Was Liebe ist

Was Liebe ist.

 

In allen wichtigen spirituellen Traditionen wird immer gesagt, Liebe ist, was ganz entscheidend ist. Zum einen wird gesagt, Liebe ist ein Mittel zur Verwirklichung, zum anderen ist aber auch ein Zeichen, dass man die Verwirklichung erreicht hat, dass man Liebe spürt, erfährt, ausstrahlt. So sagt z.B. Narada im Bhakti Sutra, Liebe ist in sich selbst Erfüllung. Manche Jnana Yogis sagen, Liebe ist Mittel zum Zweck der Verwirklichung. Krishna sagt in der Bhagavad Gita, Liebe ist ein Zeichen eines Vollkommenen. Liebe hat verschiedene Aspekte. Liebe zu anderen, Liebe zu den Mitmenschen. Jesus betont besonders, Liebe auch zu seinen Gegnern. Patanjali geht aber so weit, dass er sagt, wer wirklich in Ahimsa verankert ist – was wörtlich Nicht-Verletzen heißt, aber umgekehrt heißt Ahimsa dann auch, in Mitgefühl und Liebe verankert sein – der kennt überhaupt keine Gegner mehr. Aber zunächst mal ist es einfach – gut, einfach vielleicht nicht – zunächst mal Liebe zu fühlen gegenüber Menschen, die man mag. Dann kann man probieren, die Liebe zu den Menschen, die man mag, etwas uneigennütziger zu machen und auch bedingungsloser zu machen. Dann kann man Liebe entwickeln zu Menschen, die man vielleicht zunächst mal intuitiv nicht mag. Und dann kann man Liebe entwickeln zu den Menschen, die man vielleicht sogar als Gegner ansieht. Und ein Zeichen – so sagt es Patanjali – dass man in der Liebe wirklich verankert ist, ist, dass man überhaupt keine Gegner mehr kennt und auch niemanden, den man nicht mehr mag. Das ist jetzt eine relativ hohe Sache, aber sie ist möglich und es ist erfahrbar und es ist möglich, aus dieser Bewusstheit heraus zu leben. Vielleicht wird man immer noch sich über bestimmte Verhaltensweisen vielleicht auch mal ärgern, weil Ärger ist ja auch eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden, aber es ist möglich, zu vermeiden, dass es einen Menschen gibt, den man nicht mag. Es ist möglich, dass man mit allen Menschen, mit denen man zu tun hat, eine Grundstimmung von Liebe und Mitgefühl hat. Dann gibt es jemanden, dessen Gegenwart man nicht vermeiden kann und das ist man selbst. Von allen anderen kann man auch mal Pause haben. Gut, Swami Vishnu hat auch gerne gesagt, auch von sich selbst hat man jeden Tag Pause, nämlich im Tiefschlaf. Aber das ist die einzige Zeit, wo wir von uns selbst Pause haben, ansonsten schleppen wir uns überall mit hin. Oder wir sind auch schon da. Ob wir schleppen oder nicht schleppen, jedenfalls wir selbst sind immer da. Und wenn man von allumfassender Liebe spricht, ist natürlich auch die Liebe zu sich selbst gemeint und die Selbstakzeptanz. Das ist auch wieder einfach gesagt. Und gerade im Yoga hat man ja noch dazu hohe Ideale. Wenn ich jetzt vorher gesprochen habe, es gilt, Liebe zu entwickeln zu allen Menschen, allen Wesen, selbst die, die man erst mal nicht mag oder die einen schlecht behandeln. Dann nimmt man sich das vor, man stellt fest, es ist nicht so ganz möglich. Und dann, viele haben dann eine Neigung, über sich selbst zu schimpfen: „Ach, jetzt habe ich schon wieder den nicht gemocht, dabei habe ich mir doch vorgenommen, nur positiv zu reagieren, mitfühlend, einfühlsam, gewaltfrei zu kommunizieren.“ Je nachdem, was man sich dort gerade vorgenommen hat. Und dann gibt es dann viele, die sagen: „Ich Schwachkopf und Dummkopf und ich tauge nichts, wie konnte ich das schon wieder machen.