Liebe und Verbundenheit üben

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute lese ich etwas aus der Bhagava Gita, aus dem 16. Kapitel. In diesem Kapitel spricht Krishna über die verschiedenen Eigenschaften, die uns zum Lichtvollen, zum Strahlenden, zum Freudevollen führen können. Die Eigenschaften, die uns helfen können, das Höchste zu verwirklichen.
Krishna sagt im 2. Vers des 16. Kapitels:

„Nicht-Verletzen, Wahrhaftigkeit, Abwesenheit von Zorn, Entsagung, Friedfertigkeit, Fehlen von Hinterlist, Mitgefühl mit den Wesen, Fehlen von Habgier, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Fehlen von Wankelmut.“
Bei den Eigenschaften, die er hier beschreibt, geht es darum, ein freundliches Gefühl zu entwickeln, man kann auch sagen, Liebe zu entwickeln. Das ist eine der wichtigen Grundeigenschaften eines Aspiranten: Liebe zu entwickeln, im Gefühl, dass jeder das eigene Selbst ist und dass wir alle auf eine Weise miteinander verbunden sind. Wir können sagen, wir sind alle Geschwister Gottes oder wir sind alle ein Teil des Organismus namens Ökosystem Erde. Letztlich sind wir alle über einige Ecken miteinander verwandt.
Wir können auch sagen, in jedem von uns stecken die gleichen Eigenschaften. Zwar in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, aber jedes Mal, wenn man in sich selbst eine Eigenschaft entdeckt oder einen Gemütszustand oder einen Gedanken, dann kann man sicher sein, dass andere einen ähnlichen Gemütszustand haben.

Wir können immer davon auszugehen, dass jeder im Grunde genommen das Gute will. Manchmal versuchen die Menschen auf die verquerste Art und Weise, das Gute zu erreichen. Manchmal so, dass sie sich und anderen sehr schaden, aber irgendwo will jeder Mensch auf seine Weise das Gute. Wir haben momentan das große Glück, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Massenmord nicht so weit verbreitet ist und die auch nicht im Krieg lebt. So fällt es uns sicherlich leichter, vom Guten in jedem Menschen auszugehen, als Menschen in anderen Gesellschaften. Davon auszugehen, ob bewusst oder unbewusst will jeder Mensch das Gute. Wir können, wenn ein Mensch etwas Komisches macht und sich anders verhält als wir es gerne hätten gerne hätten, ihm immer erst mal Gutes unterstellen. Wir können erstmal davon ausgehen, dass auf er oder sie auf seine oder ihre Weise eigentlich das Gute will. Das ist vielleicht ungeschickt und unproduktiv und es verletzt mich oder andere, aber eigentlich will er oder sie das Gute. Wenn wir von dieser Arbeitshypothese ausgehen, dann fällt es uns leichter, auch viele andere Dinge, die Krishna hier beschreibt, zu verwirklichen.

Zum Beispiel die Abwesenheit von Zorn. Für Zorn kann es verschiedene Gründe geben. Ein Grund ist, dass wir irgendetwas wollen und es nicht kriegen. Ein Grund für Zorn sind also egoistische Wünsche. Wenn wir in Liebe sein wollen, gilt es also, eine gewisse Entsagung zu üben. Entsagung kommt aus der Grundüberzeugung: „Eigentlich bin ich Satchidananda, Sein, Wissen und Glückseligkeit. Das wird sich niemals ändern, egal, was ich kriege oder nicht kriege. Ein zweiter Punkt ist die Überzeugung, dass das Universum oder Gott oder das Karma mir das gibt, was ich brauche, um zu wachsen. Wir brauchen nicht gierig zu sein, um das zu bekommen, was wir brauchen. Wir können annehmen, dass wir im Inneren das haben, was wir wirklich brauchen. Auch das fällt vermutlich in unserer Gesellschaft sehr viel leichter als in anderen Gesellschaften, in denen die Menschen an Hunger sterben. Da ist es vielleicht ein bisschen schwieriger, mit dieser Philosophie umzugehen.

