Shubheccha bedeutet spirituelles Erwachen, die erste Stufe der sieben Bhumikas, ‚Bhumika heißt Entwicklungsstufe, Entwicklungsebene. ‚Bhumi‘ hat etwas mit Ebene zu tun, etwas Gewordenes, etwas sich entwickelndes und Bhumika ist eine Entwicklungsebene auf dem spirituellen Weg. Die

 

Was heißt Shubheccha?

Shubheccha ist gekennzeichnet durch die vier Sadhana Chatushtayas. Shubheccha ist charakterisiert durch Sadhana Chatushtay. Es bedeutet die Vierheit der spirituellen Praxis. Wir können sagen, das Erwachen von vier Eigenschaften eines Aspiranten. Wenn eine dieser vier erwacht, ist man auf Shubheccha. Die vier Eigenschaften sind:  

  1. Vairagya – Abwesenheit von Gier und Wünschen
  2. Viveka – Unterscheidungskraft
  3. Shatsampat – die sechs Tugenden der Gelassenheit
  4. Mumukshutva – intensives Verlangen nach Befreiung, nach einer höheren Wirklichkeit
  1. Vairagya – Abwesenheit von Gier und Wünschen

Vairagya heißt ein Zustand, der gekennzeichnet ist durch die Abwesenheit von ‚Raga‘, ‚Raga‘ heißt mögen, Wunsch, Gier, Verhaftung usw. Einfach ausgedrückt ist Vairagya die tiefe innere Erkenntnis, Sehnsucht, Verwirklichung, das tiefe innere Gefühl, dass ein äußerlich gelebtes Leben einen nicht dauerhaft glücklich macht.

Vairagya ist zudem eine gewisse Enttäuschung oder gar Verzweiflung an der Welt. Vairagya bedeutet, man weiß, spürt, erfährt und fühlt, dass die äußere Welt einen nicht dauerhaft glücklich machen wird. Das kann aus einer Enttäuschung heraus geschehen. Es kann aus einem Verlust heraus geschehen oder aus heiterem Himmel heraus kommen. Ein Erfolg kann ausschlaggebend sein, wenn man nachher feststellt, dass es einen nicht so befriedigt. 

  1. Viveka – Unterscheidung

Man könnte sagen, Vairagya ist das Emotionale. Viveka ist das Intellektuelle. Viveka kann heißen die tiefe Überzeugung und die tiefe Verwirklichung, intellektuelle Klarheit, dass äußeres Leben allein nicht sinnvoll sein kann. Es kann die Unterscheidung zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen sein, insbesondere die Erkenntnis, dass das äußere Leben vergänglich ist. Es kann heißen die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst. Das kann die tiefe Erkenntnis ‚Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht der Geist, wer bin ich überhaupt?‘ bedeuten. Dann stellt sich die tiefe Frage: ‚Wer bin ich?‘. Dies ist ein Teil von Viveka. Sie umfasst die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wenn diese Frage intellektuell wichtig ist, ist Viveka da. Die tiefe Überzeugung, es muss ein Göttliches hinter allem geben, es muss ein Göttliches geben, gibt Hinweise auf Viveka.

Man liest viel über Menschen, die spirituell sind oder man liest über Gott. Wenn darauf die Frage kommt und wichtig wird: ‚Was ist denn überhaupt Gott?‘, dann ist Viveka erwacht. Das Suchen nach Wahrheit trifft hier auch zu. Selbst viele Physiker, Wissenschaftler, Biologen etc. sind auf Shubheccha. Sie wollen herausfinden: Was ist das Universum? Wer bin ich? Was ist der Sinn hinter dem Ganzen? 

  1. Shatsampat – die sechs edlen Tugenden der Gleichmut

Shubheccha ist keine Depression. Die Depression gibt es als einen Gemütszustand, wo Menschen aus einer Enttäuschung heraus, aus einer Überanstrengung, einem Burnout oder einer traumatischen Erfahrung heraus in ein Gefühl der Sinnlosigkeit kommen. Es ist ein Gefühl, dass nichts sinnvoll ist. Shatsampat heißt ein gewisser Gleichmut, eine gewisse Heiterkeit inmitten der Veränderungen des täglichen Lebens. Man könnte vielleicht ein erfolgreiches Leben führen, aber man sieht den Sinn dahinter nicht. Man fühlt, dass das nicht alles gewesen sein kann. Wenn man aus irgendeinem Grund plötzlich eine Gelassenheit hat, ob man erfolgreich ist oder weniger erfolgreich, ob Menschen einen mögen oder nicht, loben oder nicht, wenn das einfach weniger wichtig ist und man eine heitere Gelassenheit hat, ist das ein Zeichen für Shatsampat.  

  1. Mumukshutva – intensives Verlangen nach Befreiung, nach einer höheren Wirklichkeit

Schließlich tritt Mumukshutva auf, du kennst vielleicht Moksha (Befreiung, Erlösung, Gottverwirklichung, Selbstverwirklichung). Mumukshutva heißt intensive Sehnsucht nach der höheren Wirklichkeit, man sehnt sich nach der höheren Wirklichkeit, man möchte sein Leben danach ausrichten.

Shubheccha kann auf unterschiedliche Weise erwachen. Bei manchen ist Vairagya oder Viveka zuerst da, Mumukshutva oder Shatsampat können ebenfalls als erster in Erscheinung treten.

