Liebe Yoginis und Yogis,
ich möchte Euch einmal zum Thema Erleuchtung befragen und Euch mit meinen Gefühlen und Gedanken in dem Zusammenhang konfrontieren. Ich praktiziere Yoga seit etwa 3,5 Jahren und habe meine Yogalehrerausbildung letztes Jahr 11/2023 abgeschlossen. Seitdem praktiziere ich fast jeden Morgen ein wenig. Also etwa eine Stunde Pranayama, Meditation und ein paar Sonnengrüße. In der Meditation habe ich tatsächlich auch schon sehr schöne Erfahrungen dahingehend gemacht, dass ich einerseits sehr zur Ruhe gekommen bin und durchaus auch schon von regelrechten Glücksemotionen durchflutet wurde. Eine ganz tolle Erfahrung, die bis jetzt selten aufgetreten ist, für die ich dankbar bin und die ich durch sukzessive mehr Meditation weiter zu intensivieren suche. Auch konsumiere ich vieles, was in die Richtung Spiritualität geht und auch Psychologie. Ich bin also neben dem Rationalen auch spirituell interessiert und relativ offen dafür. Wie weit oder nah ich an so etwas wie Erleuchtung bin...keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, ich habe jedenfalls noch unglaublich viel zu lernen, Karma-Arbeit zu erledigen, usw., bevor das dann mal Thema werden könnte. ;-) Dennoch interessiert mich das Thema. Das mal vorweg zu meiner Person.
Swami Sivananda, Swami Yogananda oder auch Jesus, ja..aber die Youtube-Erleuchteten von heute?
Das Thema der Erleuchtung kenne ich natürlich ein kleines Stück weit aus der Yogalehrer-Ausbildung. Dass, wenn man beispielsweise von Swami Sivananda oder Yogananda spricht, man von Erleuchteten spricht-, oder vielleicht auch von Jesus in diesem Zusammenhang, das kann ich total gut annehmen. Allerdings stoße ich heutzutage in Youtube z.B. auf Leute wie Sadhguru oder Dirk Hessel und einige andere, die einerseits von Erwachen und Erleuchtung sprechen, wie als ob das etwas sei, was man erlernen kann. Und andererseits halten sie sich ganz offenbar für erleuchtet oder insinuieren dies, was so ein Gefälle mit sich bringt...die haben etwas, was ich vielleicht haben will-, ich hafte da an und will es auch und dann sind wir schon bei einem Geschäftsmodell. Denn nur der Erleuchtete kann den armen Nicht-Erleuchteten (bißchen Ironie) ja den Weg zeigen. Was mir total wiederstrebt, sind diese Verkaufsangebote so nach dem Motto "mach dich mit uns auf den Weg und wir führen dich zur Erleuchtung" - Seminar, kostet € soundsoviel. Und die Leiter solcher Seminare etc. vermarkten sich dann auch ganz offen als erleuchtete Personen, die dieses Wissen oftmals schwülstig ausgedrückt "gegen Energieausgleich" (= schnödes Geld) gerne weitergeben.
Das Geschäftsmodell mit der Erleuchtung
Wenn mir Erleuchtung so daherkommt, erzeugt das Ganze in mir ganz schlechte Gefühle. Mir kommen dann so Dinge in den Kopf wie, dass ich glaube, dass wenn jemand wahrhaftig erleuchtet ist, diese Person dann ganz bestimmt nicht offen darüber reden-, geschweige denn dieses zu einem Geschäftsmodell á la "ich führe dich zur Erleuchtung, weil ich weiß, wies geht und selbst erleuchtet bin" machen würde. Weitergeben auf subtile Art und Weise ja aber Geschäftsmodell, nein. Menschen die Tools in die Hand geben, damit sie sich selbst auf den Weg machen und ggfls. Erleuchtunng erlangen ja, aber sagen, dass man sie dahinführen kann, nein. Ich glaube, dass das wirklich oft ein Geschäftsmodell ist, dass sich jemand hinstellt und sagt "hier, ich weiß was, was Du nicht weist und was Du haben willst. Zahl das und das und ich führe dich hin...". Und letztlich kann ja jeder behaupten, er sei erleuchtet. Ich sehe bei Menschen, die behaupten, sie seien erleuchtet eine Narzissmus-Komponente-, vielleicht sogar Anmaßung und eben tatsächlich auch vermutlich so etwas wie eine deutliche Orientierung zu Geld. Ich will dazusagen: Natürlich müssen Erleuchtete auch von irgendetwas leben! Und natürlich hat der Ashram von mir Geld dafür bekommen, dass man mir die Yoga-Philosophie nahegebracht hat und dabei auch das Thema Erleuchtung eine Rolle spielte. Man hat mir auch Wegweiser und Quellen mitgegeben, die ich verfolgen kann, um selbst auf meinem spirituellen Weg weiter zu kommen und ja, vielleicht irgendwann auch einmal so etwas wie eine Erleuchtung zu erfahren...by the way: Was heißt eigentlich "erleuchtet" sein? Ist das nicht auch ein Begriff, der ganz unterschiedlich gedeutet werden kann? Und damit auch anfällig ist für eine Mißdeutung bis hin zum Mißbrauch?
