Schüler auf Sanskrit heißt Chela, bzw. Shishya. Es gibt die Guru Shishya Parampara, d.h. die Aufeinanderfolge von Lehrer auf Schüler.
Wenn du auf dem spirituellen Weg bist, bist du auch ein Schüler. Ein Schüler ist jemand, der/die bereit ist, sich zu schulen. Schüler ist nicht nur jemand, der hört und denkt, sondern jemand, der/die sich schulen lässt, und auch an sich selbst arbeitet.
Im Englischen gibt es ein Wortspiel. Schüler heißt disciple. Ein disciple ist jemand, der Disziplin übt, der also bereit ist, spirituelle Praktiken zu üben und bereit ist, an sich zu arbeiten, der gerne etwas tun will, um Körper und Psyche zu verändern. Auf dem spirituellen Weg willst du Gott verwirklichen. Du willst die Einheit mit dem Höchsten erfahren. Und um dies zu erreichen, gilt es, selbst etwas zu tun. (Die letzten Vorträge hatten zum Thema, wie du ein guter Schüler/eine gute Schülerin sein kannst.)
Und heute will ich darüber sprechen, wie leicht es ist, auf dem spirituellen Weg auf Abwege zu kommen. Es gibt sattvige, rajasige und tamasige Schüler.
Swami Sivananda hat diese drei auch verglichen mit drei Arten von Brennmaterial: grünes Holz, trockenes Holz und Baumwolle.
Tamasige Schüler
Tamasige Schüler sind grünes Holz Schüler. Der Guru gibt Feuer zu dem grünen Holz, und das Einzige, was dabei herauskommt, ist Rauch. Das heißt, der/die Schüler/in kann gar kein Feuer fangen. Er/sie versteht alles falsch, und letztlich wird dabei nur Rauch erzeugt.
Rajasige Schüler
Rajasige Schüler sind wie trockenes Holz. Sie müssen zu einem Guru gehen oder einem/einer spirituellen Lehrer/in oder eben auch in ein spirituelles Übungssystem, und der/die Lehrer/in legt praktisch Feuer an die Schüler. Dann fangen die Schüler Feuer, entwickeln sich und geben Wärme und Licht ab.
Sattvige Schüler
Dann gibt es die sattvigen Schüler. Diese können wie Baumwolle sein. Wenn Baumwolle geerntet wird, sieht sie aus wie ein weißer Wattebausch. Man gibt diese Baumwolle an ein Feuer und sehr schnell fängt sie Feuer, leuchtet und ist auch schnell verbrannt. In dieser Hinsicht ist ein/e sattviger Schüler jemand der/die sehr schnell Feuer fängt, sehr schnell die Gottverwirklichung erreicht, sehr schnell seine niedere Natur überwindet, über das Individuelle hinaus wächst und die Einheit mit dem Kosmischen verwirklicht.
Bist du jetzt ein sattviger, rajasiger oder ein tamasige/r Schüler?
Als tamasiger Schüler, also grünes Holz Schüler, bist du jemand, der nicht wirklich lernen will. Du willst zeigen, dass du recht hast. Du bist nicht bereit, dich zu verändern. Wenn du zu einem echten Guru kommst oder in Kontakt kommst mit einem authentischen spirituellen Übungssystem, entsteht nur Qualm und Auseinandersetzung. Typischerweise wird ein Guru, der feststellt, dass es sich um eine/n grünes Holz- bzw. tamasige/n Schüler/in handelt, sagen: Geh in die normale Welt hinein. Lerne und wachse dort, und du wirst durch das Leben letztlich die Erfahrungen machen, die notwendig sind, um langsam ein/e trockenes Holz Schüler/in zu werden. Also wenn du immer nur argumentierst, nicht bereit bist, zu ändern, wenn du jemand bist, der immer zeigen will, dass er/sie recht hast, wenn du grundlos mit spirituellen Lehrern/Lehrerinnen argumentierst, dann bist du vermutlich ein/e grünes Holz Schüler/in. Du bist vielleicht noch nicht bereit, systematisch an dir zu arbeiten.
Ich nehme an, du bist kein grünes Holz Schüler, sonst hättest du den Text nicht bis hierher gelesen. Du bist mindestens ein/e trockenes Holz Schüler.
Es gibt unter den trockenes Holz Schülern wiederum verschiedene Stufen. Trockenes Holz Schüler sind leicht rajasig. Es gibt die rajasig-tamasigen, die sind am Übergang. Eigentlich wollen sie lernen und wachsen. Aber sie wollen so lernen, wie sie selbst es für richtig halten. Sie wollen durchaus praktizieren, aber auch, wollen aber auch, dass der/die Lehrer/in ihnen genau das sagt, was sie gerne hätten. Ebenso wollen sie zeigen, dass sie selbst recht haben, sie argumentieren gerne, aber gleichzeitig haben sie auch Interesse.
Die fortgeschritteneren rajasigen Schüler sind rajasig-sattvige Schüler, d.h. sie wollen wachsen und lernen, aber gleichzeitig meldet sich ihr Ego. Und da ist auch Verhaftung und etwas Trägheit. Rajasige, trockenes Holz Schüler brauchen die Anweisungen des Lehrers/der Lehrerin und bekommen sie, wenn sie zu wachsen bereit sind. Sie können spirituelles Feuer fassen und wissen, dass sie noch weitere Schulung brauchen. Mit diesen Schülern kann ein/e Lehrer/in sehr systematisch arbeiten.
