Zielstrebigkeit oder erleuchtetes Sein

Manche Meister lehren: "Nutze deine Lebenszeit. Verwirkliche dich selbst. Inneres Glück ist innere Arbeit. Lebe im Gleichgewicht von Helfen und Meditation." (Amma, Swami Sivananda, Satya Sai Baba, Dalai Lama). Jesus erklärte in der Bergpredigt: "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren."
Die Grundlehre im Yoga ist: "Wer Gutes tut, erntet ein gutes Karma." Gutes tun können wir als Werke der Barmherzigkeit verstehen. Und auch als innere Arbeit auf dem Weg der Selbstverwirklichung. Wer gute Ursachen setzt, erntet gute Erfolge. Wer konsequent an seinen Gedanken arbeitet und positive Eigenschaften wie Liebe, Frieden, Weisheit und Selbstdisziplin entwickelt, der gelangt ins innere Glück und in ein Leben im Licht.
Im tibetischen Buddhismus heißt es, dass Meditation und positives Denken der Schlüssel zur Erleuchtung sind (Tsongkhapa). Das Zentrum des tibetischen Buddhismus ist der Bodhisattva-Weg. Wer für das Glück aller Wesen arbeitet, der wächst zur Erleuchtung. Im Yoga gibt es das Mantra "Lokah Samastah Sukhino Bhavantu." (Mögen alle Wesen an allen Orten glücklich sein).
Selbstdisziplin gilt im Yoga als die Mutter alles Guten. Die Hauptlehre von Swami Sivananda lautet: "Liebe, diene, gibt, reinige, meditiere und verwirkliche dich." Swami Sivananda empfahl jeden Tag nach einem konsequenten spirituellen Tagesplan zu leben. Buddhas letzte Worte waren: "Strebt weiter, bemüht euch, unablässig achtsam zu sein. Verschwendet euren Geist und eure Zeit nicht in Trägheit und Streitigkeit. Erfreut euch an den Blüten der Erleuchtung und erntet die Frucht der Herzensgüte."
Demgegenüber steht die Aussage anderer Meister: "Ihr könnt nichts tun. Erleuchtung kann man nicht erzwingen. Erleuchtung kommt aus Gnade. Alles geschieht von alleine. Verbindet euch mit eurem spirituellen Vorbild und tut einfach das, was gerade richtig ist. Genießt die Kraft der Gegenwart." (Mutter Meera, Balsekar, Osho, Mooji, Eckhart Tolle).
Im Amitabha-Buddhismus betet man zu Buddha Amitabha und vertraut auf seine Rettung. Man geht nicht den Weg der eigenen, sondern der "anderen Kraft". Martin Luther entfachte mit seiner Gnadenlehre eine Revolution im Christentum. Letztlich zähle nur der Glaube an Gott. Gott schenke den Gläubigen das Heil aus reiner Gnade.
Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen? Sollen wir zielstrebig spirituell praktizieren oder einfach nur ganz entspannt im Hier und Jetzt leben? Diese Frage beschäftigte mich vor vielen Jahren sehr. Ich dachte eines Abends so intensiv darüber nach, dass es die ganze Nacht weiter in meinem Kopf kreiste. Als ich am Morgen aufwachte, hatte ich die Lösung.
Ich wachte auf und war erleuchtet. Mein Geist hatte in der Nacht die Frage geklärt und mich in einen Zustand des anhaftungslosen Seins gebracht. Ich hatte tief im Unterbewusstsein alle Süchte und Sehnsüchte, alle Anhaftungen losgelassen, mich tief entspannt und das innere Glück war erwacht.
Erleuchtung bedeutet ganz entspannt im Hier und Jetzt zu leben. Wir leben einfach nur in der glückseligen Präsenz, im großen Sein, im Nichtstun, in einem egolosen Einheitsbewusstsein. Im Yoga sagt man dazu Sat-Chid-Ananda, anhaftungloses Sein, Einheitsbewusstsein, Glückseligkeit. Im Buddhismus spricht man vom Nirwana, der Lehre/Einheit. Ein Buddha ruht egolos und wunschlos im Glück.
Letztlich war ich durch intensives Nachdenken, durch eine konsequente Gedankenarbeit in diesen Zustand gelangt. Im Zielzustand lebt man im entspannten Sein. Aber um dort hin zu gelangen, muss man intensiv an sich arbeiten. Jedoch muss diese innere Arbeit mit Weisheit geschehen.
Erleuchtung entsteht durch die Auflösung der inneren Verspannungen. Manchmal lösen sich die Verspannungen durch intensive Meditation und Gedankenarbeit. Wir ersetzen konsequent Gedanken des Unfriedens durch Gedanken des Friedens, Gedanken der Wut durch Gedanken der Liebe, Gedanken der Angst durch Gedanken der Weisheit.
Manchmal hilft es uns alles Äußere loszulassen und einfach nur in der Ruhe zu verweilen. Harte Arbeit kann uns zum Ziel führen. Zu starke Zielstrebigkeit kann uns aber auch verspannen. Dann blockiert sie die Erleuchtungsenergie. Wir müssen mit Weisheit genau erspüren, wo wir gerade stehen und was uns gerade hilft. Das kann manchmal harte spirituelle Arbeit und manchmal das entspannte Nichtstun sein.
Ich habe zuerst fünfzehn Jahre intensiv spirituell praktiziert. Dann lösten sich die falschen Gedankenstrukturen auf, die Chakren öffneten sich und die Energie begann zu fließen. Ab jetzt war für mich ein mittlerer Weg aus viel Ruhe und etwas spirituellem Üben richtig.
Wenn viel Glücksenergie da ist, kann ich kaum etwas tun. Ich ruhe geistig im glückseligen Sein und alles geschieht von alleine. Es kommen äußere Impulse, auf die ich reagiere. Handeln geschieht aus Liebe.
Handeln aus dem Ego läßt die Erleuchtung und das innere Glück verschwinden. Handeln aus Liebe bewahrt und verstärkt die Erleuchtung. Man gelangt immer mehr in die Einheit aller Wesen. Das Glück der Mitwesen ist das eigene Glück, weil wir energetisch verbunden sind. Das Leid der Mitwesen ist das eigene Leid. Deshalb möchte man alle Mitwesen vom Leid befreien und ins Glück führen. Mögen die Liebe, der Frieden und das Glück auf der Welt siegen. Dafür kann man immer arbeiten.

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