Das sind aktuell so meine Gedanken zu dem Thema. Und da ich immer wieder auf Menschen stoße, die angeblich wissen, wie man zur Erleuchtung kommt und ich da mißtrauisch bin, wollte ich Euch einmal fragen, wie so Eure Standpunkte/Erfahrungen/Ansichten zu dem Thema sind...oder auch, ob ich hier etwas mißverstehe oder noch gar nicht verstanden habe, usw. Oder vielleicht gibt es ja einen Erleuchteten unter Euch, der mir da helfen und mir plausibel erklären kann, wie das zu verstehen ist und warum er der Meinung ist, erleuchtet zu sein...
Über Eure Gedanken wäre ich sehr dankbar.
Om Shanti
Jörg
Antworten
Lieber Jörg, ich habe über 30 Jahre gebraucht, um zu erfahren was Erleuchtung ist. Auch ich ging Deinen Weg. Auch ich habe Deine Frustration über das erlebt, was sich in unserer Welt im Yogakosmus so tummelt. Ich habe dann ganz ohne Schulen, ohne Komerz, ohne Lehrer, im Selbststudium, in Schriften, alles gefunden, was ich eigentlich suchte. Meine ersten Bücher wahren: "Die vier edlen Wahrheiten" von Klaus Mylius, "Die Bhagavadgita", auch von Klaus Mylisu, von dem man sagte, dass er gar in Sanskrit träumt, und mit dem ich kontakt hatte, die Übersetzungen ins Deutsche sind trefflich und seine Übersetzungen sind nicht vom religiösen Eifer gefärbt. Klar, dann "die Wurzeln des Yoga" von Betina Bäumer, obwohl, die hat aus dem Englischen übersetzt und so sind die Sutra dann doch recht unverständlich geblieben. Die Kommentare von Despande, helfen da so gar nicht. Über die ganzen Bücher kam ich dann zu dem Schluss: "Das kein einziger Autor dabei war, keiner, von dem die Autoren schrieben, der das letzte, die Wahrheit über unser Dasein letztlich wirklich entschlüsseln konnte. Oder, sie konnten es, aber die, denen sie es versuchten zu erklären, haben es nicht verstanden und konnten es so dann auch nicht an uns übermitteln. Aber, ich gebe Dir Hoffnung, ich habe es gefunden, somit, denke ich, wenn Du alles daran setzt, und es für Dich vorgesehen ist, wirst auch Du die Erleuchtung erlangen können. Aber, selig, bist Du dann noch nicht. Denn Erleuchtung und Seligkeit ist so verschieden wie streicheln und das Gefühl, gestreichelt zu werden ... Liebe Grüße Hans Christian Duvivier
Danke :-D
Andererseits gibt es soweit ich sehe Menschen, die manches genauer erkennen als andere. Ich auch. Wie sollte damit umgegangen werden? Ja, solche Situationen können einige Verwicklungen bedingen. Aber sollte deswegen so getan werden, als seien alle Menschen gleich?
Soetwas sehe ich ebenfalls kritisch. Andererseits sehe ich, daß es da einen nicht ganz kleinen Personenkreis gibt, der sich selbst sicherer fühlt, wenn er für etwas Geld bezahlt. Sowas kennen Menschen heute. Trotzdem halte ich es spirituell für sehr fragwürdig sich auf soetwas einzulassen. Doch diese Seminargurus erreichen teils größere Reichweiten, ich denke eben auch weil sie an diese Gelddinge andocken, auf die viele heutige Menschen konditioniert sind. Viele würden auch selbst gerne Erleuchtung konsumieren können? Und wenn soeiner kein Geld nimmt, wo ist dann der Haken? Das ist doch verdächtig!? ;)
Was möglicherweise für dich spricht.
