Über Liebe zu sich selbst und anderen

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute möchte ich etwas zum Thema Liebe sagen.

In allen wichtigen spirituellen Traditionen wird immer gesagt, Liebe sei etwas ganz entscheidendes. Zum einen wird gesagt, Liebe sei ein Mittel zur Verwirklichung, zum anderen heißt es auch, es sei ein Zeichen, dass man die Verwirklichung erreicht hat, wenn man Liebe spürt, erfährt und ausstrahlt.
So sagt zum Beispiel Narada im Bhakti Sutra: „Liebe ist in sich selbst Erfüllung.“ Manche Jnana Yogis sagen: „Liebe ist Mittel zum Zweck der Verwirklichung.“ Krishna sagt in der Bhagavad Gita: „Liebe ist das Zeichen eines Vollkommenen.“

Liebe hat verschiedene Aspekte. Jesus betont besonders, dass es wichtig ist, auch seine Gegner zu lieben. Patanjali sagt: Wer wirklich in Ahimsa verankert ist, (was wörtlich „nicht verletzten“ heißt, aber umgekehrt auch meint, tief in Mitgefühl und Liebe verankert zu sein) der hat keine Gegner mehr.“
Aber solange wir noch nicht so weit sind, ist es erst mal einfach gut, Liebe gegenüber den Menschen zu fühlen, die man mag. Dann kann man probieren, die Liebe zu den Menschen, die man mag, etwas uneigennütziger und auch bedingungsloser werden zu lassen. Und dann kann man Liebe entwickeln zu Menschen, die man vielleicht zunächst mal nicht mag und schließlich zu den Menschen, die man bisher als Gegner angesehen hat.

Das ist natürlich eine relativ schwierige Sache. Aber es ist möglich und es ist erfahrbar und es ist möglich, aus dieser Bewusstheit heraus zu leben. Vielleicht wird man sich immer noch über bestimmte Verhaltensweisen anderer ärgern. Aber Ärger ist ja auch eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden und etwas an sich selbst und seinem Leben zu ändern. Es ist möglich, dass man mit allen Menschen, mit denen man zu tun hat, eine Grundstimmung von Liebe und Mitgefühl hat.

Aber dann gibt es noch jemanden, dessen Gegenwart man nicht vermeiden kann: man selbst. Von allen anderen kann man auch mal Pause haben. Nur uns selbst schleppen wir überall mit hin. Oder wir sind schon da. Ob wir schleppen oder nicht schleppen, jedenfalls sind wir selbst immer da. Wenn man von allumfassender Liebe spricht, ist natürlich auch die Liebe zu sich selbst gemeint und die Selbstakzeptanz. Das ist einfach gesagt. Aber gerade im Yoga hat man ja gleichzeitig ganz schön hohe Ideale. Dann nimmt man sich etwas vor und stellt fest, dass das gar nicht so einfach ist. Viele haben dann eine Neigung, über sich selbst zu schimpfen: „Ah, jetzt habe ich schon wieder den nicht gemocht, dabei habe ich mir doch vorgenommen, nur positiv zu reagieren und mitfühlend, einfühlsam, gewaltfrei zu kommunizieren.“ Viele sagen dann: „Ich Schwachkopf und Dummkopf und ich Taugenichts, wie konnte ich das schon wieder machen?“ Sie sprechen mit sich selbst, wie sie niemals mit irgendjemand anderen sprechen würden.

Dann ist es wichtig, zu lernen, mit sich selbst auch freundlicher umzugehen. Das ist auch ein großes Thema. Heute Morgen ist ja nur Kurzvortrag. Wir können uns immer wieder daran erinnern, dass alle Handlungstendenzen, die wir in uns tragen, in irgendeinem Kontext sinnvoll sind. Es gibt nichts, was bedingungslos verurteilenswert wäre. Selbst wenn man aggressive Tendenzen hat, in irgendeinem Kontext war das mal nützlich. Vielleicht in grauer Vorzeit, als man plötzlich einen Tiger vor sich gesehen hat und es angebracht war, mit dem Flucht-Kampf-Mechanismus zu reagieren, denn sonst würde es einen heute gar nicht geben. Deshalb können wir uns selbst auch dankbar sein. Ärger und Angst aktivieren ja auch. Auch Ansprüche an andere und an sich selbst zu stellen ist in bestimmten Kontexten sinnvoll. Wenn wir verstehen, dass die negativen Tendenzen, die wir jetzt vielleicht aus gutem Grund als negativ ansehen, nicht wirklich negativ sind, sondern alle aus einer positiven Absicht stammen, dann ist ein Schritt der Selbstakzeptanz getan. Dazu möchte ich euch ermutigen, vielleicht ganz besonders heute. Falls ihr heute irgendwann schlecht über euch denkt, dann macht mal diesen kurzen Zwischenschritt und überlegt: „In welchem Kontext ist diese Reaktion vielleicht sinnvoll in meinem Leben oder in einem früheren Leben, evolutionsmäßig oder kindheitsmäßig oder sonst etwas.“ Würdigt das. Und dann sieh nach: „Ist das jetzt tatsächlich die angebrachte Weise?“

Dann könnt ihr schauen, ob eine andere Reaktion möglich wäre: „Angenommen, ich würde jetzt anders reagieren, wie würde ich dann reagieren?“ Nicht, dass wir es müssen, denn dann haben wir gleich wieder einen Hammer auf dem Kopf und machen uns selbst nieder. Aber wir könnten es immer als theoretisches Gedankenspiel durchspielen, im Bewusstsein, dass wir die Welt letztlich so sehen wie unsere Gedanken sind. Letztlich ist alles Mitya, Einbildung. Also können wir uns ruhig auch mal andere Sachen einbilden, die liebevoller sind als bisher.

Hari Om Tat Sat

Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3

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Kommentare

  • ... ja, es ist wirklich nicht so einfach, sich selbst permanent durch die Gegend schleppen zu müssen :-))). und ich glaube, jeder hat sich auch schon dabei ertappt, dass es unter aller Kanone war, wie er mit sich selbst umgegangen ist... Vielen Dank, lieber Sukadev, dass Du diesen Aspekt hier mal so an die Oberfläche gebracht hast! Eine gute Inspiration, ab und zu bewusst freundliche Szenen mit sich selbst zu gestalten und sich selbst insgesamt vielleicht achtungsvoller anzufassen. Danke!

    Om Namo Narayanaya
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