 

 

Aufgaben auf Shubheccha

Es gibt verschiedene Aufgaben auf Shubheccha. Das erste wäre es, wenn spirituelle Sehnsucht da ist, tiefes Nachdenken über das Leben, den spirituellen Fragen Raum zu geben, sich selbst wertzuschätzen dafür, dass man diese tiefen Fragen hat.

Die nächste Aufgabe wäre, erkennen, dass es andere gibt, die diese Fragen stellen und sich mit diesen Menschen verbinden. Es ist wichtig, gerade wenn man ein Umfeld hat, wo keiner manifest auf dem spirituellen Weg ist, dass man die Gemeinschaft von anderen Menschen sucht, die auch auf dem Weg sind. Der Mensch ist nun mal ein Zoon Politicon, d. h. ein geselliges Wesen. Wenn du irgendwo bist, wo du der einzige bist auf dem spirituellen Weg, fühlst du dich allein und einsam.

Vermutlich wäre es einfach gut, wenn du diese Themen ansprichst. Vermutlich gibt es vielmehr Menschen, die sich auf Shubheccha oder Vicharana befinden, als du denkst. Weil aber viele Menschen sich nicht trauen, ihrer spirituellen Sehnsucht Ausdruck zu geben, darüberzusprechen, kann es sein, dass du in deinem Umfeld viele hast, die alle die gleiche Sehnsucht haben, aber weil keiner sich traut darüber zu sprechen. Jeder denkt, er sei ganz allein. Äußere ruhig deine tiefen Fragen und schaue, ob es vielleicht andere gibt, die auch auf diesem Weg sind.

Eine nächste Aufgabe wäre, dir einen spirituellen Überblick zu verschaffen. Dies ist ein gutes Gegenmittel gegen Fanatismus, denn eine Gefahr auf dem spirituellen Weg ist immer Fanatismus. Menschen, die denken ihr Weg sei der einzige, haben eine Neigung zum Fanatismus. Zudem werden Menschen mit spiritueller Sehnsucht manchmal Opfer von spirituellen Fanatikern. Daher verschaffe dir, wenn Shubheccha erwacht ist, einen gewissen spirituellen Überblick und entwickle eine Weite des Geistes. Sei dir bewusst, es gibt verschiedene Wege zum Höchsten. In allen Religionen gibt es spirituelle Menschen, die Gottverwirklichung erreichen. Zudem gibt es die Möglichkeit die Gottverwirklichung außerhalb einer etablierten Religion zu erreichen und zu verschiedenen Stadien verschiedenen spirituellen Richtungen zu folgen. Entwickle eine Weite des Geistes. 

Eine weitere Aufgabe gerade zu Anfang kann ein Ausprobieren sein, um den eigenen Weg herauszufinden. Es gilt nicht nur einen intellektuellen Überblick zu verschaffen, sondern das ein oder andere auszuprobieren. Das kann dir helfen, herauszufinden, was für dich am besten ist. Du musst jetzt nicht notwendigerweise zu Anfang des Weges verschiedene Seminare mitmachen. Es bedeutet nicht, verschiedene Richtungen wie Zen Buddhismus, Vipassana Buddhismus, tibetischer Buddhismus, Theravada Buddhismus, jesuitische Exerzitien, Franziskanerkloster-Aufenthalt, Yoga Vidya, Sivananda Yoga, Hare Krishna, Kriya Yoga, Vedanta, Neo-Vedanta, Neo-Tantra, Sufismus, Schamanismus oder weitere auszuprobieren. Wenn du zu Anfang deines Weges merkst, dass du das machen willst, ist es gut. Ein intellektueller Überblick ist gut. 

Wenn du zügig zum spirituellen Erwachen kommst und schnell einen spirituellen Weg gehst, ist das gut. Es ist zudem wichtig einen offenen und weiten Geist zu haben. Die Aufgabe besteht darin, auf Shubheccha auf die nächste Stufe zu gehen – Vicharana.

Entwicklungsstufe heißt, den nächsten Schritt zu gehen und die nächste Stufe zu erlangen. Irgendwann reicht es aus, sich einen Überblick verschafft zu haben. Irgendwann sollte die Phase in der spirituellen Verzweiflung zu schwelgen überstanden sein. Die Phase des Ausprobierens vorbei ist an einem gewissen Zeitpunkt vorbei. Jetzt gilt es den spirituellen Weg zu gehen, spirituell zu strebenund sein Leben spirituell auszurichten. Dann bist du auf Vicharana.

Gefahren auf Shubheccha

Gefahren auf Shubheccha sind Verzweiflung, Süchte, Verdrängung bis zum Suizid. Es kann auch ein Steckenbleiben bei Intellektualität sein, Schaufensterbummel und Wellness-Spiritualität im Sinne von Wohlfühlen wollen, es soll weiter gehen, wir wollen zur Transformation kommen. Eine weitere Gefahr ist es, Menschheitsverführern zum Opfer zu fallen, einem Lehrer oder einer spirituellen Richtung zu folgen, die mit Gewalt verbunden ist, mit Fanatismus und dich in tiefe Probleme stürzen wird.

Darüber wird noch gesprochen, wenn es um Vicharana geht und um sattwige, rajasige und tamasige Spiritualität, um sattwige, rajasige und tamasige spirituelle Lehrer.

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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