Nehmen wir an, ich wäre "erleuchtet", wieso sollte ich dann nicht offen darüber reden?
Die Menschen würden schon ihren Teil dazu tun müssen, würde ich sagen.
Ja.
Das ist möglich.
Das wird er. Nach meinem Eindruck ginge es dabei oft darum anderes Leben wieder mehr zu spüren?
Vielleicht bin ich erleuchtet, vielleicht nicht. Es geht wohl nicht um solche Begriffe, sondern um Verständnis der Dinge, besonders derer, die stark mit dem Sein zu tun haben, also unserer unmittelbarsten Realität noch vor aller Körperlichkeit?
Hari Om!
Deine Gedanken und Erkenntnisse halte ich für ganz vernünftig.
Vom Thema Erleuchtung werden viele angezogen, das eröffnet auch kommerzielle Möglichkeiten. Aber wir brauchen ja irgendwelche Angebote, die uns nicht zusagen, nicht anzunehmen.
Ich glaube, daß viele Aspiranten sich zu viele Gedanken um die Erleuchtung machen, weil darüber die Schritte, die ihr vorausgehen und irgendwann zu ihr führen mögen, vernachlässigt werden. Ist es nicht besser, sich mit realen Erfahrungen und Erlebnissen zu beschäftigen, als mit einer Idee, von der man gar keine genaue Vorstellung hat? Was hat es für einen Sinn, sich Erleuchtung als Ziel zu setzen, wenn man die menschlichen Eigenschaften von Begierde, Ärger, Neid, Habsucht, Arroganz und Verblendung nicht überwunden hat oder sich noch nicht einmal mit ihnen auseinandersetzt? Eine positive, aufgeschlossene Grundhaltung, Zufriedenheit mit sich und seiner Umgebung, Freundlichkeit sind erreichbare Ziele, deren Wirkung auch spürbar ist.
Meiner Ansicht nach ist "Erleuchtung" ein Ziel menschlicher Evolution, auf das wir uns auch ohne unser (oft verirrtes) Zutun hinbewegen. Entsprechend der verschiedenen Lehren wird diese Entwicklung durch bestimmte Praktiken beschleunigt. Ohne Zweifel können diese Praktiken auch angenehme Empfindungen, tiefe Entspannung und Glücksgefühle auslösen. Das ermutigt zum Weitermachen. Allerdings ein Kribbeln hier und dort für das Aufsteigen der Kundalini oder eine Licht- und Farbenerscheinung für Samadhi zu halten, ist eher ein Holzweg.
Wenn unser Verstand aufhört, über Erleuchtung, die er ohnehin nicht erfassen kann, nachzudenken, wird er frei für andere Aufgaben, die er bewältigen kann.
Om Shanti
Lieber Nityananda,
lieben Dank für Deinen Gedanken dazu! Deine Sicht dazu entspricht mir sehr. :-) Also Du über die menschlichen Eigenschaften schriebst habe ich nur so gedacht...oh man, da habe ich ja noch einen weiten Weg vor mir und das ein oder andere werde ich vielleicht nie ganz ablegen.. Aber der Weg ist das Ziel!
Ich würde gern mehr von Dir/Deinen Gedanken/Deinem Tun erfahren wollen... - kann ich Dir irgendwo folgen? Auf Facebook z. B.?
Jörg
Hari Om Jörg,
ich nutze kein Facebook, instagram usw. Wir können uns gerne über Email austauschen, auch wenn ich der Ansicht bin, daß bei der schriftlichen Kommunikation einiges verloren geht. Mit lieben Grüßen,
Nityananda
Eine Sehnsucht kann jemanden auch dazu treiben, sich mehr mit Spirituellem zu befassen. Pauschal würde ich soetwas nicht abtun.
Es ist ja schon möglich, daß jemand geistig etwas ergreift und dann ganz von selbst finsterere Eigenschaften von ihm abfallen? Wenn Menschen sich mit menschlichen Mitteln (z.B. mit Selbstkonditionierungen) zu gestalten versuchen, dann ändert das den Zustand der Seele meist soweit ich sehe nur relativ wenig oder gar nicht. Deswegen bricht manche "Praxis" wohl auch so leicht in sich zusammen?
Meiner Ansicht nach entwickeln sich Menschen nicht automatisch in eine solche Richtung.
Vielen lieben Dank für Deine Gedanken dazu!