanzenhandels und -transports im Salento hat die EU weitere Notmaßnahmen veranlasst, die am 18. Mai in Kraft getreten sind. Um einerseits den Ausbruch in der betroffenen Region einzudämmen und andererseits die weitere Ausbreitung des Erregers zu verhindern. Dazu wurde eine rund 40 Kilometer breite Sicherheitszone eingerichtet, die die Halbinsel vom italienischen Festland abriegelt: Eine 30 Kilometer breite Überwachungs- und eine zehn Kilometer breite Pufferzone. In der Überwachungszone wurden bislang keine kranken Bäume nachgewiesen, und sie wird von nun an regelmäßig kontrolliert.

    Radikales Bäumefällen

    In der Pufferzone kommen seit einigen Wochen radikale Methoden zum Einsatz: Mitarbeiter des Forstamtes fällen kranke Bäume und verbrennen sie. Außerdem schneiden sie das Gras, pflügen den Boden um und versprühen Insektengift. Auch gesunde Bäume müssen dran glauben. In einem Umkreis von 100 Metern um einen kranken Baum müssen alle Wirtspflanzen vernichtet werden – eine Maßnahme, die die Olivenbauern auf die Barrikaden gehen lässt. Bewaffnete Polizisten und Carabinieri beaufsichtigen aus diesem Grund das Beseitigen der Bäume.

    Olivenbäume sind im Salento das Symbol einer eigenen Lebensart, sie prägen nicht nur die Landschaft, sondern auch die Menschen. Seit Generationen produzieren sie hier Olivenöl – Xylella bedroht ihre Existenz und die Kultur. "Sie müssen Bäume fällen lassen, die schon Großeltern und Eltern pflegten", sagt Boscia.

    Angeheizt wird der Protest durch verschiedene Theorien, die im Internet kursieren: Peacelink, eine italienische NGO, behauptete im März in einem Schreiben an die EU, es sei nicht bewiesen, dass Xylella die Ursache sei. Vielmehr werde das Olivenbaumsterben durch einen Pilz verursacht, und den könne man behandeln. Im April veröffentlichte die EFSA eine Kurzmeldung, nach der es keine wissenschaftlichen Hinweise zur Stützung dieser Annahme gibt.

    Verschwörungstheorien heizen die Stimmung an

    Auch Boscia und seine Kollegen stehen in der Kritik: Sie haben 2010 an einem Workshop teilgenommen, bei dem mit Xylella-Bakterien gearbeitet wurde. Nun machen Gerüchte die Runde, denen zufolge die Wissenschaftler die Bakterien absichtlich oder aber durch Nachlässigkeit freigesetzt hätten und so überhaupt erst deren Ausbreitung ermöglichten. Von Agromafia ist die Rede und von Interessen der Solarindustrie an frei werdenden Flächen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

    Wie die Fachzeitschrift "Nature" im Juni berichtete, handelt es sich allerdings bei dem Bakterium, das im Workshop untersucht wurde, und bei dem, das nun sein Unwesen treibt, um verschiedene Unterarten. Der Vorwurf an die Wissenschaftler sei demnach unhaltbar. Auch die American Phytopathological Society, mit 5000 Mitglieder starker Zusammenschluss von Pflanzenpathologen, unterstützte die italienischen Kollegen in einem offenen Brief anlässlich einer Xylella-Konferenz in Rom Anfang Juli.

    "Sie müssen Bäume fällen lassen, die schon Großeltern und Eltern pflegten" (Donato Boscia)

    Amerika kämpft schon lange gegen die Feuerbakterien. Seit der Entdeckung im Jahr 1892 hat sich der Erreger unaufhaltsam ausgebreitet. In Südamerika richtet er immer wieder verheerende Schäden bei Zitrusfrüchten an, in Nordamerika vernichtet er Weinreben. Europa blieb bislang verschont. Seit den 1980er Jahren gilt Xylella in Europa als so genannter Quarantäne-Schadorganismus: Der Umgang mit den Bakterien oder ihre Einfuhr ist meldepflichtig und unterliegt Einschränkungen.

    Wie die illegalen Einwanderer nach Italien gelangt sind, ist unklar. Wissenschaftler vermuten, dass sie über infizierte Zierpflanzen aus Costa Rica eingeschleppt wurden: Die in Italien grassierende CoDiRo-Unterart stimmt genetisch mit den costa-ricanischen Bakterien überein. Ein solcher Übertragungsweg wäre gut möglich, denn im Anfangsstadium der Krankheit zeigen die meisten Pflanzen keine Symptome – sie sehen gesund aus, tragen die Bakterien aber bereits in sich. Das erschwert den Kampf gegen den Erreger beträchtlich und erklärt die 40 Kilometer breite Sicherheitszone.

    Ungewisser Schutz

    Ob die Vorkehrungen allerdings ausreichen, um die Bakterien in Schach zu halten, ist ungewiss: Schaumzikaden oder andere befallene Insekten könnten von Menschen oder an Fahrzeugen unbemerkt aus der Quarantänezone exportiert werden und den Erreger so weiter verbreiten. Theoretisch müsste auch der Handel mit allen Wirtspflanzen untersagt werden, was allein daran scheitert, dass nicht alle Wirtspflanzen bekannt sind. "Wir wissen viel zu wenig über den Erreger und seine Überträger", sagt Duffy, "wir wissen nicht einmal, wie weit die in Italien und auch im restlichen Europa weit verbreiteten Schaumzikaden fliegen können."

    Auch der Nachweis der Bakterien ist nicht einfach: Mit Hilfe gentechnischer Methoden lassen sie sich zwar im Labor nachweisen, aber der Test nimmt zwei Tage in Anspruch. Ein Schnelltest, der direkt vor Ort durchgeführt werden könnte, würde vieles erleichtern. Das Züchten resistenter Olivenbäume – manche Bäume zeigen nur milde Symptome – wäre keine Lösung, zumindest keine kurzfristige. Dazu wachsen die Olivenbäume einfach viel zu langsam.

    "Wir müssen dringend in die Forschung investieren – und Hand in Hand mit den Bauern arbeiten", sagt Duffy, "denn leider sind die Forschungsergebnisse aus anderen betroffenen Länder nicht eins zu eins auf Europa übertragbar." Die italienische Regierung und auch die EU haben Geld für die weitere Forschung rund um Xylella zugesagt. Boscia setzt dabei auch auf eine Art Open-Air-Labor: "In einem großen Teil der Provinz Lecce können wir auf das Vernichten der Olivenbäume verzichten, da die EU anerkannt hat, dass sich Xylella hier etabliert hat und damit nicht auszurotten ist. Das gibt uns die Möglichkeit, eine ganze Serie von Experimenten durchzuführen, um herauszufinden, wie man mit Xylella leben kann."


    Quelle und © Spektrum.de 

    http://www.spektrum.de/news/bakterien-bedrohen-italiens-olivenbaeum...

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