Es spricht aber natürlich auch nichts dagegen, sich darum zu kümmern und selbst aktiv zu werden. Wir brauchen es nur nicht im Sinne von Getriebenheit tun. Wir können loslassen. Wir können uns darum kümmern, wir können es spielerisch angehen, in der Überzeugung, dass letztlich das passiert, was am besten ist. Dann brauchen wir auch nicht hinterlistig danach zu streben. Wir können offen und ehrlich sein, Satyam verwirklichen.
Die zweite Quelle von Zorn ist der so genannte gerechte Zorn. Wir spielen uns als der Richter von allen auf und denken, dass wir derjenige sind, der dafür sorgen muss, dass alle sich richtig verhalten. Natürlich haben wir bestimmte Pflichten und Aufgaben. Ein Polizist muss auch einen Verbrecher ins Gefängnis bringen. Aber selbst das kann er ohne Hass machen. Ein Richter muss jemanden verurteilen, auch wenn er tief im Inneren weiß, dass der Angeklagte aus seiner Logik heraus durchaus auch Recht hat. Trotzdem ist es die Aufgabe des Richters, nach einem bestimmten Rechtssystem dafür zu sorgen, dass das zwischenmenschliche Zusammenleben gut vonstatten geht. Dass es dabei auch Ungerechtigkeiten gibt, ist etwas anderes. Auch Mütter müssen manchmal zu ihren Kindern sagen: „So geht es nicht.“ Und Partner müssen dem anderen Partner auch mal sagen: „Du, das haben wir anders ausgemacht.“ oder „Ich brauche das ein bisschen anders.“ Aber wir können bei allen, mit denen wir umgehen, davon ausgehen: Im Inneren von jedem wohnt das Göttliche.

Bescheidenheit ist natürlich ein wichtiger Aspekt dabei, denn das sind alles hohe Ideale. Natürlich ist es auch so, dass wir, wenn wir nach den hohen Idealen streben, immer wieder feststellen, dass das nicht so ganz klappt. Das kann uns aber auch helfen, bescheiden zu bleiben.
Wenn wir den hohen Idealen nicht gerecht werden, heißt das nicht, dass wir deshalb gegen uns selbst feindselig sein müssen, sondern es heißt, dass wir Bescheidenheit üben, demütig sind und sagen: „Eigentlich wollte ich anders damit umgehen, ich habe mich wieder geärgert, habe wieder dem anderen schlechte Motive unterstellt, aber ich bin auch auf dem Weg. Und immerhin: Ich nehme das wahr und arbeite daran. Eigentlich will auch ich nur das Gute.“

Auf diese Weise können wir uns selbst gegenüber freundlich sein, wir können demütig und bescheiden sein. Dann gelingt es uns auch leichter, die letzte Eigenschaft zu verwirklichen, die Krishna in diesem Vers aufzählt, nämlich das Fehlen von Wankelmut. Wenn wir auch gegenüber uns selbst diese Freundlichkeit haben, dann können wir die hohen Ideale nämlich auch aufrechterhalten. Wenn wir das nicht können, dann werden wir irgendwann an den Idealen zweifeln. Denn wenn wir zu streng mit uns sind, dann machen sie uns nicht glücklich. Wenn wir aber auch uns gegenüber freundlich gesinnt sind, dann können wir beständig danach streben. Wir wissen, es wird nicht immer klappen, wir sind demütig, wir bitten um Hilfe und Schritt für Schritt werden wir wachsen. Wenn wir zugleich zielstrebig und nachsichtig uns selbst gegenüber sind, dann erreichen wir irgendwann Daiva, das göttlichen Bewusstsein, zum Lichtvollen, zur Liebe, zur Freude.

Hari Om Tat Sat

Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3

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