Der/die Lehrer/in wird dem/der Schüler/in versuchen zu erklären, wie das Ganze geht. Er/sie wird ihm/ihr zeigen, welche Praktiken zu üben sind. Er/sie wird versuchen, die Praktiken so zu geben, dass der/die Schüler/in es ausführen kann und auf die Fragen des/der Schüler/in eingehen. Der/die Lehrer/in wird um Rückmeldung bitten und manchmal auch Dinge aufgeben, die er/sie nicht mag.
Die faszinierendste Guru-Schüler Beziehung ist, wenn der Guru ein sattviger Guru ist und der/die Schüler/in ein/e rajasig-sattvige/r.
Sattwig – er/sie ist bereit, an sich zu arbeiten und will die Gottverwirklichung erreichen. Rajasig – er/sie hat noch ein Ego und fühlt sich schnell gekränkt. Er/sie hat bestimmte Verhaftungen, Wünsche und Vorstellungen.
Diese Art von rajasig-sattvigen Schülern sind diejenigen, die auf dem spirituellen Weg am häufigsten vorkommen, wenn sie in authentisch spirituelle Ashrams gehen oder zu authentisch spirituellen Lehrer/innen.
Die dritte Art von Schülern sind die sattvigen. Sie sind Baumwoll-Schüler, also solche, die ganz schnell zur Gottverwirklichung kommen werden. Sie brauchen nur einen kleinen Funken. Und dann entflammen sie in Gottverwirklichung. So war es z.B. mit Swami Vivekananda. Er war in seiner Jugend jemand, der schon tiefer gedacht hat. Er war Student und hat überlegt, was der Sinn des Lebens sei. Dann kam er zu Paramahamsa Ramakrishna, und schon bei der ersten Begegnung mit ihm ist er in Samadhi gefallen – es brauchte lediglich eine Begegnung.
Erleuchtung bedarf der Bereitschaft, stetig an sich selbst zu arbeiten und sich selbst zu verändern. Das ist am Anfang oft schwer, und oft ist es noch schwerer, wenn du schon eine Weile auf dem Weg bist. Gar nicht mal selten haben Schüler dann ihre eigene Vorstellung entwickelt, und wehe, jemand sagt ihnen etwas anderes.
Spätestens dann sind sie zu rajasig-tamasigen Schülern geworden. In diesem Sinne: erkenne, es ist wichtig, dass du an dir selbst arbeitest. Und an dir liegt es, dich würdig zu erweisen, und du bist der-/diejenige, der/die die Arbeit macht. Es ist nicht der/die Lehrer/in, der/die für dich die Arbeit macht. Du musst das selbst tun. Und es ist nicht die Aufgabe des Lehrers/der Lehrerin, es dir leicht zu machen. Du wächst sogar mehr, wenn du eine/n Lehrer/in hast, der/die es dir schwer macht. Und nicht immer ist der/die Lehrer/in ein/e physische/r Lehrer/in. Das Leben ist Lehrer/in. Wenn du in schwierigen Situationen bist, dann wisse, dass der Guru, der/die Lehrer/in sich in diesen Momenten als das Leben mit seinen schweren Aufgaben manifestiert, damit du daran wachsen kannst.
Sei demütig, wäre der nächste Ratschlag. Sei demütig und behalte immer diese demütige Einstellung, die Bereitschaft, zu wachsen und zu dienen.
Jetzt bin ich beim nächsten Punkt: sei bereit, auch zu dienen. Es geht nicht nur darum, dass spirituelle Lehrer dich inspirieren. Es gilt, eine Beziehung herzustellen zu spirituellen Lehrern. In unserer Tradition ist der spirituelle Lehrer Swami Sivananda. Es gilt, diesem Lehrer zu dienen.
Wie kannst du deinem Lehrer/deiner Lehrerin dienen? Zum einen, indem du das, was du tust, ihnen darbringst. Zum andern, indem du um Führung bittest. Zum Nächsten auch, indem du an seinem/ihrem Werk arbeitest und seine/ihre Lehren verbreitest. Wenn du also z.B. in einem Yoga Vidya Center oder Ashram bist, dann kannst du dir bewusst sagen, dass du dort helfen/dienen möchtest. Und zwar nicht, um nachher weniger bezahlen zu müssen. Es gibt manchmal Menschen, die z.B. gerne den Rezeptionsdienst übernehmen und dann eine Ermäßigung für Workshops oder Gutscheine haben wollen. Bei Yoga Vidya gibt es das Anliegen, dass alle Menschen sich alles leisten können sollen, und so gibt es die Austauschmöglichkeit, Mithilfe gegen Seminarbesuch. Aber das ist kein Dienen. Das ist auch nicht wirklich etwas, womit man spirituell so sehr wächst. Du wächst am meisten, wenn du dienst, ohne irgendetwas materiell Berechenbares zurück zu bekommen. Das Dienen ist wichtig.
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Stark gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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