“ Also, eine gewisse Neigung haben viele Menschen auf dem spirituellen Weg, mit hohen Idealen und hohen Selbstansprüchen, und nachher stellen sie fest, sie sprechen mit sich selbst eigentlich gar nicht so, wie sie jemals mit irgendjemand anders sprechen würden. Also, in Selbstgesprächen gebrauchen viele Menschen auch Ausdrücke, die sie gegenüber einem anderen nie verwenden würden. Dort gilt es, zu lernen, mit sich selbst auch freundlicher umzugehen. Das ist auch ein großes Thema und heute Morgen ist ja nur ein Kurzvortrag. Eine Möglichkeit, die ich nur anreißen will, vielleicht ein anderes Mal ausbaue, ist, sich bewusst zu werden, alle Handlungstendenzen, die wir in uns tragen, sind in irgendeinem Kontext durchaus sinnvoll. Es gibt eigentlich nichts, was bedingungslos verurteilenswert wäre. Selbst wenn man aggressive Tendenzen hat, in irgendeinem Kontext war das mal denkbar. Sei es, in grauer Vorzeit, wenn man plötzlich einen Tiger vor sich gesehen hat, dann war es vermutlich angebracht, dort irgendwo mit Flucht-Kampfmechanismus zu reagieren. Wenn man so nicht reagiert hätte, wäre man gefressen worden, hätte sein Erbgut nicht weitergeben können, würde es einen heute nicht geben. Deshalb können wir dankbar sein dafür. Und auch, Ärger aktiviert einen, Angst aktiviert einen, ist also in irgendeinem Kontext auch sinnvoll. Auch Ansprüche an andere zu stellen, Ansprüche an sich zu stellen, in irgendeinem Kontext ist das sinnvoll. Und ein Schritt zur Selbstakzeptanz ist, erst mal davon auszugehen, dass alles, was man an sich selbst nicht mag, auch in irgendeinem Kontext entweder sinnvoll ist oder evolutionsmäßig sinnvoll war oder in der Kindheit sinnvoll war oder was man sich mindestens irgendwann mal aus gutem Grund eingebildet hatte, dass es sinnvoll wäre. Wenn wir das mal verstehen, dass die negativen Tendenzen, die wir jetzt vielleicht aus gutem Grund als negativ ansehen, nicht wirklich negativ sind, sondern alle aus letztlich einer positiven Absicht stammen, dann ist ein Schritt der Selbstakzeptanz gemacht, denn viele haben ja schon viele andere Schritte gegangen. Aber ein weiterer Schritt der Selbstakzeptanz, der Selbstliebe ist damit gegangen und dazu möchte ich euch durchaus ermutigen. Vielleicht gerade am heutigen Tag. Falls ihr am heutigen Tag jemals irgendwie schlecht über euch denkt – vielleicht macht ihr das nicht, dann war der Vortrag heute Morgen überflüssig – aber falls das vorkommen sollte, heute oder morgen oder wann immer, dann macht mal diesen kurzen Zwischenschritt und überlegt: „In welchem Kontext ist diese Reaktion vielleicht sinnvoll in meinem Leben oder in einem früheren Leben, evolutionsmäßig oder kindheitsmäßig oder sonst etwas?“ Und du würdigst das als erstes. Nächster Schritt wäre natürlich, zu gucken: „Ist das jetzt momentan tatsächlich die angebrachte Weise?“ Vielleicht stellt man fest, es ist es nicht, und dann kann man schauen, ob nicht irgendeine andere Weise möglich wäre und dann kann man sich ja überlegen: „Angenommen, ich würde jetzt anders reagieren, wie würde ich denn reagieren?“ Nicht, dass wir es müssen, denn wenn wir es müssen, „ich muss selbstlos sein“, haben wir gleich einen Hammer wieder auf dem Kopf und dann machen wir uns selbst nieder. Aber wir könnten es immer als theoretisches Gedankenspiel durchspielen. Also, kleine Anregung, falls das passiert, überlegt mindestens den ersten Schritt: „In welchem Kontext könnte diese Reaktion denn sinnvoll sein?“ Oder auch: „Wozu ist es denn auch jetzt gut?“ Denn vieles, worüber wir uns jetzt über uns selbst ärgern, ist ja doch irgend zu etwas gut. Und zweite Sache wäre: „Wenn ich anders reagieren würde, wie würde ich denn reagieren aus meinen Idealen heraus?“ Das heißt noch nicht, dass wir deshalb so reagieren müssten, aber wir könnten ja durchspielen, wie wir reagieren würden, wenn wir so reagieren würden, wie wir es vielleicht für angemessener fänden. Kein Erwartungsdruck, sondern spielerisches Durchspielen, im Bewusstsein, letztlich ist, so wie wir die Welt sehen und wie unsere Gedanken sind, ja irgendwo Mitya, Einbildung, und so können wir uns ja mal andere Sachen auch einbilden.

Hari Om Tat Sat

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

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